Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.einen Schluck." Lief hinab, setzte einen Krug an: "Gott gesegne's dir, Grethel!" und that einen guten Zug. "Der Wein hängt an einander, sprachs zu sich, und ist nicht gut davon abbrechen." Nun ging es wieder hinauf, stellte die Hühner wieder übers Feuer, strich sie mit Butter und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte es: "es könnte etwas fehlen, versucht muß er werden!" schleckte mit dem Finger, und sprach: "ei, was sind die Hühner so gut! ist ja Sünd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!" Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Hühnern, dachte: der eine Flügel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg. Also schnitt es ihn ab und aß ihn und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es, der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr, daß was fehlt. Wie die zwei Flügel verzehrt waren, ging es wieder und schaute nach dem Herrn und sah ihn nicht; "ei, fiel ihm ein, wer weiß, sie kommen wohl gar nicht und sind wo eingekehrt." Da sprachs: "hei, Grethel! sey guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk und iß es vollends dazu, wenn's all ist, hast du Ruh! warum soll auch die Gottesgabe umkommen?" Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trank und aß das eine Huhn in aller Freudigkeit auf. Wie es drunten war und der Herr noch immer nicht kam, sah es das andere Huhn an und sprach: "wo das eine ist muß auch das andere seyn, die zwei gehören zusammen, was dem einen Recht ist, das ist dem andern billig, ich glaube, wann ich noch einen Trunk einen Schluck.“ Lief hinab, setzte einen Krug an: „Gott gesegne’s dir, Grethel!“ und that einen guten Zug. „Der Wein haͤngt an einander, sprachs zu sich, und ist nicht gut davon abbrechen.“ Nun ging es wieder hinauf, stellte die Huͤhner wieder uͤbers Feuer, strich sie mit Butter und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte es: „es koͤnnte etwas fehlen, versucht muß er werden!“ schleckte mit dem Finger, und sprach: „ei, was sind die Huͤhner so gut! ist ja Suͤnd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!“ Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht kaͤm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Huͤhnern, dachte: der eine Fluͤgel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg. Also schnitt es ihn ab und aß ihn und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es, der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr, daß was fehlt. Wie die zwei Fluͤgel verzehrt waren, ging es wieder und schaute nach dem Herrn und sah ihn nicht; „ei, fiel ihm ein, wer weiß, sie kommen wohl gar nicht und sind wo eingekehrt.“ Da sprachs: „hei, Grethel! sey guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk und iß es vollends dazu, wenn’s all ist, hast du Ruh! warum soll auch die Gottesgabe umkommen?“ Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trank und aß das eine Huhn in aller Freudigkeit auf. Wie es drunten war und der Herr noch immer nicht kam, sah es das andere Huhn an und sprach: „wo das eine ist muß auch das andere seyn, die zwei gehoͤren zusammen, was dem einen Recht ist, das ist dem andern billig, ich glaube, wann ich noch einen Trunk <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0463" n="399"/> einen Schluck.“ Lief hinab, setzte einen Krug an: „Gott gesegne’s dir, Grethel!“ und that einen guten Zug. „Der Wein haͤngt an einander, sprachs zu sich, und ist nicht gut davon abbrechen.“ Nun ging es wieder hinauf, stellte die Huͤhner wieder uͤbers Feuer, strich sie mit Butter und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte es: „es koͤnnte etwas fehlen, versucht muß er werden!“ schleckte mit dem Finger, und sprach: „ei, was sind die Huͤhner so gut! ist ja Suͤnd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!“ Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht kaͤm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Huͤhnern, dachte: der eine Fluͤgel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg. Also schnitt es ihn ab und aß ihn und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es, der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr, daß was fehlt. Wie die zwei Fluͤgel verzehrt waren, ging es wieder und schaute nach dem Herrn und sah ihn nicht; „ei, fiel ihm ein, wer weiß, sie kommen wohl gar nicht und sind wo eingekehrt.“ Da sprachs: „hei, Grethel! sey guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk und iß es vollends dazu, wenn’s all ist, hast du Ruh! warum soll auch die Gottesgabe umkommen?“ Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trank und aß das eine Huhn in aller Freudigkeit auf. Wie es drunten war und der Herr noch immer nicht kam, sah es das andere Huhn an und sprach: „wo das eine ist muß auch das andere seyn, die zwei gehoͤren zusammen, was dem einen Recht ist, das ist dem andern billig, ich glaube, wann ich noch einen Trunk </p> </div> </body> </text> </TEI> [399/0463]
einen Schluck.“ Lief hinab, setzte einen Krug an: „Gott gesegne’s dir, Grethel!“ und that einen guten Zug. „Der Wein haͤngt an einander, sprachs zu sich, und ist nicht gut davon abbrechen.“ Nun ging es wieder hinauf, stellte die Huͤhner wieder uͤbers Feuer, strich sie mit Butter und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte es: „es koͤnnte etwas fehlen, versucht muß er werden!“ schleckte mit dem Finger, und sprach: „ei, was sind die Huͤhner so gut! ist ja Suͤnd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!“ Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht kaͤm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Huͤhnern, dachte: der eine Fluͤgel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg. Also schnitt es ihn ab und aß ihn und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es, der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr, daß was fehlt. Wie die zwei Fluͤgel verzehrt waren, ging es wieder und schaute nach dem Herrn und sah ihn nicht; „ei, fiel ihm ein, wer weiß, sie kommen wohl gar nicht und sind wo eingekehrt.“ Da sprachs: „hei, Grethel! sey guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk und iß es vollends dazu, wenn’s all ist, hast du Ruh! warum soll auch die Gottesgabe umkommen?“ Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trank und aß das eine Huhn in aller Freudigkeit auf. Wie es drunten war und der Herr noch immer nicht kam, sah es das andere Huhn an und sprach: „wo das eine ist muß auch das andere seyn, die zwei gehoͤren zusammen, was dem einen Recht ist, das ist dem andern billig, ich glaube, wann ich noch einen Trunk
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
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