Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.dem Hort der Nibelungen liegt daher die Wünschelruthe, der Zauberstab, bedeutungsvoll verschlossen und zeigt, daß Kampf um den Besitz des höchsten Guts der eigentliche Jnhalt der alten Sage ist. Jm Titurel Str. 4751. steht die merkwürdige Stelle: "wande sich der gral gelichtet dem paradis mit siner wunschelruoten*)." Die weiße, d. h. die glänzende, auf dem Gold ruhende Schlange (Fafner) womit die Unke, die eine Krone trägt und die kostbarsten Schätze gesammelt hat, übereinstimmt, ist gleichfalls ein Symbol jenes Horts; darum erwirbt, wer von ihr ißt, d. h. ihres Wesens theilhaftig wird*), die höhere Einsicht in die Natur der Dinge, versteht die Sprache der Vögel und hat das Glück an sich gebannt. Ferner das Herz des auf Goldeiern brütenden, selbst goldgefiederten Vogels, ist wieder nichts anders, als jenes Schlangenherz und wenn dem, der es genossen, das Gold im Schlaf unter dem Haupt wächst, so ist das ein bezeichnendes Bild von der unbewußt in ihm wirkenden Kraft. Hierher gehört auch die unter den *) Es verdient angemerkt zu werden, daß Valhaull (der selige Aufenthalt der im Kampf Gebliebenen) in der Atlaquida (Str. 2. 14) bloß die herrliche, die Wunschhalle heißt; Wunsch hier, wie überhaupt bei den Wünscheldingen in dem alten Sinne als Jnbegriff alles Wünschenswerthen genommen. Daselbst wird auch (Str. 30.) der in den wallenden Rhein zu versenkende Hort val. baugar genannt, zunächst herrliche, ausgewählte Ringe; weil aber der, welcher die Wahl hat, seine Wünsche befriedigen kann, auch Wunschringe. -- Sonst kommt die Sache in der Edda noch unter anderm Namen vor: Gamban-trinn, Wünschelruthe (Skirnisf. 32.) und Gamban-sumi Wunschtafel (Aegisdr. 8.). *) So erhält Loke erst seine böse Natur, nachdem er das gebratene Herz eines bösen Weibes gegessen. Hyndluliod Str. 37.
dem Hort der Nibelungen liegt daher die Wuͤnschelruthe, der Zauberstab, bedeutungsvoll verschlossen und zeigt, daß Kampf um den Besitz des hoͤchsten Guts der eigentliche Jnhalt der alten Sage ist. Jm Titurel Str. 4751. steht die merkwuͤrdige Stelle: „wande sich der gral gelichtet dem paradis mit siner wunschelruoten*).“ Die weiße, d. h. die glaͤnzende, auf dem Gold ruhende Schlange (Fafner) womit die Unke, die eine Krone traͤgt und die kostbarsten Schaͤtze gesammelt hat, uͤbereinstimmt, ist gleichfalls ein Symbol jenes Horts; darum erwirbt, wer von ihr ißt, d. h. ihres Wesens theilhaftig wird*), die hoͤhere Einsicht in die Natur der Dinge, versteht die Sprache der Voͤgel und hat das Gluͤck an sich gebannt. Ferner das Herz des auf Goldeiern bruͤtenden, selbst goldgefiederten Vogels, ist wieder nichts anders, als jenes Schlangenherz und wenn dem, der es genossen, das Gold im Schlaf unter dem Haupt waͤchst, so ist das ein bezeichnendes Bild von der unbewußt in ihm wirkenden Kraft. Hierher gehoͤrt auch die unter den *) Es verdient angemerkt zu werden, daß Valhaull (der selige Aufenthalt der im Kampf Gebliebenen) in der Atlaquida (Str. 2. 14) bloß die herrliche, die Wunschhalle heißt; Wunsch hier, wie uͤberhaupt bei den Wuͤnscheldingen in dem alten Sinne als Jnbegriff alles Wuͤnschenswerthen genommen. Daselbst wird auch (Str. 30.) der in den wallenden Rhein zu versenkende Hort val. baugar genannt, zunaͤchst herrliche, ausgewaͤhlte Ringe; weil aber der, welcher die Wahl hat, seine Wuͤnsche befriedigen kann, auch Wunschringe. — Sonst kommt die Sache in der Edda noch unter anderm Namen vor: Gamban-trinn, Wuͤnschelruthe (Skirnisf. 32.) und Gamban-sumi Wunschtafel (Aegisdr. 8.). *) So erhaͤlt Loke erst seine boͤse Natur, nachdem er das gebratene Herz eines boͤsen Weibes gegessen. Hyndluliod Str. 37.
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dem Hort der Nibelungen liegt daher die Wuͤnschelruthe, der Zauberstab, bedeutungsvoll verschlossen und zeigt, daß Kampf um den Besitz des hoͤchsten Guts der eigentliche Jnhalt der alten Sage ist. Jm Titurel Str. 4751. steht die merkwuͤrdige Stelle: „wande sich der gral gelichtet dem paradis mit siner wunschelruoten *).“ Die weiße, d. h. die glaͤnzende, auf dem Gold ruhende Schlange (Fafner) womit die Unke, die eine Krone traͤgt und die kostbarsten Schaͤtze gesammelt hat, uͤbereinstimmt, ist gleichfalls ein Symbol jenes Horts; darum erwirbt, wer von ihr ißt, d. h. ihres Wesens theilhaftig wird *), die hoͤhere Einsicht in die Natur der Dinge, versteht die Sprache der Voͤgel und hat das Gluͤck an sich gebannt. Ferner das Herz des auf Goldeiern bruͤtenden, selbst goldgefiederten Vogels, ist wieder nichts anders, als jenes Schlangenherz und wenn dem, der es genossen, das Gold im Schlaf unter dem Haupt waͤchst, so ist das ein bezeichnendes Bild von der unbewußt in ihm wirkenden Kraft. Hierher gehoͤrt auch die unter den
*) Es verdient angemerkt zu werden, daß Valhaull (der selige Aufenthalt der im Kampf Gebliebenen) in der Atlaquida (Str. 2. 14) bloß die herrliche, die Wunschhalle heißt; Wunsch hier, wie uͤberhaupt bei den Wuͤnscheldingen in dem alten Sinne als Jnbegriff alles Wuͤnschenswerthen genommen. Daselbst wird auch (Str. 30.) der in den wallenden Rhein zu versenkende Hort val. baugar genannt, zunaͤchst herrliche, ausgewaͤhlte Ringe; weil aber der, welcher die Wahl hat, seine Wuͤnsche befriedigen kann, auch Wunschringe. — Sonst kommt die Sache in der Edda noch unter anderm Namen vor: Gamban-trinn, Wuͤnschelruthe (Skirnisf. 32.) und Gamban-sumi Wunschtafel (Aegisdr. 8.).
*) So erhaͤlt Loke erst seine boͤse Natur, nachdem er das gebratene Herz eines boͤsen Weibes gegessen. Hyndluliod Str. 37.
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. XXXVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/44>, abgerufen am 25.07.2024. |