Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819."ich will meine Tochter heirathen, denn sie ist das Ebenbild meiner verstorbenen Frau und sonst kann ich doch keine Braut auf Erden finden. Als die Räthe das hörten, erschraken sie und sprachen: "Gott hat verboten, daß der Vater seine Tochter heirathet und aus der Sünde kann nichts Gutes entspringen." Die Tochter erschrak auch, hoffte aber den König noch von seinem Vorhaben abzubringen. Da sagte sie zu ihm: "eh ich euern Wunsch erfülle, muß ich erst drei Kleider haben, eins, so golden wie die Sonne, eins so silbern wie der Mond und eins so glänzend als die Sterne; ferner verlang ich einen Mantel von tausenderlei Pelz und Rauhwerk zusammengesetzt, zu welchem ein jedes Thier in euerm Reich ein Stück von seiner Haut gegeben hat." Dabei dachte sie, das ist anzuschaffen ganz unmöglich, und dann muß mein Vater von seinen Gedanken ablassen. Der König aber ließ nicht ab, und die geschicktesten Jungfrauen in seinem Reich mußten die drei Kleider weben, eins so golden als die Sonne, eins so silbern als der Mond und eins so glänzend als die Sterne; und seine Jäger mußten alle Thiere in seinem Reich auffangen, und ihnen ein Stück von ihrer Haut abziehen, daraus ward ein Mantel von tausenderlei Rauhwerk gemacht. Und wie alles fertig war, ließ es der König zu ihr bringen und sprach: "morgen soll die Hochzeit seyn." Als nun die Königstochter sah, daß keine Hoffnung mehr war, ihres Vaters Herz umzuwenden, so stand sie, wie alles schlief, in der Nacht auf, nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei, einen goldenen Ring, ein goldenes Spinnrädchen und ein goldenes „ich will meine Tochter heirathen, denn sie ist das Ebenbild meiner verstorbenen Frau und sonst kann ich doch keine Braut auf Erden finden. Als die Raͤthe das hoͤrten, erschraken sie und sprachen: „Gott hat verboten, daß der Vater seine Tochter heirathet und aus der Suͤnde kann nichts Gutes entspringen.“ Die Tochter erschrak auch, hoffte aber den Koͤnig noch von seinem Vorhaben abzubringen. Da sagte sie zu ihm: „eh ich euern Wunsch erfuͤlle, muß ich erst drei Kleider haben, eins, so golden wie die Sonne, eins so silbern wie der Mond und eins so glaͤnzend als die Sterne; ferner verlang ich einen Mantel von tausenderlei Pelz und Rauhwerk zusammengesetzt, zu welchem ein jedes Thier in euerm Reich ein Stuͤck von seiner Haut gegeben hat.“ Dabei dachte sie, das ist anzuschaffen ganz unmoͤglich, und dann muß mein Vater von seinen Gedanken ablassen. Der Koͤnig aber ließ nicht ab, und die geschicktesten Jungfrauen in seinem Reich mußten die drei Kleider weben, eins so golden als die Sonne, eins so silbern als der Mond und eins so glaͤnzend als die Sterne; und seine Jaͤger mußten alle Thiere in seinem Reich auffangen, und ihnen ein Stuͤck von ihrer Haut abziehen, daraus ward ein Mantel von tausenderlei Rauhwerk gemacht. Und wie alles fertig war, ließ es der Koͤnig zu ihr bringen und sprach: „morgen soll die Hochzeit seyn.“ Als nun die Koͤnigstochter sah, daß keine Hoffnung mehr war, ihres Vaters Herz umzuwenden, so stand sie, wie alles schlief, in der Nacht auf, nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei, einen goldenen Ring, ein goldenes Spinnraͤdchen und ein goldenes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0421" n="357"/> „ich will meine Tochter heirathen, denn sie ist das Ebenbild meiner verstorbenen Frau und sonst kann ich doch keine Braut auf Erden finden. Als die Raͤthe das hoͤrten, erschraken sie und sprachen: „Gott hat verboten, daß der Vater seine Tochter heirathet und aus der Suͤnde kann nichts Gutes entspringen.“ Die Tochter erschrak auch, hoffte aber den Koͤnig noch von seinem Vorhaben abzubringen. Da sagte sie zu ihm: „eh ich euern Wunsch erfuͤlle, muß ich erst drei Kleider haben, eins, so golden wie die Sonne, eins so silbern wie der Mond und eins so glaͤnzend als die Sterne; ferner verlang ich einen Mantel von tausenderlei Pelz und Rauhwerk zusammengesetzt, zu welchem ein jedes Thier in euerm Reich ein Stuͤck von seiner Haut gegeben hat.“ Dabei dachte sie, das ist anzuschaffen ganz unmoͤglich, und dann muß mein Vater von seinen Gedanken ablassen. Der Koͤnig aber ließ nicht ab, und die geschicktesten Jungfrauen in seinem Reich mußten die drei Kleider weben, eins so golden als die Sonne, eins so silbern als der Mond und eins so glaͤnzend als die Sterne; und seine Jaͤger mußten alle Thiere in seinem Reich auffangen, und ihnen ein Stuͤck von ihrer Haut abziehen, daraus ward ein Mantel von tausenderlei Rauhwerk gemacht. Und wie alles fertig war, ließ es der Koͤnig zu ihr bringen und sprach: „morgen soll die Hochzeit seyn.“</p><lb/> <p>Als nun die Koͤnigstochter sah, daß keine Hoffnung mehr war, ihres Vaters Herz umzuwenden, so stand sie, wie alles schlief, in der Nacht auf, nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei, einen goldenen Ring, ein goldenes Spinnraͤdchen und ein goldenes </p> </div> </body> </text> </TEI> [357/0421]
„ich will meine Tochter heirathen, denn sie ist das Ebenbild meiner verstorbenen Frau und sonst kann ich doch keine Braut auf Erden finden. Als die Raͤthe das hoͤrten, erschraken sie und sprachen: „Gott hat verboten, daß der Vater seine Tochter heirathet und aus der Suͤnde kann nichts Gutes entspringen.“ Die Tochter erschrak auch, hoffte aber den Koͤnig noch von seinem Vorhaben abzubringen. Da sagte sie zu ihm: „eh ich euern Wunsch erfuͤlle, muß ich erst drei Kleider haben, eins, so golden wie die Sonne, eins so silbern wie der Mond und eins so glaͤnzend als die Sterne; ferner verlang ich einen Mantel von tausenderlei Pelz und Rauhwerk zusammengesetzt, zu welchem ein jedes Thier in euerm Reich ein Stuͤck von seiner Haut gegeben hat.“ Dabei dachte sie, das ist anzuschaffen ganz unmoͤglich, und dann muß mein Vater von seinen Gedanken ablassen. Der Koͤnig aber ließ nicht ab, und die geschicktesten Jungfrauen in seinem Reich mußten die drei Kleider weben, eins so golden als die Sonne, eins so silbern als der Mond und eins so glaͤnzend als die Sterne; und seine Jaͤger mußten alle Thiere in seinem Reich auffangen, und ihnen ein Stuͤck von ihrer Haut abziehen, daraus ward ein Mantel von tausenderlei Rauhwerk gemacht. Und wie alles fertig war, ließ es der Koͤnig zu ihr bringen und sprach: „morgen soll die Hochzeit seyn.“
Als nun die Koͤnigstochter sah, daß keine Hoffnung mehr war, ihres Vaters Herz umzuwenden, so stand sie, wie alles schlief, in der Nacht auf, nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei, einen goldenen Ring, ein goldenes Spinnraͤdchen und ein goldenes
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/421 |
Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/421>, abgerufen am 16.02.2025. |