Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.Als der bestimmte Tag kam, schenkte der Pflegevater jedem eine gute Büchse und einen Hund und ließ jeden von seinen gesparten Goldstücken nehmen, so viel er wollte. Darauf begleitete er sie ein Stück Wegs und beim Abschied gab er ihnen noch ein blankes Messer und sprach: "wann ihr euch einmal trennt, so stoßt dies Messer am Scheideweg in einen Baum, daran kann einer, wenn er zurückkommt sehen, wie es seinem abwesenden Bruder ergangen ist, denn die Seite, nach welcher dieser ausgezogen, rostet, wann er stirbt; so lange er aber lebt, bleibt sie blank. Die zwei Brüder gingen fort und kamen in einen Wald, so groß, daß sie unmöglich in einem Tag heraus konnten. Also blieben sie die Nacht darin und aßen, was sie in die Jägertasche gesteckt hatten; sie gingen aber auch noch den zweiten Tag und kamen nicht heraus und hatten nichts zu essen. Sprach der eine: "wir müssen uns etwas schießen, sonst leiden wir Hunger," lud seine Büchse und sah sich um. Und als ein alter Hase daher gelaufen kam, legte er an, aber der Hase rief: "lieber Jäger, laß mich leben,
ich will dir auch zwei Junge geben." Da sprang er ins Gebüsch und brachte zwei Junge; die Thierlein spielten aber so munter und waren so artig, daß die Jäger es nicht übers Herz bringen konnten, sie zu tödten. Sie behielten sie also bei sich, und die kleinen Hasen folgten ihnen auf dem Fuße nach. Bald darauf kam ein Fuchs, den wollten sie nun schießen, aber der Fuchs rief: Als der bestimmte Tag kam, schenkte der Pflegevater jedem eine gute Buͤchse und einen Hund und ließ jeden von seinen gesparten Goldstuͤcken nehmen, so viel er wollte. Darauf begleitete er sie ein Stuͤck Wegs und beim Abschied gab er ihnen noch ein blankes Messer und sprach: „wann ihr euch einmal trennt, so stoßt dies Messer am Scheideweg in einen Baum, daran kann einer, wenn er zuruͤckkommt sehen, wie es seinem abwesenden Bruder ergangen ist, denn die Seite, nach welcher dieser ausgezogen, rostet, wann er stirbt; so lange er aber lebt, bleibt sie blank. Die zwei Bruͤder gingen fort und kamen in einen Wald, so groß, daß sie unmoͤglich in einem Tag heraus konnten. Also blieben sie die Nacht darin und aßen, was sie in die Jaͤgertasche gesteckt hatten; sie gingen aber auch noch den zweiten Tag und kamen nicht heraus und hatten nichts zu essen. Sprach der eine: „wir muͤssen uns etwas schießen, sonst leiden wir Hunger,“ lud seine Buͤchse und sah sich um. Und als ein alter Hase daher gelaufen kam, legte er an, aber der Hase rief: „lieber Jaͤger, laß mich leben,
ich will dir auch zwei Junge geben.“ Da sprang er ins Gebuͤsch und brachte zwei Junge; die Thierlein spielten aber so munter und waren so artig, daß die Jaͤger es nicht uͤbers Herz bringen konnten, sie zu toͤdten. Sie behielten sie also bei sich, und die kleinen Hasen folgten ihnen auf dem Fuße nach. Bald darauf kam ein Fuchs, den wollten sie nun schießen, aber der Fuchs rief: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0378" n="314"/> <p> Als der bestimmte Tag kam, schenkte der Pflegevater jedem eine gute Buͤchse und einen Hund und ließ jeden von seinen gesparten Goldstuͤcken nehmen, so viel er wollte. Darauf begleitete er sie ein Stuͤck Wegs und beim Abschied gab er ihnen noch ein blankes Messer und sprach: „wann ihr euch einmal trennt, so stoßt dies Messer am Scheideweg in einen Baum, daran kann einer, wenn er zuruͤckkommt sehen, wie es seinem abwesenden Bruder ergangen ist, denn die Seite, nach welcher dieser ausgezogen, rostet, wann er stirbt; so lange er aber lebt, bleibt sie blank. Die zwei Bruͤder gingen fort und kamen in einen Wald, so groß, daß sie unmoͤglich in einem Tag heraus konnten. Also blieben sie die Nacht darin und aßen, was sie in die Jaͤgertasche gesteckt hatten; sie gingen aber auch noch den zweiten Tag und kamen nicht heraus und hatten nichts zu essen. Sprach der eine: „wir muͤssen uns etwas schießen, sonst leiden wir Hunger,“ lud seine Buͤchse und sah sich um. Und als ein alter Hase daher gelaufen kam, legte er an, aber der Hase rief:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„lieber Jaͤger, laß mich leben,</l><lb/> <l>ich will dir auch zwei Junge geben.“</l><lb/> </lg> <p>Da sprang er ins Gebuͤsch und brachte zwei Junge; die Thierlein spielten aber so munter und waren so artig, daß die Jaͤger es nicht uͤbers Herz bringen konnten, sie zu toͤdten. Sie behielten sie also bei sich, und die kleinen Hasen folgten ihnen auf dem Fuße nach. Bald darauf kam ein Fuchs, den wollten sie nun schießen, aber der Fuchs rief:</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [314/0378]
Als der bestimmte Tag kam, schenkte der Pflegevater jedem eine gute Buͤchse und einen Hund und ließ jeden von seinen gesparten Goldstuͤcken nehmen, so viel er wollte. Darauf begleitete er sie ein Stuͤck Wegs und beim Abschied gab er ihnen noch ein blankes Messer und sprach: „wann ihr euch einmal trennt, so stoßt dies Messer am Scheideweg in einen Baum, daran kann einer, wenn er zuruͤckkommt sehen, wie es seinem abwesenden Bruder ergangen ist, denn die Seite, nach welcher dieser ausgezogen, rostet, wann er stirbt; so lange er aber lebt, bleibt sie blank. Die zwei Bruͤder gingen fort und kamen in einen Wald, so groß, daß sie unmoͤglich in einem Tag heraus konnten. Also blieben sie die Nacht darin und aßen, was sie in die Jaͤgertasche gesteckt hatten; sie gingen aber auch noch den zweiten Tag und kamen nicht heraus und hatten nichts zu essen. Sprach der eine: „wir muͤssen uns etwas schießen, sonst leiden wir Hunger,“ lud seine Buͤchse und sah sich um. Und als ein alter Hase daher gelaufen kam, legte er an, aber der Hase rief:
„lieber Jaͤger, laß mich leben,
ich will dir auch zwei Junge geben.“
Da sprang er ins Gebuͤsch und brachte zwei Junge; die Thierlein spielten aber so munter und waren so artig, daß die Jaͤger es nicht uͤbers Herz bringen konnten, sie zu toͤdten. Sie behielten sie also bei sich, und die kleinen Hasen folgten ihnen auf dem Fuße nach. Bald darauf kam ein Fuchs, den wollten sie nun schießen, aber der Fuchs rief:
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
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