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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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Sache wieder heim. Darauf nahm das Mädchen mit seinem Liebsten Roland wieder natürliche Gestalt an und sie gingen die ganze Nacht weiter bis zu Tagesanbruch, da verwandelte sich das Mädchen in eine schöne Blume, die mitten in einer Dornhecke stand, seinen Liebsten Roland aber in einen Geigenspieler. Nicht lange so kam die Hexe herangeschritten und sprach zu dem Spielmann: "lieber Spielmann, darf ich mir wohl die schöne Blume abbrechen?" "O ja, antwortete er, ich will dazu aufspielen." Als sie nun mit Hast in die Hecke nach der Blume kroch, denn sie wußte wohl, wer die Blume war, fing er an aufzuspielen und sie mogte wollen oder nicht, sie mußte tanzen, denn das war ein Zaubertanz. Und da er nicht aufhörte zu spielen, mußte sie in einem fort in der Hecke tanzen, daß ihr die Dornen erst die Kleider vom Leibe rissen und sie dann blutig und wund stachen, bis sie endlich todt liegen blieb.

Als sie von der Hexe erlöst waren, sprach Roland: "nun will ich zu meinem Vater gehen und die Hochzeit bestellen." Sagte das Mädchen: "so will ich derweil hier bleiben und auf dich warten, und damit mich niemand erkennt, will ich mich in einen rothen Feldstein verwandeln." Da ging Roland fort und das Mädchen stand auf dem Feld als ein rother Stein und wartete auf seinen Liebsten. Als aber Roland heim kam, da brachte es eine andere dahin, daß er das Mädchen vergaß, und als es nun lang gestanden und er gar nicht kommen wollte, ward es ganz traurig und verwandelte sich in eine Blume und dachte, es wird ja einer wohl kommen und mich umtreten.


Sache wieder heim. Darauf nahm das Maͤdchen mit seinem Liebsten Roland wieder natuͤrliche Gestalt an und sie gingen die ganze Nacht weiter bis zu Tagesanbruch, da verwandelte sich das Maͤdchen in eine schoͤne Blume, die mitten in einer Dornhecke stand, seinen Liebsten Roland aber in einen Geigenspieler. Nicht lange so kam die Hexe herangeschritten und sprach zu dem Spielmann: „lieber Spielmann, darf ich mir wohl die schoͤne Blume abbrechen?“ „O ja, antwortete er, ich will dazu aufspielen.“ Als sie nun mit Hast in die Hecke nach der Blume kroch, denn sie wußte wohl, wer die Blume war, fing er an aufzuspielen und sie mogte wollen oder nicht, sie mußte tanzen, denn das war ein Zaubertanz. Und da er nicht aufhoͤrte zu spielen, mußte sie in einem fort in der Hecke tanzen, daß ihr die Dornen erst die Kleider vom Leibe rissen und sie dann blutig und wund stachen, bis sie endlich todt liegen blieb.

Als sie von der Hexe erloͤst waren, sprach Roland: „nun will ich zu meinem Vater gehen und die Hochzeit bestellen.“ Sagte das Maͤdchen: „so will ich derweil hier bleiben und auf dich warten, und damit mich niemand erkennt, will ich mich in einen rothen Feldstein verwandeln.“ Da ging Roland fort und das Maͤdchen stand auf dem Feld als ein rother Stein und wartete auf seinen Liebsten. Als aber Roland heim kam, da brachte es eine andere dahin, daß er das Maͤdchen vergaß, und als es nun lang gestanden und er gar nicht kommen wollte, ward es ganz traurig und verwandelte sich in eine Blume und dachte, es wird ja einer wohl kommen und mich umtreten.


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[286/0350] Sache wieder heim. Darauf nahm das Maͤdchen mit seinem Liebsten Roland wieder natuͤrliche Gestalt an und sie gingen die ganze Nacht weiter bis zu Tagesanbruch, da verwandelte sich das Maͤdchen in eine schoͤne Blume, die mitten in einer Dornhecke stand, seinen Liebsten Roland aber in einen Geigenspieler. Nicht lange so kam die Hexe herangeschritten und sprach zu dem Spielmann: „lieber Spielmann, darf ich mir wohl die schoͤne Blume abbrechen?“ „O ja, antwortete er, ich will dazu aufspielen.“ Als sie nun mit Hast in die Hecke nach der Blume kroch, denn sie wußte wohl, wer die Blume war, fing er an aufzuspielen und sie mogte wollen oder nicht, sie mußte tanzen, denn das war ein Zaubertanz. Und da er nicht aufhoͤrte zu spielen, mußte sie in einem fort in der Hecke tanzen, daß ihr die Dornen erst die Kleider vom Leibe rissen und sie dann blutig und wund stachen, bis sie endlich todt liegen blieb. Als sie von der Hexe erloͤst waren, sprach Roland: „nun will ich zu meinem Vater gehen und die Hochzeit bestellen.“ Sagte das Maͤdchen: „so will ich derweil hier bleiben und auf dich warten, und damit mich niemand erkennt, will ich mich in einen rothen Feldstein verwandeln.“ Da ging Roland fort und das Maͤdchen stand auf dem Feld als ein rother Stein und wartete auf seinen Liebsten. Als aber Roland heim kam, da brachte es eine andere dahin, daß er das Maͤdchen vergaß, und als es nun lang gestanden und er gar nicht kommen wollte, ward es ganz traurig und verwandelte sich in eine Blume und dachte, es wird ja einer wohl kommen und mich umtreten.

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/350>, abgerufen am 22.11.2024.