Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.zum Morgen, da war alles Stroh versponnen und alle Spulen voll Gold. Als der König kam und nachsah, da erstaunte er und freute sich, aber sein Herz wurde nur noch begieriger und er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war und befahl ihr, das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb wäre. Das Mädchen wußte sich nicht zu helfen und weinte, da ging abermals die Thüre auf und das kleine Männchen kam und sprach: "was giebst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?" "Meinen Ring von der Hand," antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm den Ring und fing wieder an zu schnurren mit dem Rade, und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen. Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick des Goldes, war aber noch nicht satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach: "die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen, wann dir das gelingt, sollst du meine Gemahlin werden;" denn, dachte er, eine reichere Frau kannst du auf der Welt nicht haben. Als das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder und sprach: "was giebst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?" "Jch habe nichts mehr," antwortete das Mädchen. "So versprich mir, wann du Königin wirst, dein erstes Kind." Wer weiß, wie das noch geht, dachte die Müllerstochter und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen, so daß sie es dem Männchen versprach und das Männchen spann noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam und alles zum Morgen, da war alles Stroh versponnen und alle Spulen voll Gold. Als der Koͤnig kam und nachsah, da erstaunte er und freute sich, aber sein Herz wurde nur noch begieriger und er ließ die Muͤllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel groͤßer war und befahl ihr, das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb waͤre. Das Maͤdchen wußte sich nicht zu helfen und weinte, da ging abermals die Thuͤre auf und das kleine Maͤnnchen kam und sprach: „was giebst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?“ „Meinen Ring von der Hand,“ antwortete das Maͤdchen. Das Maͤnnchen nahm den Ring und fing wieder an zu schnurren mit dem Rade, und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glaͤnzendem Gold gesponnen. Der Koͤnig freute sich uͤber die Maßen bei dem Anblick des Goldes, war aber noch nicht satt, sondern ließ die Muͤllerstochter in eine noch groͤßere Kammer voll Stroh bringen und sprach: „die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen, wann dir das gelingt, sollst du meine Gemahlin werden;“ denn, dachte er, eine reichere Frau kannst du auf der Welt nicht haben. Als das Maͤdchen allein war, kam das Maͤnnlein zum drittenmal wieder und sprach: „was giebst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?“ „Jch habe nichts mehr,“ antwortete das Maͤdchen. „So versprich mir, wann du Koͤnigin wirst, dein erstes Kind.“ Wer weiß, wie das noch geht, dachte die Muͤllerstochter und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen, so daß sie es dem Maͤnnchen versprach und das Maͤnnchen spann noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der Koͤnig kam und alles <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0345" n="281"/> zum Morgen, da war alles Stroh versponnen und alle Spulen voll Gold. 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Der Koͤnig freute sich uͤber die Maßen bei dem Anblick des Goldes, war aber noch nicht satt, sondern ließ die Muͤllerstochter in eine noch groͤßere Kammer voll Stroh bringen und sprach: „die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen, wann dir das gelingt, sollst du meine Gemahlin werden;“ denn, dachte er, eine reichere Frau kannst du auf der Welt nicht haben. Als das Maͤdchen allein war, kam das Maͤnnlein zum drittenmal wieder und sprach: „was giebst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?“ „Jch habe nichts mehr,“ antwortete das Maͤdchen. „So versprich mir, wann du Koͤnigin wirst, dein erstes Kind.“ Wer weiß, wie das noch geht, dachte die Muͤllerstochter und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen, so daß sie es dem Maͤnnchen versprach und das Maͤnnchen spann noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der Koͤnig kam und alles </p> </div> </body> </text> </TEI> [281/0345]
zum Morgen, da war alles Stroh versponnen und alle Spulen voll Gold. Als der Koͤnig kam und nachsah, da erstaunte er und freute sich, aber sein Herz wurde nur noch begieriger und er ließ die Muͤllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel groͤßer war und befahl ihr, das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb waͤre. Das Maͤdchen wußte sich nicht zu helfen und weinte, da ging abermals die Thuͤre auf und das kleine Maͤnnchen kam und sprach: „was giebst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?“ „Meinen Ring von der Hand,“ antwortete das Maͤdchen. Das Maͤnnchen nahm den Ring und fing wieder an zu schnurren mit dem Rade, und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glaͤnzendem Gold gesponnen. Der Koͤnig freute sich uͤber die Maßen bei dem Anblick des Goldes, war aber noch nicht satt, sondern ließ die Muͤllerstochter in eine noch groͤßere Kammer voll Stroh bringen und sprach: „die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen, wann dir das gelingt, sollst du meine Gemahlin werden;“ denn, dachte er, eine reichere Frau kannst du auf der Welt nicht haben. Als das Maͤdchen allein war, kam das Maͤnnlein zum drittenmal wieder und sprach: „was giebst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?“ „Jch habe nichts mehr,“ antwortete das Maͤdchen. „So versprich mir, wann du Koͤnigin wirst, dein erstes Kind.“ Wer weiß, wie das noch geht, dachte die Muͤllerstochter und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen, so daß sie es dem Maͤnnchen versprach und das Maͤnnchen spann noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der Koͤnig kam und alles
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
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