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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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ihr stand der Engel im weißen Kleide. Da ging der Priester hervor und sprach: "bist du von Gott oder der Welt gekommen? bist du ein Geist oder ein Mensch?" "Nein, antwortete sie, ich bin kein Geist, sondern ein armer Mensch, von allen verlassen nur von Gott nicht." Der König sprach: "wenn du von aller Welt verlassen bist, so will ich dich nicht verlassen." Darauf nahm er sie mit in sein Schloß, ließ ihr silberne Hände machen, und weil sie so schön und fromm war, liebte er sie von Herzen und nahm sie zu seiner Gemahlin.

Nach einem Jahr mußte der König über Feld ziehen, da befahl er seiner Mutter die Königin und sprach: "wenn sie ins Kindbett kommt, so haltet und verpflegt sie wohl und schreibt mirs eilig." Nun gebar sie einen schönen Sohn, da schrieb es die alte Mutter eilig und meldete ihm die frohe Nachricht. Der Bote aber ruhte unterwegs an einem Bach und schlief ein, da kam der Teufel, welcher der frommen Königin immer zu schaden trachtete und vertauschte den Brief mit einem andern, darin stand, daß die Königin einen Wechselbalg zur Welt gebracht hätte. Als der König den Brief las, erschrak er und betrübte sich sehr, doch schrieb er zur Antwort, sie sollten die Königin wohl halten und pflegen, bis zu seiner Rückkunft. Der Bote ging mit dem Brief heim, ruhte an der nämlichen Stelle und schlief wieder ein, da kam der Teufel abermals und legte ihm einen andern Brief in seine Tasche, darin stand, sie sollten die Königin mit ihrem Kind tödten. Als die alte Mutter den Brief erhielt, erschrack sie heftig und schrieb dem König noch einmal

ihr stand der Engel im weißen Kleide. Da ging der Priester hervor und sprach: „bist du von Gott oder der Welt gekommen? bist du ein Geist oder ein Mensch?“ „Nein, antwortete sie, ich bin kein Geist, sondern ein armer Mensch, von allen verlassen nur von Gott nicht.“ Der Koͤnig sprach: „wenn du von aller Welt verlassen bist, so will ich dich nicht verlassen.“ Darauf nahm er sie mit in sein Schloß, ließ ihr silberne Haͤnde machen, und weil sie so schoͤn und fromm war, liebte er sie von Herzen und nahm sie zu seiner Gemahlin.

Nach einem Jahr mußte der Koͤnig uͤber Feld ziehen, da befahl er seiner Mutter die Koͤnigin und sprach: „wenn sie ins Kindbett kommt, so haltet und verpflegt sie wohl und schreibt mirs eilig.“ Nun gebar sie einen schoͤnen Sohn, da schrieb es die alte Mutter eilig und meldete ihm die frohe Nachricht. Der Bote aber ruhte unterwegs an einem Bach und schlief ein, da kam der Teufel, welcher der frommen Koͤnigin immer zu schaden trachtete und vertauschte den Brief mit einem andern, darin stand, daß die Koͤnigin einen Wechselbalg zur Welt gebracht haͤtte. Als der Koͤnig den Brief las, erschrak er und betruͤbte sich sehr, doch schrieb er zur Antwort, sie sollten die Koͤnigin wohl halten und pflegen, bis zu seiner Ruͤckkunft. Der Bote ging mit dem Brief heim, ruhte an der naͤmlichen Stelle und schlief wieder ein, da kam der Teufel abermals und legte ihm einen andern Brief in seine Tasche, darin stand, sie sollten die Koͤnigin mit ihrem Kind toͤdten. Als die alte Mutter den Brief erhielt, erschrack sie heftig und schrieb dem Koͤnig noch einmal

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[162/0226] ihr stand der Engel im weißen Kleide. Da ging der Priester hervor und sprach: „bist du von Gott oder der Welt gekommen? bist du ein Geist oder ein Mensch?“ „Nein, antwortete sie, ich bin kein Geist, sondern ein armer Mensch, von allen verlassen nur von Gott nicht.“ Der Koͤnig sprach: „wenn du von aller Welt verlassen bist, so will ich dich nicht verlassen.“ Darauf nahm er sie mit in sein Schloß, ließ ihr silberne Haͤnde machen, und weil sie so schoͤn und fromm war, liebte er sie von Herzen und nahm sie zu seiner Gemahlin. Nach einem Jahr mußte der Koͤnig uͤber Feld ziehen, da befahl er seiner Mutter die Koͤnigin und sprach: „wenn sie ins Kindbett kommt, so haltet und verpflegt sie wohl und schreibt mirs eilig.“ Nun gebar sie einen schoͤnen Sohn, da schrieb es die alte Mutter eilig und meldete ihm die frohe Nachricht. Der Bote aber ruhte unterwegs an einem Bach und schlief ein, da kam der Teufel, welcher der frommen Koͤnigin immer zu schaden trachtete und vertauschte den Brief mit einem andern, darin stand, daß die Koͤnigin einen Wechselbalg zur Welt gebracht haͤtte. Als der Koͤnig den Brief las, erschrak er und betruͤbte sich sehr, doch schrieb er zur Antwort, sie sollten die Koͤnigin wohl halten und pflegen, bis zu seiner Ruͤckkunft. Der Bote ging mit dem Brief heim, ruhte an der naͤmlichen Stelle und schlief wieder ein, da kam der Teufel abermals und legte ihm einen andern Brief in seine Tasche, darin stand, sie sollten die Koͤnigin mit ihrem Kind toͤdten. Als die alte Mutter den Brief erhielt, erschrack sie heftig und schrieb dem Koͤnig noch einmal

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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/226>, abgerufen am 22.11.2024.