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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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zu der Brücke über einen Bach kamen, ließ der älteste den jüngsten vorangehen und mitten drauf gab er ihm einen Schlag, daß er todt hinabstürzte. Dann begrub er ihn unter der Brücke, nahm das Schwein und brachte es vor den König, mit dem Vorgeben, er habe es getödtet, und erhielt darauf die Tochter des Königs zur Gemahlin. Als der jüngste Bruder nicht wiederkommen wollte, sagte er: "das Schwein wird ihm den Leib aufgerissen haben." Und das glaubte jedermann.

Weil aber vor Gott nichts verborgen bleibt, so sollte auch diese schwarze That an des Tages Licht kommen. Nach langen Jahren trieb ein Hirt seine Heerde über die Brücke, und sah unten im Sande ein schneeweißes Knöchlein liegen und dachte, das gäbe ein gutes Mundstück. Da stieg er hinab, hob es auf und schnitzte ein Mundstück für sein Horn daraus, und als er es zum erstenmal ansetzen und darauf blasen wollte, so fing das Knöchlein an, von selbst zu singen:

"Ach, du liebes Hirtelein,
du bläst auf meinem Knöchelein!
mein Bruder hat mich erschlagen
unter der Brücke begraben,
um das wilde Schwein
für des Königs Töchterlein."

"Ei, was für ein Hörnlein, das von selber singt!" sprach der Hirt, wußte nicht, was es zu bedeuten hatte, brachte es aber vor den König. Da fing das Knöchlein wieder an, dieselben Worte zu singen; der König verstand wohl, was es sagen wollte, ließ

zu der Bruͤcke uͤber einen Bach kamen, ließ der aͤlteste den juͤngsten vorangehen und mitten drauf gab er ihm einen Schlag, daß er todt hinabstuͤrzte. Dann begrub er ihn unter der Bruͤcke, nahm das Schwein und brachte es vor den Koͤnig, mit dem Vorgeben, er habe es getoͤdtet, und erhielt darauf die Tochter des Koͤnigs zur Gemahlin. Als der juͤngste Bruder nicht wiederkommen wollte, sagte er: „das Schwein wird ihm den Leib aufgerissen haben.“ Und das glaubte jedermann.

Weil aber vor Gott nichts verborgen bleibt, so sollte auch diese schwarze That an des Tages Licht kommen. Nach langen Jahren trieb ein Hirt seine Heerde uͤber die Bruͤcke, und sah unten im Sande ein schneeweißes Knoͤchlein liegen und dachte, das gaͤbe ein gutes Mundstuͤck. Da stieg er hinab, hob es auf und schnitzte ein Mundstuͤck fuͤr sein Horn daraus, und als er es zum erstenmal ansetzen und darauf blasen wollte, so fing das Knoͤchlein an, von selbst zu singen:

„Ach, du liebes Hirtelein,
du blaͤst auf meinem Knoͤchelein!
mein Bruder hat mich erschlagen
unter der Bruͤcke begraben,
um das wilde Schwein
fuͤr des Koͤnigs Toͤchterlein.“

„Ei, was fuͤr ein Hoͤrnlein, das von selber singt!“ sprach der Hirt, wußte nicht, was es zu bedeuten hatte, brachte es aber vor den Koͤnig. Da fing das Knoͤchlein wieder an, dieselben Worte zu singen; der Koͤnig verstand wohl, was es sagen wollte, ließ

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[147/0211] zu der Bruͤcke uͤber einen Bach kamen, ließ der aͤlteste den juͤngsten vorangehen und mitten drauf gab er ihm einen Schlag, daß er todt hinabstuͤrzte. Dann begrub er ihn unter der Bruͤcke, nahm das Schwein und brachte es vor den Koͤnig, mit dem Vorgeben, er habe es getoͤdtet, und erhielt darauf die Tochter des Koͤnigs zur Gemahlin. Als der juͤngste Bruder nicht wiederkommen wollte, sagte er: „das Schwein wird ihm den Leib aufgerissen haben.“ Und das glaubte jedermann. Weil aber vor Gott nichts verborgen bleibt, so sollte auch diese schwarze That an des Tages Licht kommen. Nach langen Jahren trieb ein Hirt seine Heerde uͤber die Bruͤcke, und sah unten im Sande ein schneeweißes Knoͤchlein liegen und dachte, das gaͤbe ein gutes Mundstuͤck. Da stieg er hinab, hob es auf und schnitzte ein Mundstuͤck fuͤr sein Horn daraus, und als er es zum erstenmal ansetzen und darauf blasen wollte, so fing das Knoͤchlein an, von selbst zu singen: „Ach, du liebes Hirtelein, du blaͤst auf meinem Knoͤchelein! mein Bruder hat mich erschlagen unter der Bruͤcke begraben, um das wilde Schwein fuͤr des Koͤnigs Toͤchterlein.“ „Ei, was fuͤr ein Hoͤrnlein, das von selber singt!“ sprach der Hirt, wußte nicht, was es zu bedeuten hatte, brachte es aber vor den Koͤnig. Da fing das Knoͤchlein wieder an, dieselben Worte zu singen; der Koͤnig verstand wohl, was es sagen wollte, ließ

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/211>, abgerufen am 25.11.2024.