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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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in den Wald hinein. Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem Haus der Großmutter und klopfte an die Thüre. "Wer ist draußen" -- "das Rothkäppchen, ich bring dir Kuchen und Wein, mach mir auf." -- "Drück nur auf die Klinke, rief die Großmutter, ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen." Der Wolf drückte an der Klinke, und er trat hinein ohne ein Wort zu sprechen, geradezu an das Bett der Großmutter und verschluckte sie. Dann nahm er ihre Kleider, that sie an, setzte sich ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhänge vor.

Rothkäppchen aber war herum gelaufen nach Blumen, und als es so viel hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein und es machte sich auf den Weg zu ihr. Wie es ankam, stand die Thüre auf, darüber verwunderte es sich, und wie es in die Stube kam, sahs so seltsam darin aus, daß es dacht: ei! du mein Gott, wie ängstlich wird mirs heut zu Muth, und bin sonst so gern bei der Großmutter. Drauf ging es zum Bett und zog die Vorhänge zurück, da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt und sah so wunderlich aus. "Ei Großmutter, was hast du für große Ohren!" -- "daß ich dich besser hören kann." -- "Ei Großmutter, was hast du für große Augen!" -- "daß ich dich besser sehen kann." -- "Ei Großmutter was hast du für große Hände!" -- "daß ich dich besser packen kann." -- "Aber Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!" -- "daß ich dich besser fressen kann." Und wie der Wolf das gesagt hatte, sprang er aus dem Bett und auf das arme Rothkäppchen, und verschlang es.


in den Wald hinein. Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem Haus der Großmutter und klopfte an die Thuͤre. „Wer ist draußen“ — „das Rothkaͤppchen, ich bring dir Kuchen und Wein, mach mir auf.“ — „Druͤck nur auf die Klinke, rief die Großmutter, ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen.“ Der Wolf druͤckte an der Klinke, und er trat hinein ohne ein Wort zu sprechen, geradezu an das Bett der Großmutter und verschluckte sie. Dann nahm er ihre Kleider, that sie an, setzte sich ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhaͤnge vor.

Rothkaͤppchen aber war herum gelaufen nach Blumen, und als es so viel hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein und es machte sich auf den Weg zu ihr. Wie es ankam, stand die Thuͤre auf, daruͤber verwunderte es sich, und wie es in die Stube kam, sahs so seltsam darin aus, daß es dacht: ei! du mein Gott, wie aͤngstlich wird mirs heut zu Muth, und bin sonst so gern bei der Großmutter. Drauf ging es zum Bett und zog die Vorhaͤnge zuruͤck, da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt und sah so wunderlich aus. „Ei Großmutter, was hast du fuͤr große Ohren!“ — „daß ich dich besser hoͤren kann.“ — „Ei Großmutter, was hast du fuͤr große Augen!“ — „daß ich dich besser sehen kann.“ — „Ei Großmutter was hast du fuͤr große Haͤnde!“ — „daß ich dich besser packen kann.“ — „Aber Großmutter, was hast du fuͤr ein entsetzlich großes Maul!“ — „daß ich dich besser fressen kann.“ Und wie der Wolf das gesagt hatte, sprang er aus dem Bett und auf das arme Rothkaͤppchen, und verschlang es.


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[138/0202] in den Wald hinein. Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem Haus der Großmutter und klopfte an die Thuͤre. „Wer ist draußen“ — „das Rothkaͤppchen, ich bring dir Kuchen und Wein, mach mir auf.“ — „Druͤck nur auf die Klinke, rief die Großmutter, ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen.“ Der Wolf druͤckte an der Klinke, und er trat hinein ohne ein Wort zu sprechen, geradezu an das Bett der Großmutter und verschluckte sie. Dann nahm er ihre Kleider, that sie an, setzte sich ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhaͤnge vor. Rothkaͤppchen aber war herum gelaufen nach Blumen, und als es so viel hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein und es machte sich auf den Weg zu ihr. Wie es ankam, stand die Thuͤre auf, daruͤber verwunderte es sich, und wie es in die Stube kam, sahs so seltsam darin aus, daß es dacht: ei! du mein Gott, wie aͤngstlich wird mirs heut zu Muth, und bin sonst so gern bei der Großmutter. Drauf ging es zum Bett und zog die Vorhaͤnge zuruͤck, da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt und sah so wunderlich aus. „Ei Großmutter, was hast du fuͤr große Ohren!“ — „daß ich dich besser hoͤren kann.“ — „Ei Großmutter, was hast du fuͤr große Augen!“ — „daß ich dich besser sehen kann.“ — „Ei Großmutter was hast du fuͤr große Haͤnde!“ — „daß ich dich besser packen kann.“ — „Aber Großmutter, was hast du fuͤr ein entsetzlich großes Maul!“ — „daß ich dich besser fressen kann.“ Und wie der Wolf das gesagt hatte, sprang er aus dem Bett und auf das arme Rothkaͤppchen, und verschlang es.

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/202>, abgerufen am 22.11.2024.