Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

daß nun alle Noth überstanden war. Die drei Schlangenblätter aber, die der junge König mitgenommen, gab er einem treuen Diener und sprach: "verwahr sie sorgfältig und trag sie zu jeder Zeit bei dir, wer weiß, wie sie uns noch helfen können."

Es war aber, als ob der Frau, seit sie ihr Mann wieder ins Leben erweckt, das Herz sich ganz verändert und umgekehrt hätte. Und als nach einiger Zeit eine Fahrt nach seinem alten Vater geschehen sollte und sie aufs Meer kamen, vergaß sie gänzlich seine große Liebe und Treue, und es erwuchs in ihr eine böse Neigung zu dem Schiffer. Und als der junge König einmal da lag und schlief, ging ihre Bosheit so weit, daß sie zu dem Schiffer sprach: "komm und hilf mir, wir wollen ihn ins Wasser werfen und zurück fahren dann will ich sagen, er wär gestorben und du wärst würdig, mein Mann zu werden und die Krone meines Vaters zu erben." Da faßte sie ihm am Kopf und der Fischer an den Füßen und warfen ihn über Bord, daß er im Meer ertrinken mußte. Nun wäre der Frau ihr Anschlag gelungen, wenn nicht der treue Diener alles mit angesehen hätte, der machte heimlich ein kleines Schifflein von dem großen los und fuhr der Leiche nach, und fischte sie wieder auf. Darauf nahm er die drei Schlangenblätter und legte sie ihm auf Augen und Mund, davon ward er alsbald wieder lebendig.

Nun sprach er zu dem Diener: "wir wollen rudern Tag und Nacht, damit wir früher bei dem alten König anlangen." Der König aber, als er sie wieder sah, verwunderte sich und sprach: "was ist euch begegnet?" Da erzählte ihm der junge König alles

daß nun alle Noth uͤberstanden war. Die drei Schlangenblaͤtter aber, die der junge Koͤnig mitgenommen, gab er einem treuen Diener und sprach: „verwahr sie sorgfaͤltig und trag sie zu jeder Zeit bei dir, wer weiß, wie sie uns noch helfen koͤnnen.“

Es war aber, als ob der Frau, seit sie ihr Mann wieder ins Leben erweckt, das Herz sich ganz veraͤndert und umgekehrt haͤtte. Und als nach einiger Zeit eine Fahrt nach seinem alten Vater geschehen sollte und sie aufs Meer kamen, vergaß sie gaͤnzlich seine große Liebe und Treue, und es erwuchs in ihr eine boͤse Neigung zu dem Schiffer. Und als der junge Koͤnig einmal da lag und schlief, ging ihre Bosheit so weit, daß sie zu dem Schiffer sprach: „komm und hilf mir, wir wollen ihn ins Wasser werfen und zuruͤck fahren dann will ich sagen, er waͤr gestorben und du waͤrst wuͤrdig, mein Mann zu werden und die Krone meines Vaters zu erben.“ Da faßte sie ihm am Kopf und der Fischer an den Fuͤßen und warfen ihn uͤber Bord, daß er im Meer ertrinken mußte. Nun waͤre der Frau ihr Anschlag gelungen, wenn nicht der treue Diener alles mit angesehen haͤtte, der machte heimlich ein kleines Schifflein von dem großen los und fuhr der Leiche nach, und fischte sie wieder auf. Darauf nahm er die drei Schlangenblaͤtter und legte sie ihm auf Augen und Mund, davon ward er alsbald wieder lebendig.

Nun sprach er zu dem Diener: „wir wollen rudern Tag und Nacht, damit wir fruͤher bei dem alten Koͤnig anlangen.“ Der Koͤnig aber, als er sie wieder sah, verwunderte sich und sprach: „was ist euch begegnet?“ Da erzaͤhlte ihm der junge Koͤnig alles

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0155" n="91"/>
daß nun alle Noth u&#x0364;berstanden war. Die drei Schlangenbla&#x0364;tter aber, die der junge Ko&#x0364;nig mitgenommen, gab er einem treuen Diener und sprach: &#x201E;verwahr sie sorgfa&#x0364;ltig und trag sie zu jeder Zeit bei dir, wer weiß, wie sie uns noch helfen ko&#x0364;nnen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es war aber, als ob der Frau, seit sie ihr Mann wieder ins Leben erweckt, das Herz sich ganz vera&#x0364;ndert und umgekehrt ha&#x0364;tte. Und als nach einiger Zeit eine Fahrt nach seinem alten Vater geschehen sollte und sie aufs Meer kamen, vergaß sie ga&#x0364;nzlich seine große Liebe und Treue, und es erwuchs in ihr eine bo&#x0364;se Neigung zu dem Schiffer. Und als der junge Ko&#x0364;nig einmal da lag und schlief, ging ihre Bosheit so weit, daß sie zu dem Schiffer sprach: &#x201E;komm und hilf mir, wir wollen ihn ins Wasser werfen und zuru&#x0364;ck fahren dann will ich sagen, er wa&#x0364;r gestorben und du wa&#x0364;rst wu&#x0364;rdig, mein Mann zu werden und die Krone meines Vaters zu erben.&#x201C; Da faßte sie ihm am Kopf und der Fischer an den Fu&#x0364;ßen und warfen ihn u&#x0364;ber Bord, daß er im Meer ertrinken mußte. Nun wa&#x0364;re der Frau ihr Anschlag gelungen, wenn nicht der treue Diener alles mit angesehen ha&#x0364;tte, der machte heimlich ein kleines Schifflein von dem großen los und fuhr der Leiche nach, und fischte sie wieder auf. Darauf nahm er die drei Schlangenbla&#x0364;tter und legte sie ihm auf Augen und Mund, davon ward er alsbald wieder lebendig.</p><lb/>
        <p>Nun sprach er zu dem Diener: &#x201E;wir wollen rudern Tag und Nacht, damit wir fru&#x0364;her bei dem alten Ko&#x0364;nig anlangen.&#x201C; Der Ko&#x0364;nig aber, als er sie wieder sah, verwunderte sich und sprach: &#x201E;was ist euch begegnet?&#x201C; Da erza&#x0364;hlte ihm der junge Ko&#x0364;nig alles
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0155] daß nun alle Noth uͤberstanden war. Die drei Schlangenblaͤtter aber, die der junge Koͤnig mitgenommen, gab er einem treuen Diener und sprach: „verwahr sie sorgfaͤltig und trag sie zu jeder Zeit bei dir, wer weiß, wie sie uns noch helfen koͤnnen.“ Es war aber, als ob der Frau, seit sie ihr Mann wieder ins Leben erweckt, das Herz sich ganz veraͤndert und umgekehrt haͤtte. Und als nach einiger Zeit eine Fahrt nach seinem alten Vater geschehen sollte und sie aufs Meer kamen, vergaß sie gaͤnzlich seine große Liebe und Treue, und es erwuchs in ihr eine boͤse Neigung zu dem Schiffer. Und als der junge Koͤnig einmal da lag und schlief, ging ihre Bosheit so weit, daß sie zu dem Schiffer sprach: „komm und hilf mir, wir wollen ihn ins Wasser werfen und zuruͤck fahren dann will ich sagen, er waͤr gestorben und du waͤrst wuͤrdig, mein Mann zu werden und die Krone meines Vaters zu erben.“ Da faßte sie ihm am Kopf und der Fischer an den Fuͤßen und warfen ihn uͤber Bord, daß er im Meer ertrinken mußte. Nun waͤre der Frau ihr Anschlag gelungen, wenn nicht der treue Diener alles mit angesehen haͤtte, der machte heimlich ein kleines Schifflein von dem großen los und fuhr der Leiche nach, und fischte sie wieder auf. Darauf nahm er die drei Schlangenblaͤtter und legte sie ihm auf Augen und Mund, davon ward er alsbald wieder lebendig. Nun sprach er zu dem Diener: „wir wollen rudern Tag und Nacht, damit wir fruͤher bei dem alten Koͤnig anlangen.“ Der Koͤnig aber, als er sie wieder sah, verwunderte sich und sprach: „was ist euch begegnet?“ Da erzaͤhlte ihm der junge Koͤnig alles

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/155
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/155>, abgerufen am 24.11.2024.