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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hinein gegangen waren, die meinte nicht anders als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerrissen worden und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen. Als sie nun hörte, daß sie so glücklich waren und es ihnen so wohl ging, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen reg und zwickten und nagten es, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die Beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Jhre rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach: "Eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt!" "Sey nur still, sagte die Alte und sprach sie zufrieden, wenn's Zeit ist, will ich schon bei der Hand seyn." Als nun die Zeit heran gerückt war und die Königin ein schönes Knäbchen zur Welt gebracht hatte, und der König gerade auf der Jagd war, da nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Königin lag und sprach zu der Kranken: "Kommt, das Bad ist fertig, das soll euch wohlthun und stärken, geschwind, eh es kalt wird." Jhre Tochter war auch bei der Hand und sie trugen die schwache Königin in die Badstube, legten sie hinein, gingen schnell fort und schlossen die Thüre ab. Jn der Badstube aber hatten sie ein rechtes Höllenfeuer angemacht, daß die schöne junge Königin bald ersticken mußte.

Als das geschehen war, nahm die Alte ihre Tochter und setzte ihr eine Haube auf und legte sie ins Bett an der Königin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Königin, nur

herum. Die boͤse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hinein gegangen waren, die meinte nicht anders als Schwesterchen waͤre von den wilden Thieren im Walde zerrissen worden und Bruͤderchen als ein Rehkalb von den Jaͤgern todt geschossen. Als sie nun hoͤrte, daß sie so gluͤcklich waren und es ihnen so wohl ging, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen reg und zwickten und nagten es, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die Beiden doch noch ins Ungluͤck bringen koͤnnte. Jhre rechte Tochter, die haͤßlich war wie die Nacht und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwuͤrfe und sprach: „Eine Koͤnigin zu werden, das Gluͤck haͤtte mir gebuͤhrt!“ „Sey nur still, sagte die Alte und sprach sie zufrieden, wenn’s Zeit ist, will ich schon bei der Hand seyn.“ Als nun die Zeit heran geruͤckt war und die Koͤnigin ein schoͤnes Knaͤbchen zur Welt gebracht hatte, und der Koͤnig gerade auf der Jagd war, da nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Koͤnigin lag und sprach zu der Kranken: „Kommt, das Bad ist fertig, das soll euch wohlthun und staͤrken, geschwind, eh es kalt wird.“ Jhre Tochter war auch bei der Hand und sie trugen die schwache Koͤnigin in die Badstube, legten sie hinein, gingen schnell fort und schlossen die Thuͤre ab. Jn der Badstube aber hatten sie ein rechtes Hoͤllenfeuer angemacht, daß die schoͤne junge Koͤnigin bald ersticken mußte.

Als das geschehen war, nahm die Alte ihre Tochter und setzte ihr eine Haube auf und legte sie ins Bett an der Koͤnigin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Koͤnigin, nur

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[63/0127] herum. Die boͤse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hinein gegangen waren, die meinte nicht anders als Schwesterchen waͤre von den wilden Thieren im Walde zerrissen worden und Bruͤderchen als ein Rehkalb von den Jaͤgern todt geschossen. Als sie nun hoͤrte, daß sie so gluͤcklich waren und es ihnen so wohl ging, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen reg und zwickten und nagten es, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die Beiden doch noch ins Ungluͤck bringen koͤnnte. Jhre rechte Tochter, die haͤßlich war wie die Nacht und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwuͤrfe und sprach: „Eine Koͤnigin zu werden, das Gluͤck haͤtte mir gebuͤhrt!“ „Sey nur still, sagte die Alte und sprach sie zufrieden, wenn’s Zeit ist, will ich schon bei der Hand seyn.“ Als nun die Zeit heran geruͤckt war und die Koͤnigin ein schoͤnes Knaͤbchen zur Welt gebracht hatte, und der Koͤnig gerade auf der Jagd war, da nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Koͤnigin lag und sprach zu der Kranken: „Kommt, das Bad ist fertig, das soll euch wohlthun und staͤrken, geschwind, eh es kalt wird.“ Jhre Tochter war auch bei der Hand und sie trugen die schwache Koͤnigin in die Badstube, legten sie hinein, gingen schnell fort und schlossen die Thuͤre ab. Jn der Badstube aber hatten sie ein rechtes Hoͤllenfeuer angemacht, daß die schoͤne junge Koͤnigin bald ersticken mußte. Als das geschehen war, nahm die Alte ihre Tochter und setzte ihr eine Haube auf und legte sie ins Bett an der Koͤnigin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Koͤnigin, nur

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/127>, abgerufen am 24.11.2024.