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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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das Rehlein wieder das Hüfthorn hörte und das ho! ho! der Jäger, da hatte es keine Ruh und sprach: "Schwesterchen, mach mir auf, ich muß hinaus." Das Schwesterchen öffnete ihm die Thüre und sprach: "Aber zu Abend mußt du wieder da seyn und dein Sprüchlein sagen." Als der König und seine Jäger das Rehlein mit dem goldenen Halsband wieder sahen, jagten sie ihm Alle nach, aber es war ihnen zu schnell und behend. Das währte den ganzen Tag; endlich aber hatten es die Jäger Abends umzingelt und einer verwundete es ein wenig am Fuß, so daß es hinken mußte und langsam fortlief. Da schlich er ihm nach bis zu dem Häuschen und hörte, wie es rief: "Mein Schwesterlein, laß mich herein!" und sah, daß ihm die Thüre gleich aufgethan und alsbald wieder zugeschlossen wurde. Der Jäger behielt das Alles wohl im Sinn, ging zum König und erzählte ihm, was er gesehn und gehört hatte. Da sprach der König: "Morgen soll noch einmal gejagt werden."

Das Schwesterchen aber war recht erschrocken, als das Rehkälbchen verwundet herein kam; es wusch ihm das Blut ab, legte Kräuter auf und sprach: "Geh auf dein Lager, lieb Rehchen, daß du wieder heil wirst." Die Wunde war aber so gering, daß das Rehchen am Morgen nichts mehr davon spürte und als es die Jagdlust wieder anheben hörte, sprach es: "Jch kann's nicht aushalten, ich muß dabei seyn; so bald soll mich auch Keiner kriegen." Das Schwesterchen weinte und sprach: "Nun werden sie dich tödten, ich laß dich nicht hinaus." "So sterb ich dir hier vor Betrübniß, wenn du mich abhältst, antwortete es: wenn ich

das Rehlein wieder das Huͤfthorn hoͤrte und das ho! ho! der Jaͤger, da hatte es keine Ruh und sprach: „Schwesterchen, mach mir auf, ich muß hinaus.“ Das Schwesterchen oͤffnete ihm die Thuͤre und sprach: „Aber zu Abend mußt du wieder da seyn und dein Spruͤchlein sagen.“ Als der Koͤnig und seine Jaͤger das Rehlein mit dem goldenen Halsband wieder sahen, jagten sie ihm Alle nach, aber es war ihnen zu schnell und behend. Das waͤhrte den ganzen Tag; endlich aber hatten es die Jaͤger Abends umzingelt und einer verwundete es ein wenig am Fuß, so daß es hinken mußte und langsam fortlief. Da schlich er ihm nach bis zu dem Haͤuschen und hoͤrte, wie es rief: „Mein Schwesterlein, laß mich herein!“ und sah, daß ihm die Thuͤre gleich aufgethan und alsbald wieder zugeschlossen wurde. Der Jaͤger behielt das Alles wohl im Sinn, ging zum Koͤnig und erzaͤhlte ihm, was er gesehn und gehoͤrt hatte. Da sprach der Koͤnig: „Morgen soll noch einmal gejagt werden.“

Das Schwesterchen aber war recht erschrocken, als das Rehkaͤlbchen verwundet herein kam; es wusch ihm das Blut ab, legte Kraͤuter auf und sprach: „Geh auf dein Lager, lieb Rehchen, daß du wieder heil wirst.“ Die Wunde war aber so gering, daß das Rehchen am Morgen nichts mehr davon spuͤrte und als es die Jagdlust wieder anheben hoͤrte, sprach es: „Jch kann’s nicht aushalten, ich muß dabei seyn; so bald soll mich auch Keiner kriegen.“ Das Schwesterchen weinte und sprach: „Nun werden sie dich toͤdten, ich laß dich nicht hinaus.“ „So sterb ich dir hier vor Betruͤbniß, wenn du mich abhaͤltst, antwortete es: wenn ich

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[61/0125] das Rehlein wieder das Huͤfthorn hoͤrte und das ho! ho! der Jaͤger, da hatte es keine Ruh und sprach: „Schwesterchen, mach mir auf, ich muß hinaus.“ Das Schwesterchen oͤffnete ihm die Thuͤre und sprach: „Aber zu Abend mußt du wieder da seyn und dein Spruͤchlein sagen.“ Als der Koͤnig und seine Jaͤger das Rehlein mit dem goldenen Halsband wieder sahen, jagten sie ihm Alle nach, aber es war ihnen zu schnell und behend. Das waͤhrte den ganzen Tag; endlich aber hatten es die Jaͤger Abends umzingelt und einer verwundete es ein wenig am Fuß, so daß es hinken mußte und langsam fortlief. Da schlich er ihm nach bis zu dem Haͤuschen und hoͤrte, wie es rief: „Mein Schwesterlein, laß mich herein!“ und sah, daß ihm die Thuͤre gleich aufgethan und alsbald wieder zugeschlossen wurde. Der Jaͤger behielt das Alles wohl im Sinn, ging zum Koͤnig und erzaͤhlte ihm, was er gesehn und gehoͤrt hatte. Da sprach der Koͤnig: „Morgen soll noch einmal gejagt werden.“ Das Schwesterchen aber war recht erschrocken, als das Rehkaͤlbchen verwundet herein kam; es wusch ihm das Blut ab, legte Kraͤuter auf und sprach: „Geh auf dein Lager, lieb Rehchen, daß du wieder heil wirst.“ Die Wunde war aber so gering, daß das Rehchen am Morgen nichts mehr davon spuͤrte und als es die Jagdlust wieder anheben hoͤrte, sprach es: „Jch kann’s nicht aushalten, ich muß dabei seyn; so bald soll mich auch Keiner kriegen.“ Das Schwesterchen weinte und sprach: „Nun werden sie dich toͤdten, ich laß dich nicht hinaus.“ „So sterb ich dir hier vor Betruͤbniß, wenn du mich abhaͤltst, antwortete es: wenn ich

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/125>, abgerufen am 23.11.2024.