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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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wollen miteinander in die weite Welt gehen." Sie gingen den ganzen Tag über Wiesen, Felder und Steine und wenn es regnete, sprach das Schwesterchen: "Gott und unsere Herzen, die weinen zusammen!" Abends kamen sie in einen großen Wald und waren so müd von Jammer, Hunger und dem langen Weg, daß sie sich in einen hohlen Baum setzten und einschliefen.

Am andern Morgen, als sie aufwachten, stand die Sonne schon hoch über den Bäumen und schien heiß in den Baum hinein. Da sprach das Brüderchen: "Schwesterchen, mich dürstet, wenn ich ein Brünnlein wüßte, ich ging' und tränk' einmal; ich mein', ich hört' eins rauschen." Brüderchen stand auf, nahm Schwesterchen an der Hand und sie wollten das Brünnlein suchen. Die böse Stiefmutter aber war ein Hexe und hatte wohl gesehen, wie die beiden Kinder fortgegangen waren, war ihnen nachgeschlichen, heimlich, wie die Hexen schleichen und hatte alle Brunnen im Wald verwünscht. Als sie nun ein Brünnlein fanden, das so glitzerig über die Steine sprang, wollte das Brüderchen daraus trinken; aber das Schwesterchen hörte, wie es im Rauschen sprach: "Wer aus mir trinkt, wird ein Tiger! wer aus mir trinkt, wird ein Tiger!" Da rief das Schwesterchen: Ach, ich bitt' dich, Brüderchen, trink' nicht, sonst wirst du ein wildes Thier und zerreißest mich." Das Brüderchen trank nicht, ob es gleich so großen Durst hatte und sprach: "Jch will warten bis zur nächsten Quelle." Als sie zum zweiten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterchen, wie auch dieses sprach: "Wer aus mir trinkt, wird ein Wolf! wer aus mir trinkt, wird ein Wolf!" Da rief das Schwesterchen:

wollen miteinander in die weite Welt gehen.“ Sie gingen den ganzen Tag uͤber Wiesen, Felder und Steine und wenn es regnete, sprach das Schwesterchen: „Gott und unsere Herzen, die weinen zusammen!“ Abends kamen sie in einen großen Wald und waren so muͤd von Jammer, Hunger und dem langen Weg, daß sie sich in einen hohlen Baum setzten und einschliefen.

Am andern Morgen, als sie aufwachten, stand die Sonne schon hoch uͤber den Baͤumen und schien heiß in den Baum hinein. Da sprach das Bruͤderchen: „Schwesterchen, mich duͤrstet, wenn ich ein Bruͤnnlein wuͤßte, ich ging’ und traͤnk’ einmal; ich mein’, ich hoͤrt’ eins rauschen.“ Bruͤderchen stand auf, nahm Schwesterchen an der Hand und sie wollten das Bruͤnnlein suchen. Die boͤse Stiefmutter aber war ein Hexe und hatte wohl gesehen, wie die beiden Kinder fortgegangen waren, war ihnen nachgeschlichen, heimlich, wie die Hexen schleichen und hatte alle Brunnen im Wald verwuͤnscht. Als sie nun ein Bruͤnnlein fanden, das so glitzerig uͤber die Steine sprang, wollte das Bruͤderchen daraus trinken; aber das Schwesterchen hoͤrte, wie es im Rauschen sprach: „Wer aus mir trinkt, wird ein Tiger! wer aus mir trinkt, wird ein Tiger!“ Da rief das Schwesterchen: Ach, ich bitt’ dich, Bruͤderchen, trink’ nicht, sonst wirst du ein wildes Thier und zerreißest mich.“ Das Bruͤderchen trank nicht, ob es gleich so großen Durst hatte und sprach: „Jch will warten bis zur naͤchsten Quelle.“ Als sie zum zweiten Bruͤnnlein kamen, hoͤrte das Schwesterchen, wie auch dieses sprach: „Wer aus mir trinkt, wird ein Wolf! wer aus mir trinkt, wird ein Wolf!“ Da rief das Schwesterchen:

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[58/0122] wollen miteinander in die weite Welt gehen.“ Sie gingen den ganzen Tag uͤber Wiesen, Felder und Steine und wenn es regnete, sprach das Schwesterchen: „Gott und unsere Herzen, die weinen zusammen!“ Abends kamen sie in einen großen Wald und waren so muͤd von Jammer, Hunger und dem langen Weg, daß sie sich in einen hohlen Baum setzten und einschliefen. Am andern Morgen, als sie aufwachten, stand die Sonne schon hoch uͤber den Baͤumen und schien heiß in den Baum hinein. Da sprach das Bruͤderchen: „Schwesterchen, mich duͤrstet, wenn ich ein Bruͤnnlein wuͤßte, ich ging’ und traͤnk’ einmal; ich mein’, ich hoͤrt’ eins rauschen.“ Bruͤderchen stand auf, nahm Schwesterchen an der Hand und sie wollten das Bruͤnnlein suchen. Die boͤse Stiefmutter aber war ein Hexe und hatte wohl gesehen, wie die beiden Kinder fortgegangen waren, war ihnen nachgeschlichen, heimlich, wie die Hexen schleichen und hatte alle Brunnen im Wald verwuͤnscht. Als sie nun ein Bruͤnnlein fanden, das so glitzerig uͤber die Steine sprang, wollte das Bruͤderchen daraus trinken; aber das Schwesterchen hoͤrte, wie es im Rauschen sprach: „Wer aus mir trinkt, wird ein Tiger! wer aus mir trinkt, wird ein Tiger!“ Da rief das Schwesterchen: Ach, ich bitt’ dich, Bruͤderchen, trink’ nicht, sonst wirst du ein wildes Thier und zerreißest mich.“ Das Bruͤderchen trank nicht, ob es gleich so großen Durst hatte und sprach: „Jch will warten bis zur naͤchsten Quelle.“ Als sie zum zweiten Bruͤnnlein kamen, hoͤrte das Schwesterchen, wie auch dieses sprach: „Wer aus mir trinkt, wird ein Wolf! wer aus mir trinkt, wird ein Wolf!“ Da rief das Schwesterchen:

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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/122>, abgerufen am 23.11.2024.