aus. Sie hieß sie gleich hingehen und große und schwere Wackersteine herbeitragen, damit füllten sie dem Wolf den Leib, nähten ihn wieder zu, liefen fort, und versteckten sich hinter eine Hecke.
Als der Wolf ausgeschlafen hatte, so fühlt' er es so schwer im Leib und sprach: "es rum- pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum- pelt und pumpelt mir im Leib herum! was ist das? ich hab' nur sechs Geiserchen gegessen." Er dacht, er wollt einen frischen Trunk thun, das mögt' ihm helfen und suchte einen Brun- nen, aber wie er sich darüber bückte, konnte er vor der Schwere der Steine sich nicht mehr hal- ten, und stürzte ins Wasser. Wie das die sie- ben Geiserchen sahen, kamen sie herzu gelaufen, und tanzten vor Freude um den Brunnen.
6. Von der Nachtigall und der Blind- schleiche.
Es waren einmal eine Nachtigall und eine Blindschleiche, die hatten jede nur ein Aug' und lebten zusammen in einem Haus lange Zeit in Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da sprach sie zur Blindschleiche: "ich bin da auf eine Hochzeit gebeten und mögte nicht gern so mit einem Aug' hingehen, sey doch so gut und
aus. Sie hieß ſie gleich hingehen und große und ſchwere Wackerſteine herbeitragen, damit fuͤllten ſie dem Wolf den Leib, naͤhten ihn wieder zu, liefen fort, und verſteckten ſich hinter eine Hecke.
Als der Wolf ausgeſchlafen hatte, ſo fuͤhlt' er es ſo ſchwer im Leib und ſprach: „es rum- pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum- pelt und pumpelt mir im Leib herum! was iſt das? ich hab' nur ſechs Geiſerchen gegeſſen.“ Er dacht, er wollt einen friſchen Trunk thun, das moͤgt' ihm helfen und ſuchte einen Brun- nen, aber wie er ſich daruͤber buͤckte, konnte er vor der Schwere der Steine ſich nicht mehr hal- ten, und ſtuͤrzte ins Waſſer. Wie das die ſie- ben Geiſerchen ſahen, kamen ſie herzu gelaufen, und tanzten vor Freude um den Brunnen.
6. Von der Nachtigall und der Blind- ſchleiche.
Es waren einmal eine Nachtigall und eine Blindſchleiche, die hatten jede nur ein Aug' und lebten zuſammen in einem Haus lange Zeit in Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da ſprach ſie zur Blindſchleiche: „ich bin da auf eine Hochzeit gebeten und moͤgte nicht gern ſo mit einem Aug' hingehen, ſey doch ſo gut und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0054"n="20"/>
aus. Sie hieß ſie gleich hingehen und große und<lb/>ſchwere Wackerſteine herbeitragen, damit fuͤllten<lb/>ſie dem Wolf den Leib, naͤhten ihn wieder zu,<lb/>
liefen fort, und verſteckten ſich hinter eine Hecke.</p><lb/><p>Als der Wolf ausgeſchlafen hatte, ſo fuͤhlt'<lb/>
er es ſo ſchwer im Leib und ſprach: „es rum-<lb/>
pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum-<lb/>
pelt und pumpelt mir im Leib herum! was iſt<lb/>
das? ich hab' nur ſechs Geiſerchen gegeſſen.“<lb/>
Er dacht, er wollt einen friſchen Trunk thun,<lb/>
das moͤgt' ihm helfen und ſuchte einen Brun-<lb/>
nen, aber wie er ſich daruͤber buͤckte, konnte er<lb/>
vor der Schwere der Steine ſich nicht mehr hal-<lb/>
ten, und ſtuͤrzte ins Waſſer. Wie das die ſie-<lb/>
ben Geiſerchen ſahen, kamen ſie herzu gelaufen,<lb/>
und tanzten vor Freude um den Brunnen.</p></div><lb/><divn="1"><head>6.<lb/><hirendition="#g">Von der Nachtigall und der Blind-<lb/>ſchleiche</hi>.</head><lb/><p>Es waren einmal eine Nachtigall und eine<lb/>
Blindſchleiche, die hatten jede nur ein Aug' und<lb/>
lebten zuſammen in einem Haus lange Zeit in<lb/>
Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde<lb/>
die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da<lb/>ſprach ſie zur Blindſchleiche: „ich bin da auf<lb/>
eine Hochzeit gebeten und moͤgte nicht gern ſo<lb/>
mit einem Aug' hingehen, ſey doch ſo gut und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[20/0054]
aus. Sie hieß ſie gleich hingehen und große und
ſchwere Wackerſteine herbeitragen, damit fuͤllten
ſie dem Wolf den Leib, naͤhten ihn wieder zu,
liefen fort, und verſteckten ſich hinter eine Hecke.
Als der Wolf ausgeſchlafen hatte, ſo fuͤhlt'
er es ſo ſchwer im Leib und ſprach: „es rum-
pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum-
pelt und pumpelt mir im Leib herum! was iſt
das? ich hab' nur ſechs Geiſerchen gegeſſen.“
Er dacht, er wollt einen friſchen Trunk thun,
das moͤgt' ihm helfen und ſuchte einen Brun-
nen, aber wie er ſich daruͤber buͤckte, konnte er
vor der Schwere der Steine ſich nicht mehr hal-
ten, und ſtuͤrzte ins Waſſer. Wie das die ſie-
ben Geiſerchen ſahen, kamen ſie herzu gelaufen,
und tanzten vor Freude um den Brunnen.
6.
Von der Nachtigall und der Blind-
ſchleiche.
Es waren einmal eine Nachtigall und eine
Blindſchleiche, die hatten jede nur ein Aug' und
lebten zuſammen in einem Haus lange Zeit in
Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde
die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da
ſprach ſie zur Blindſchleiche: „ich bin da auf
eine Hochzeit gebeten und moͤgte nicht gern ſo
mit einem Aug' hingehen, ſey doch ſo gut und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/54>, abgerufen am 18.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.