Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Svend Tommling etc. (ein Mensch nicht größer
als ein Daumen, der sich verheirathen will mit ei-
ner Frau drei Ehlen und drei Quartier hoch;
kommt auf die Welt mit Hut und Degen an der
Seite; treibt den Pflug, wird von einem Gutsbe-
sitzer gefangen, der ihn in seiner Schupftabacks-
dose verwahrt, er hüpft heraus und fällt auf ein
Ferkel, und das wird sein Reitpferd.)

Zum Machandelboom. No. 47.

Machandel ist Wachholder (nicht Mandel),
Marleenken Marianchen, Marie Annchen. Die-
ses wunderschöne Märchen ist uns von Runge
mitgetheilt worden. Die Geschichte wird auch in
hiesigen Gegenden häufig, selten aber so vollstän-
dig erzählt, so daß sich etwa nur noch hinzuse-
tzen ließe, daß das Schwesterchen die Knochen an
einem rothseidenen Faden zusammenreiht. Der
Vers lautet:

meine Mutter kocht mich,
mein Vater aß mich,
Schwesterchen unterm Tische saß,
die Knöchlein all all auflas,
warf sie übern Birnbaum hinaus,
da ward ein Vögelein draus,
das singet Tag und Nacht.

In einer Stelle von Göthes Faust S. 225, wozu
unser Märchen den Commentar liefert, und die der
Dichter unstreitig aus altem Hörensagen aufnahm,
lautet es so:
meine Mutter die Hur,
die mich umgebracht hat,
mein Vater der Schelm,
der mich gessen hat,
mein Schwesterlein klein
hub auf die Bein,
an einem kühlen Ort,
da ward ich ein schönes Waldvögelein,
fliege fort, fliege fort!

Die böse Stiefmutter, wovon ein altes
Sprichwort (Stiefmutter, Teufels Unterfutter) ver-

Svend Tommling ꝛc. (ein Menſch nicht groͤßer
als ein Daumen, der ſich verheirathen will mit ei-
ner Frau drei Ehlen und drei Quartier hoch;
kommt auf die Welt mit Hut und Degen an der
Seite; treibt den Pflug, wird von einem Gutsbe-
ſitzer gefangen, der ihn in ſeiner Schupftabacks-
doſe verwahrt, er huͤpft heraus und faͤllt auf ein
Ferkel, und das wird ſein Reitpferd.)

Zum Machandelboom. No. 47.

Machandel iſt Wachholder (nicht Mandel),
Marleenken Marianchen, Marie Annchen. Die-
ſes wunderſchoͤne Maͤrchen iſt uns von Runge
mitgetheilt worden. Die Geſchichte wird auch in
hieſigen Gegenden haͤufig, ſelten aber ſo vollſtaͤn-
dig erzaͤhlt, ſo daß ſich etwa nur noch hinzuſe-
tzen ließe, daß das Schweſterchen die Knochen an
einem rothſeidenen Faden zuſammenreiht. Der
Vers lautet:

meine Mutter kocht mich,
mein Vater aß mich,
Schweſterchen unterm Tiſche ſaß,
die Knoͤchlein all all auflas,
warf ſie uͤbern Birnbaum hinaus,
da ward ein Voͤgelein draus,
das ſinget Tag und Nacht.

In einer Stelle von Goͤthes Fauſt S. 225, wozu
unſer Maͤrchen den Commentar liefert, und die der
Dichter unſtreitig aus altem Hoͤrenſagen aufnahm,
lautet es ſo:
meine Mutter die Hur,
die mich umgebracht hat,
mein Vater der Schelm,
der mich geſſen hat,
mein Schweſterlein klein
hub auf die Bein,
an einem kuͤhlen Ort,
da ward ich ein ſchoͤnes Waldvoͤgelein,
fliege fort, fliege fort!

Die boͤſe Stiefmutter, wovon ein altes
Sprichwort (Stiefmutter, Teufels Unterfutter) ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0451" n="XXIX"/>
          <p>Svend Tommling &#xA75B;c. (ein Men&#x017F;ch nicht gro&#x0364;ßer<lb/>
als ein Daumen, der &#x017F;ich verheirathen will mit ei-<lb/>
ner Frau drei Ehlen und drei Quartier hoch;<lb/>
kommt auf die Welt mit Hut und Degen an der<lb/>
Seite; treibt den Pflug, wird von einem Gutsbe-<lb/>
&#x017F;itzer gefangen, der ihn in &#x017F;einer Schupftabacks-<lb/>
do&#x017F;e verwahrt, er hu&#x0364;pft heraus und fa&#x0364;llt auf ein<lb/>
Ferkel, und das wird &#x017F;ein Reitpferd.)</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Zum Machandelboom. No. 47.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Machandel</hi> i&#x017F;t Wachholder (nicht Mandel),<lb/><hi rendition="#g">Marleenken</hi> Marianchen, Marie Annchen. Die-<lb/>
&#x017F;es wunder&#x017F;cho&#x0364;ne Ma&#x0364;rchen i&#x017F;t uns von <hi rendition="#g">Runge</hi><lb/>
mitgetheilt worden. Die Ge&#x017F;chichte wird auch in<lb/>
hie&#x017F;igen Gegenden ha&#x0364;ufig, &#x017F;elten aber &#x017F;o voll&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dig erza&#x0364;hlt, &#x017F;o daß &#x017F;ich etwa nur noch hinzu&#x017F;e-<lb/>
tzen ließe, daß das Schwe&#x017F;terchen die Knochen an<lb/>
einem roth&#x017F;eidenen Faden zu&#x017F;ammenreiht. Der<lb/>
Vers lautet:<lb/><lg type="poem"><l>meine Mutter kocht mich,</l><lb/><l>mein Vater aß mich,</l><lb/><l>Schwe&#x017F;terchen unterm Ti&#x017F;che &#x017F;aß,</l><lb/><l>die Kno&#x0364;chlein all all auflas,</l><lb/><l>warf &#x017F;ie u&#x0364;bern Birnbaum hinaus,</l><lb/><l>da ward ein Vo&#x0364;gelein draus,</l><lb/><l>das &#x017F;inget Tag und Nacht.</l></lg><lb/>
In einer Stelle von Go&#x0364;thes Fau&#x017F;t S. 225, wozu<lb/>
un&#x017F;er Ma&#x0364;rchen den Commentar liefert, und die der<lb/>
Dichter un&#x017F;treitig aus altem Ho&#x0364;ren&#x017F;agen aufnahm,<lb/>
lautet es &#x017F;o:<lb/><lg type="poem"><l>meine Mutter die Hur,</l><lb/><l>die mich umgebracht hat,</l><lb/><l>mein Vater der Schelm,</l><lb/><l>der mich ge&#x017F;&#x017F;en hat,</l><lb/><l>mein Schwe&#x017F;terlein klein</l><lb/><l>hub auf die Bein,</l><lb/><l>an einem ku&#x0364;hlen Ort,</l><lb/><l>da ward ich ein &#x017F;cho&#x0364;nes Waldvo&#x0364;gelein,</l><lb/><l>fliege fort, fliege fort!</l></lg><lb/>
Die <hi rendition="#g">bo&#x0364;&#x017F;e Stiefmutter</hi>, wovon ein altes<lb/>
Sprichwort (Stiefmutter, Teufels Unterfutter) ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XXIX/0451] Svend Tommling ꝛc. (ein Menſch nicht groͤßer als ein Daumen, der ſich verheirathen will mit ei- ner Frau drei Ehlen und drei Quartier hoch; kommt auf die Welt mit Hut und Degen an der Seite; treibt den Pflug, wird von einem Gutsbe- ſitzer gefangen, der ihn in ſeiner Schupftabacks- doſe verwahrt, er huͤpft heraus und faͤllt auf ein Ferkel, und das wird ſein Reitpferd.) Zum Machandelboom. No. 47. Machandel iſt Wachholder (nicht Mandel), Marleenken Marianchen, Marie Annchen. Die- ſes wunderſchoͤne Maͤrchen iſt uns von Runge mitgetheilt worden. Die Geſchichte wird auch in hieſigen Gegenden haͤufig, ſelten aber ſo vollſtaͤn- dig erzaͤhlt, ſo daß ſich etwa nur noch hinzuſe- tzen ließe, daß das Schweſterchen die Knochen an einem rothſeidenen Faden zuſammenreiht. Der Vers lautet: meine Mutter kocht mich, mein Vater aß mich, Schweſterchen unterm Tiſche ſaß, die Knoͤchlein all all auflas, warf ſie uͤbern Birnbaum hinaus, da ward ein Voͤgelein draus, das ſinget Tag und Nacht. In einer Stelle von Goͤthes Fauſt S. 225, wozu unſer Maͤrchen den Commentar liefert, und die der Dichter unſtreitig aus altem Hoͤrenſagen aufnahm, lautet es ſo: meine Mutter die Hur, die mich umgebracht hat, mein Vater der Schelm, der mich geſſen hat, mein Schweſterlein klein hub auf die Bein, an einem kuͤhlen Ort, da ward ich ein ſchoͤnes Waldvoͤgelein, fliege fort, fliege fort! Die boͤſe Stiefmutter, wovon ein altes Sprichwort (Stiefmutter, Teufels Unterfutter) ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/451
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. XXIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/451>, abgerufen am 18.11.2024.