Laving. 1600. fol. genommen Es wird hinzuge- setzt, der Papst, der zur Zeit dieser Geschichte ge- lebt und ein fertiger Poet gewesen, habe versucht sie in ein Distichon zu bringen, es aber nicht ver- mocht. Da habe er einen stattlichen Preis dar- auf gesetzt, den ein armer Student verdienen wol- len, dieser habe sich auch lange umsonst gequält, bis er endlich unmuthig die Feder weggeworfen und ausgerufen: "kann ichs nicht, so mags der Teufel machen!" Dieser sey alsbald erschienen, habe gesagt er wolle es zu Stand bringen, die Fe- der aufgenommen und geschrieben: sus, pueri bini, puer unus, nupta, maritus cultello, lympha, fune, dolore cadunt.
Neuerdings hat Werner in seinem Trauerspiel der 24ste Februar die alte Fabel benutzt und damit die Macht menschlicher Poesie gegen den Teufel bewährt.
Zum Mäuschen, Vögelchen etc. etc. No. 23.
Aus Philanders von Sittewald Gesichten, Theil 2. ganz am Ende des siebenten Gesichts. Das Märchen lebt aber auch noch mündlich fort, doch mit veränderten Umständen, namentlich wird es bloß vom Mäuschen und Bratwürstchen erzählt, ohne das Vögelchen; das eine muß diese Woche kochen, das zweite die andere.
Zu der Frau Holle. No. 24.
Von diesem Märchen gibt es noch eine andere Erzählung: Es war einmal eine Frau die liebte nur ihre rechte, nicht aber ihre Stieftochter, hielt diese immer hart und suchte sie los zu werden. Eines Tags setzte sie beide Töchter an einen Brun- nen, da sollten sie spinnen: "wer mir aber den Rocken hinunter fallen läßt, den werf ich hinten drein," sagte sie und band ihrer Tochter den Ro- cken fest, der Stieftochter aber ganz lose. Kaum hat diese ein bischen gesponnen, fällt ihr der Ro- ken hinab und die Stiefmutter ist unbarmherzig genug und wirft sie hinterdrein. Sie fällt tief
Kindermärchen. B
Laving. 1600. fol. genommen Es wird hinzuge- ſetzt, der Papſt, der zur Zeit dieſer Geſchichte ge- lebt und ein fertiger Poet geweſen, habe verſucht ſie in ein Diſtichon zu bringen, es aber nicht ver- mocht. Da habe er einen ſtattlichen Preis dar- auf geſetzt, den ein armer Student verdienen wol- len, dieſer habe ſich auch lange umſonſt gequaͤlt, bis er endlich unmuthig die Feder weggeworfen und ausgerufen: „kann ichs nicht, ſo mags der Teufel machen!“ Dieſer ſey alsbald erſchienen, habe geſagt er wolle es zu Stand bringen, die Fe- der aufgenommen und geſchrieben: sus, pueri bini, puer unus, nupta, maritus cultello, lympha, fune, dolore cadunt.
Neuerdings hat Werner in ſeinem Trauerſpiel der 24ſte Februar die alte Fabel benutzt und damit die Macht menſchlicher Poeſie gegen den Teufel bewaͤhrt.
Zum Maͤuschen, Voͤgelchen ꝛc. ꝛc. No. 23.
Aus Philanders von Sittewald Geſichten, Theil 2. ganz am Ende des ſiebenten Geſichts. Das Maͤrchen lebt aber auch noch muͤndlich fort, doch mit veraͤnderten Umſtaͤnden, namentlich wird es bloß vom Maͤuschen und Bratwuͤrſtchen erzaͤhlt, ohne das Voͤgelchen; das eine muß dieſe Woche kochen, das zweite die andere.
Zu der Frau Holle. No. 24.
Von dieſem Maͤrchen gibt es noch eine andere Erzaͤhlung: Es war einmal eine Frau die liebte nur ihre rechte, nicht aber ihre Stieftochter, hielt dieſe immer hart und ſuchte ſie los zu werden. Eines Tags ſetzte ſie beide Toͤchter an einen Brun- nen, da ſollten ſie ſpinnen: „wer mir aber den Rocken hinunter fallen laͤßt, den werf ich hinten drein,“ ſagte ſie und band ihrer Tochter den Ro- cken feſt, der Stieftochter aber ganz loſe. Kaum hat dieſe ein bischen geſponnen, faͤllt ihr der Ro- ken hinab und die Stiefmutter iſt unbarmherzig genug und wirft ſie hinterdrein. Sie faͤllt tief
Kindermärchen. B
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[XVII/0439]
Laving. 1600. fol. genommen Es wird hinzuge-
ſetzt, der Papſt, der zur Zeit dieſer Geſchichte ge-
lebt und ein fertiger Poet geweſen, habe verſucht
ſie in ein Diſtichon zu bringen, es aber nicht ver-
mocht. Da habe er einen ſtattlichen Preis dar-
auf geſetzt, den ein armer Student verdienen wol-
len, dieſer habe ſich auch lange umſonſt gequaͤlt,
bis er endlich unmuthig die Feder weggeworfen
und ausgerufen: „kann ichs nicht, ſo mags der
Teufel machen!“ Dieſer ſey alsbald erſchienen,
habe geſagt er wolle es zu Stand bringen, die Fe-
der aufgenommen und geſchrieben:
sus, pueri bini, puer unus, nupta, maritus
cultello, lympha, fune, dolore cadunt.
Neuerdings hat Werner in ſeinem Trauerſpiel
der 24ſte Februar die alte Fabel benutzt und damit
die Macht menſchlicher Poeſie gegen den Teufel
bewaͤhrt.
Zum Maͤuschen, Voͤgelchen ꝛc. ꝛc. No. 23.
Aus Philanders von Sittewald Geſichten,
Theil 2. ganz am Ende des ſiebenten Geſichts. Das
Maͤrchen lebt aber auch noch muͤndlich fort, doch
mit veraͤnderten Umſtaͤnden, namentlich wird es
bloß vom Maͤuschen und Bratwuͤrſtchen erzaͤhlt,
ohne das Voͤgelchen; das eine muß dieſe Woche
kochen, das zweite die andere.
Zu der Frau Holle. No. 24.
Von dieſem Maͤrchen gibt es noch eine andere
Erzaͤhlung: Es war einmal eine Frau die liebte
nur ihre rechte, nicht aber ihre Stieftochter, hielt
dieſe immer hart und ſuchte ſie los zu werden.
Eines Tags ſetzte ſie beide Toͤchter an einen Brun-
nen, da ſollten ſie ſpinnen: „wer mir aber den
Rocken hinunter fallen laͤßt, den werf ich hinten
drein,“ ſagte ſie und band ihrer Tochter den Ro-
cken feſt, der Stieftochter aber ganz loſe. Kaum
hat dieſe ein bischen geſponnen, faͤllt ihr der Ro-
ken hinab und die Stiefmutter iſt unbarmherzig
genug und wirft ſie hinterdrein. Sie faͤllt tief
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/439>, abgerufen am 18.11.2024.
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