ihn wieder ans Ufer fahren, wo er noch seine Rüstung f[a]nd.
Das Wunderkind zog darauf sieben Tage in der Wildniß weiter und sieben Nächte schlief es unter freiem Himmel, da erblickte es ein Schloß mit einem Stahlthor und einem mäch- tigen Schloß daran. Vorn aber ging ein schwar- zer Stier mit funkelnden Augen und bewachte den Eingang. Reinald ging auf ihn los und gab ihm auf den Hals einen gewaltigen Streich aber der Hals war von Stahl und das Schwert zerbrach darauf, als wäre es Glas. Er wollte seine Lanze brauchen, aber die zerknickte wie ein Strohhalm und der Stier faßte ihn mit den Hörnern und warf ihn in die Luft, daß er auf den Aesten eines Baums hängen blieb. Da besann sich Reinald in der Noth auf die drei Bärenhaare, rieb sie in der Hand und in dem Augenblick kam ein Bär daher getrabt, kämpfte mit dem Stier und zerriß ihn. Aber aus dem Bauch des Stiers flog ein Entvogel in die Höhe und eilig weiter; da rieb Reinald die drei Adlerfedern, alsbald kam ein mächtiger Adler durch die Luft und verfolgte den Vogel, der ge- rade nach einem Weiher floh, schoß auf ihn her- ab, und zerfleischte ihn; aber Reinald hatte ge- sehen, wie er noch ein goldnes Ei hatte ins Wasser fallen lassen. Da rieb er die drei Fisch- schuppen in der Hand, gleich kam ein Wall-
ihn wieder ans Ufer fahren, wo er noch ſeine Ruͤſtung f[a]nd.
Das Wunderkind zog darauf ſieben Tage in der Wildniß weiter und ſieben Naͤchte ſchlief es unter freiem Himmel, da erblickte es ein Schloß mit einem Stahlthor und einem maͤch- tigen Schloß daran. Vorn aber ging ein ſchwar- zer Stier mit funkelnden Augen und bewachte den Eingang. Reinald ging auf ihn los und gab ihm auf den Hals einen gewaltigen Streich aber der Hals war von Stahl und das Schwert zerbrach darauf, als waͤre es Glas. Er wollte ſeine Lanze brauchen, aber die zerknickte wie ein Strohhalm und der Stier faßte ihn mit den Hoͤrnern und warf ihn in die Luft, daß er auf den Aeſten eines Baums haͤngen blieb. Da beſann ſich Reinald in der Noth auf die drei Baͤrenhaare, rieb ſie in der Hand und in dem Augenblick kam ein Baͤr daher getrabt, kaͤmpfte mit dem Stier und zerriß ihn. Aber aus dem Bauch des Stiers flog ein Entvogel in die Hoͤhe und eilig weiter; da rieb Reinald die drei Adlerfedern, alsbald kam ein maͤchtiger Adler durch die Luft und verfolgte den Vogel, der ge- rade nach einem Weiher floh, ſchoß auf ihn her- ab, und zerfleiſchte ihn; aber Reinald hatte ge- ſehen, wie er noch ein goldnes Ei hatte ins Waſſer fallen laſſen. Da rieb er die drei Fiſch- ſchuppen in der Hand, gleich kam ein Wall-
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ihn wieder ans Ufer fahren, wo er noch ſeine
Ruͤſtung fand.
Das Wunderkind zog darauf ſieben Tage
in der Wildniß weiter und ſieben Naͤchte ſchlief
es unter freiem Himmel, da erblickte es ein
Schloß mit einem Stahlthor und einem maͤch-
tigen Schloß daran. Vorn aber ging ein ſchwar-
zer Stier mit funkelnden Augen und bewachte
den Eingang. Reinald ging auf ihn los und
gab ihm auf den Hals einen gewaltigen Streich
aber der Hals war von Stahl und das Schwert
zerbrach darauf, als waͤre es Glas. Er wollte
ſeine Lanze brauchen, aber die zerknickte wie ein
Strohhalm und der Stier faßte ihn mit den
Hoͤrnern und warf ihn in die Luft, daß er auf
den Aeſten eines Baums haͤngen blieb. Da
beſann ſich Reinald in der Noth auf die drei
Baͤrenhaare, rieb ſie in der Hand und in dem
Augenblick kam ein Baͤr daher getrabt, kaͤmpfte
mit dem Stier und zerriß ihn. Aber aus dem
Bauch des Stiers flog ein Entvogel in die
Hoͤhe und eilig weiter; da rieb Reinald die drei
Adlerfedern, alsbald kam ein maͤchtiger Adler
durch die Luft und verfolgte den Vogel, der ge-
rade nach einem Weiher floh, ſchoß auf ihn her-
ab, und zerfleiſchte ihn; aber Reinald hatte ge-
ſehen, wie er noch ein goldnes Ei hatte ins
Waſſer fallen laſſen. Da rieb er die drei Fiſch-
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/414>, abgerufen am 24.11.2024.
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