sperrte er seinen Rachen auf, als wollte er den König sammt dem Nachen verschlingen. Wie der König den entsetzlichen Rachen sah, verlor er allen Muth, da fiel ihm seine dritte Tochter ein und er rief: "schenk mir das Leben und du sollst meine jüngste Tochter haben" -- Meint- wegen brummte der Wallfisch, ich will dir auch etwas dafür geben; Gold hab ich nicht, das ist mir zu schlecht, aber der Grund meines Sees ist mit Zahlperlen gepflastert, davon will ich dir drei Säcke voll geben: im siebenten Mond komm ich und hol meine Braut." Dann tauchte er unter.
Der König trieb nun ans Land und brachte seine Forellen heim, aber als sie gebacken wa- ren, wollt' er keine davon essen, und wenn er seine Tochter ansah, die einzige die ihm noch übrig war und die schönste und liebste von allen, wars ihm, als zerschnitten tausend Messer sein Herz. So gingen sechs Monat herum, die Kö- nigin und die Prinzessin wußten nicht, was dem König fehle, der in all der Zeit keine vergnügte Miene machte In siebenten Mond stand die Prinzessin gerade im Hof vor einem Röhrbrun- nen und ließ ein Glas voll laufen, da kam ein Wagen mit sechs weißen Pferden und ganz sil- bernen Leuten angefahren, und aus dem Wagen stieg ein Prinz, so schön, daß sie ihr Lebtag kei- nen schönern gesehen hatte, und bat sie um ein Glas Wasser. Und wie sie ihm das reichte, das
ſperrte er ſeinen Rachen auf, als wollte er den Koͤnig ſammt dem Nachen verſchlingen. Wie der Koͤnig den entſetzlichen Rachen ſah, verlor er allen Muth, da fiel ihm ſeine dritte Tochter ein und er rief: „ſchenk mir das Leben und du ſollſt meine juͤngſte Tochter haben“ — Meint- wegen brummte der Wallfiſch, ich will dir auch etwas dafuͤr geben; Gold hab ich nicht, das iſt mir zu ſchlecht, aber der Grund meines Sees iſt mit Zahlperlen gepflaſtert, davon will ich dir drei Saͤcke voll geben: im ſiebenten Mond komm ich und hol meine Braut.“ Dann tauchte er unter.
Der Koͤnig trieb nun ans Land und brachte ſeine Forellen heim, aber als ſie gebacken wa- ren, wollt' er keine davon eſſen, und wenn er ſeine Tochter anſah, die einzige die ihm noch uͤbrig war und die ſchoͤnſte und liebſte von allen, wars ihm, als zerſchnitten tauſend Meſſer ſein Herz. So gingen ſechs Monat herum, die Koͤ- nigin und die Prinzeſſin wußten nicht, was dem Koͤnig fehle, der in all der Zeit keine vergnuͤgte Miene machte In ſiebenten Mond ſtand die Prinzeſſin gerade im Hof vor einem Roͤhrbrun- nen und ließ ein Glas voll laufen, da kam ein Wagen mit ſechs weißen Pferden und ganz ſil- bernen Leuten angefahren, und aus dem Wagen ſtieg ein Prinz, ſo ſchoͤn, daß ſie ihr Lebtag kei- nen ſchoͤnern geſehen hatte, und bat ſie um ein Glas Waſſer. Und wie ſie ihm das reichte, das
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ſperrte er ſeinen Rachen auf, als wollte er den
Koͤnig ſammt dem Nachen verſchlingen. Wie
der Koͤnig den entſetzlichen Rachen ſah, verlor
er allen Muth, da fiel ihm ſeine dritte Tochter
ein und er rief: „ſchenk mir das Leben und du
ſollſt meine juͤngſte Tochter haben“ — Meint-
wegen brummte der Wallfiſch, ich will dir auch
etwas dafuͤr geben; Gold hab ich nicht, das iſt
mir zu ſchlecht, aber der Grund meines Sees
iſt mit Zahlperlen gepflaſtert, davon will ich dir
drei Saͤcke voll geben: im ſiebenten Mond komm
ich und hol meine Braut.“ Dann tauchte er
unter.
Der Koͤnig trieb nun ans Land und brachte
ſeine Forellen heim, aber als ſie gebacken wa-
ren, wollt' er keine davon eſſen, und wenn er
ſeine Tochter anſah, die einzige die ihm noch
uͤbrig war und die ſchoͤnſte und liebſte von allen,
wars ihm, als zerſchnitten tauſend Meſſer ſein
Herz. So gingen ſechs Monat herum, die Koͤ-
nigin und die Prinzeſſin wußten nicht, was dem
Koͤnig fehle, der in all der Zeit keine vergnuͤgte
Miene machte In ſiebenten Mond ſtand die
Prinzeſſin gerade im Hof vor einem Roͤhrbrun-
nen und ließ ein Glas voll laufen, da kam ein
Wagen mit ſechs weißen Pferden und ganz ſil-
bernen Leuten angefahren, und aus dem Wagen
ſtieg ein Prinz, ſo ſchoͤn, daß ſie ihr Lebtag kei-
nen ſchoͤnern geſehen hatte, und bat ſie um ein
Glas Waſſer. Und wie ſie ihm das reichte, das
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/404>, abgerufen am 24.11.2024.
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