Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

zum König floh. Der König wollte mit seinem
Spieß den Adler abhalten, der Adler aber packte
den Spieß und zerbrach ihn wie ein Schilfrohr,
dann zerdrückte er den Falken mit einer Kralle,
die andern aber hackte er dem König in die
Schulter und rief: "warum störst du mein
Luftreich, dafür sollst du sterben oder du giebst
mir deine zweite Tochter zur Frau!" der König
sagte: ja die sollst du haben, aber was giebst du
mir dafür?" -- Zwei Centner Gold sprach der
Adler, und in sieben Wochen komm ich, und hol
sie ab;" dann ließ er ihn los und flog fort in
den Wald.

Der König war betrübt, daß er seine zweite
Tochter auch einem wilden Thiere verkauft hatte
und getraute sich nicht ihr etwas davon zu sa-
gen. Sechs Wochen waren herum, in der sie-
benten ging die Prinzessin hinaus auf einen
Rasenplatz vor der Burg und wollte ihre Lein-
wand begießen, da kam auf einmal ein prächti-
ger Zug von schönen Rittern und zuvorderst
ritt der allerschönste, der sprang ab und rief:
"schwing, schwing dich auf, du Fräulein traut,
komm mit, du schöne Adlerbraut!"

und eh sie ihm antworten konnte, hatte er sie
schon aufs Roß gehoben und jagte mit ihr in
den Wald hinein als flög ein Vogel: Ade!
Ade!!

In der Burg warteten sie lang auf die

Prin-

zum Koͤnig floh. Der Koͤnig wollte mit ſeinem
Spieß den Adler abhalten, der Adler aber packte
den Spieß und zerbrach ihn wie ein Schilfrohr,
dann zerdruͤckte er den Falken mit einer Kralle,
die andern aber hackte er dem Koͤnig in die
Schulter und rief: „warum ſtoͤrſt du mein
Luftreich, dafuͤr ſollſt du ſterben oder du giebſt
mir deine zweite Tochter zur Frau!“ der Koͤnig
ſagte: ja die ſollſt du haben, aber was giebſt du
mir dafuͤr?“ — Zwei Centner Gold ſprach der
Adler, und in ſieben Wochen komm ich, und hol
ſie ab;“ dann ließ er ihn los und flog fort in
den Wald.

Der Koͤnig war betruͤbt, daß er ſeine zweite
Tochter auch einem wilden Thiere verkauft hatte
und getraute ſich nicht ihr etwas davon zu ſa-
gen. Sechs Wochen waren herum, in der ſie-
benten ging die Prinzeſſin hinaus auf einen
Raſenplatz vor der Burg und wollte ihre Lein-
wand begießen, da kam auf einmal ein praͤchti-
ger Zug von ſchoͤnen Rittern und zuvorderſt
ritt der allerſchoͤnſte, der ſprang ab und rief:
„ſchwing, ſchwing dich auf, du Fraͤulein traut,
komm mit, du ſchoͤne Adlerbraut!“

und eh ſie ihm antworten konnte, hatte er ſie
ſchon aufs Roß gehoben und jagte mit ihr in
den Wald hinein als floͤg ein Vogel: Ade!
Ade!!

In der Burg warteten ſie lang auf die

Prin-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0402" n="368"/>
zum Ko&#x0364;nig floh. Der Ko&#x0364;nig wollte mit &#x017F;einem<lb/>
Spieß den Adler abhalten, der Adler aber packte<lb/>
den Spieß und zerbrach ihn wie ein Schilfrohr,<lb/>
dann zerdru&#x0364;ckte er den Falken mit einer Kralle,<lb/>
die andern aber hackte er dem Ko&#x0364;nig in die<lb/>
Schulter und rief: &#x201E;warum &#x017F;to&#x0364;r&#x017F;t du mein<lb/>
Luftreich, dafu&#x0364;r &#x017F;oll&#x017F;t du &#x017F;terben oder du gieb&#x017F;t<lb/>
mir deine zweite Tochter zur Frau!&#x201C; der Ko&#x0364;nig<lb/>
&#x017F;agte: ja die &#x017F;oll&#x017F;t du haben, aber was gieb&#x017F;t du<lb/>
mir dafu&#x0364;r?&#x201C; &#x2014; Zwei Centner Gold &#x017F;prach der<lb/>
Adler, und in &#x017F;ieben Wochen komm ich, und hol<lb/>
&#x017F;ie ab;&#x201C; dann ließ er ihn los und flog fort in<lb/>
den Wald.</p><lb/>
        <p>Der Ko&#x0364;nig war betru&#x0364;bt, daß er &#x017F;eine zweite<lb/>
Tochter auch einem wilden Thiere verkauft hatte<lb/>
und getraute &#x017F;ich nicht ihr etwas davon zu &#x017F;a-<lb/>
gen. Sechs Wochen waren herum, in der &#x017F;ie-<lb/>
benten ging die Prinze&#x017F;&#x017F;in hinaus auf einen<lb/>
Ra&#x017F;enplatz vor der Burg und wollte ihre Lein-<lb/>
wand begießen, da kam auf einmal ein pra&#x0364;chti-<lb/>
ger Zug von &#x017F;cho&#x0364;nen Rittern und zuvorder&#x017F;t<lb/>
ritt der aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te, der &#x017F;prang ab und rief:<lb/><hi rendition="#et">&#x201E;&#x017F;chwing, &#x017F;chwing dich auf, du Fra&#x0364;ulein traut,<lb/>
komm mit, du &#x017F;cho&#x0364;ne Adlerbraut!&#x201C;</hi><lb/>
und eh &#x017F;ie ihm antworten konnte, hatte er &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon aufs Roß gehoben und jagte mit ihr in<lb/>
den Wald hinein als flo&#x0364;g ein Vogel: Ade!<lb/>
Ade!!</p><lb/>
        <p>In der Burg warteten &#x017F;ie lang auf die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Prin-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0402] zum Koͤnig floh. Der Koͤnig wollte mit ſeinem Spieß den Adler abhalten, der Adler aber packte den Spieß und zerbrach ihn wie ein Schilfrohr, dann zerdruͤckte er den Falken mit einer Kralle, die andern aber hackte er dem Koͤnig in die Schulter und rief: „warum ſtoͤrſt du mein Luftreich, dafuͤr ſollſt du ſterben oder du giebſt mir deine zweite Tochter zur Frau!“ der Koͤnig ſagte: ja die ſollſt du haben, aber was giebſt du mir dafuͤr?“ — Zwei Centner Gold ſprach der Adler, und in ſieben Wochen komm ich, und hol ſie ab;“ dann ließ er ihn los und flog fort in den Wald. Der Koͤnig war betruͤbt, daß er ſeine zweite Tochter auch einem wilden Thiere verkauft hatte und getraute ſich nicht ihr etwas davon zu ſa- gen. Sechs Wochen waren herum, in der ſie- benten ging die Prinzeſſin hinaus auf einen Raſenplatz vor der Burg und wollte ihre Lein- wand begießen, da kam auf einmal ein praͤchti- ger Zug von ſchoͤnen Rittern und zuvorderſt ritt der allerſchoͤnſte, der ſprang ab und rief: „ſchwing, ſchwing dich auf, du Fraͤulein traut, komm mit, du ſchoͤne Adlerbraut!“ und eh ſie ihm antworten konnte, hatte er ſie ſchon aufs Roß gehoben und jagte mit ihr in den Wald hinein als floͤg ein Vogel: Ade! Ade!! In der Burg warteten ſie lang auf die Prin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/402
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/402>, abgerufen am 24.11.2024.