flog dreimal um sie herum, und schrie dreimal Schu -- hu -- hu -- hu! Joringel konnte sich nicht regen; er stand da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter; die Eule flog in einen Strauch, und gleich dar- auf kam eine alte krumme Frau aus diesem hervor, gelb und mager, große rothe Augen, krumme Nase, die mit der Spitze aus Kinn reichte. Sie murmelte, fing die Nachtigall, und trug sie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts sagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war fort, endlich kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer Stimme: "Grüß dich, Zachiel! Wenns Möndel ins Körbel scheint, bind los, Zachiel, zu guter Stund!" Da wurd Joringel los; er fiel vor dem Weib auf die Knie, und bat, sie mögte ihm seine Jorinde wieder geben; aber sie sagte, er solle sie nie wieder haben, und ging fort. Er rief, er wein- te, er jammerte, aber alles umsonst. Uu! was soll mir geschehn? Joringel ging fort und kam endlich in ein fremdes Dorf; da hütet er die Schafe lange Zeit. Oft ging er rund um das Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei; end- lich träumte er einmal des Nachts, er fänd ei- ne blutrothe Blume, in deren Mitte eine schö- ne große Perle war; die Blume brach er ab, ging damit zum Schlosse; alles, was er mit
flog dreimal um ſie herum, und ſchrie dreimal Schu — hu — hu — hu! Joringel konnte ſich nicht regen; er ſtand da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter; die Eule flog in einen Strauch, und gleich dar- auf kam eine alte krumme Frau aus dieſem hervor, gelb und mager, große rothe Augen, krumme Naſe, die mit der Spitze aus Kinn reichte. Sie murmelte, fing die Nachtigall, und trug ſie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts ſagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war fort, endlich kam das Weib wieder und ſagte mit dumpfer Stimme: „Gruͤß dich, Zachiel! Wenns Moͤndel ins Koͤrbel ſcheint, bind los, Zachiel, zu guter Stund!“ Da wurd Joringel los; er fiel vor dem Weib auf die Knie, und bat, ſie moͤgte ihm ſeine Jorinde wieder geben; aber ſie ſagte, er ſolle ſie nie wieder haben, und ging fort. Er rief, er wein- te, er jammerte, aber alles umſonſt. Uu! was ſoll mir geſchehn? Joringel ging fort und kam endlich in ein fremdes Dorf; da huͤtet er die Schafe lange Zeit. Oft ging er rund um das Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei; end- lich traͤumte er einmal des Nachts, er faͤnd ei- ne blutrothe Blume, in deren Mitte eine ſchoͤ- ne große Perle war; die Blume brach er ab, ging damit zum Schloſſe; alles, was er mit
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flog dreimal um ſie herum, und ſchrie dreimal
Schu — hu — hu — hu! Joringel konnte
ſich nicht regen; er ſtand da wie ein Stein,
konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand
noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter;
die Eule flog in einen Strauch, und gleich dar-
auf kam eine alte krumme Frau aus dieſem
hervor, gelb und mager, große rothe Augen,
krumme Naſe, die mit der Spitze aus Kinn
reichte. Sie murmelte, fing die Nachtigall, und
trug ſie auf der Hand fort. Joringel konnte
nichts ſagen, nicht von der Stelle kommen;
die Nachtigall war fort, endlich kam das Weib
wieder und ſagte mit dumpfer Stimme: „Gruͤß
dich, Zachiel! Wenns Moͤndel ins Koͤrbel ſcheint,
bind los, Zachiel, zu guter Stund!“ Da
wurd Joringel los; er fiel vor dem Weib auf
die Knie, und bat, ſie moͤgte ihm ſeine Jorinde
wieder geben; aber ſie ſagte, er ſolle ſie nie
wieder haben, und ging fort. Er rief, er wein-
te, er jammerte, aber alles umſonſt. Uu! was
ſoll mir geſchehn? Joringel ging fort und kam
endlich in ein fremdes Dorf; da huͤtet er die
Schafe lange Zeit. Oft ging er rund um das
Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei; end-
lich traͤumte er einmal des Nachts, er faͤnd ei-
ne blutrothe Blume, in deren Mitte eine ſchoͤ-
ne große Perle war; die Blume brach er ab,
ging damit zum Schloſſe; alles, was er mit
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/364>, abgerufen am 28.11.2024.
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