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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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schlurfen, und die Erbsen rollen unter ihren
Füßen." Dem König gefiel das wohl. Es
war aber ein Diener des Königs, der liebte die
Jäger und hatte das mit angehört, da lief
er zu ihnen und sagte: der Löwe hält euch
für Mädchen, und will Erbsen streuen lassen
und euch damit probiren; die Prinzessin befahl
darauf ihren elf Jungfrauen, sie sollten sich
alle Gewalt anthun, und fest auf die Erbsen
treten. Als nun am Morgen die Erbsen ge-
streut waren, ließ der König die zwölf Jäger
kommen, sie hatten aber einen so sichern und
starken Gang, daß sich auch nicht eine Erbse
bewegte. Am Abend machte der König dem
Löwen Vorwürfe, daß er ihn belogen, da sag-
te der Löwe: "sie haben sich verstellt, laß aber
nur zwölf Spinnräder in das Vorzimmer stel-
len, da werden sie sich drüber freuen, und das
thut kein Mann." Der König folgte dem Lö-
wen noch einmal, und ließ die Spinnräder hin-
stellen. Der Diener aber hatte den Jägern den
Anschlag verrathen, da befahl die Prinzessin
ihren elf Jungfrauen die Spinnräder nicht ein-
mal anzusehen. So thaten sie auch, und der
König wollte dem Löwen nicht mehr glauben.
Er gewann die Jäger immer lieber, und wenn
er auf die Jagd ritt, mußten sie ihm folgen.
Wie sie einmal mit ihm im Wald waren, kam
die Nachricht, die Braut des Prinzen sey im

ſchlurfen, und die Erbſen rollen unter ihren
Fuͤßen.“ Dem Koͤnig gefiel das wohl. Es
war aber ein Diener des Koͤnigs, der liebte die
Jaͤger und hatte das mit angehoͤrt, da lief
er zu ihnen und ſagte: der Loͤwe haͤlt euch
fuͤr Maͤdchen, und will Erbſen ſtreuen laſſen
und euch damit probiren; die Prinzeſſin befahl
darauf ihren elf Jungfrauen, ſie ſollten ſich
alle Gewalt anthun, und feſt auf die Erbſen
treten. Als nun am Morgen die Erbſen ge-
ſtreut waren, ließ der Koͤnig die zwoͤlf Jaͤger
kommen, ſie hatten aber einen ſo ſichern und
ſtarken Gang, daß ſich auch nicht eine Erbſe
bewegte. Am Abend machte der Koͤnig dem
Loͤwen Vorwuͤrfe, daß er ihn belogen, da ſag-
te der Loͤwe: „ſie haben ſich verſtellt, laß aber
nur zwoͤlf Spinnraͤder in das Vorzimmer ſtel-
len, da werden ſie ſich druͤber freuen, und das
thut kein Mann.“ Der Koͤnig folgte dem Loͤ-
wen noch einmal, und ließ die Spinnraͤder hin-
ſtellen. Der Diener aber hatte den Jaͤgern den
Anſchlag verrathen, da befahl die Prinzeſſin
ihren elf Jungfrauen die Spinnraͤder nicht ein-
mal anzuſehen. So thaten ſie auch, und der
Koͤnig wollte dem Loͤwen nicht mehr glauben.
Er gewann die Jaͤger immer lieber, und wenn
er auf die Jagd ritt, mußten ſie ihm folgen.
Wie ſie einmal mit ihm im Wald waren, kam
die Nachricht, die Braut des Prinzen ſey im

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[322/0356] ſchlurfen, und die Erbſen rollen unter ihren Fuͤßen.“ Dem Koͤnig gefiel das wohl. Es war aber ein Diener des Koͤnigs, der liebte die Jaͤger und hatte das mit angehoͤrt, da lief er zu ihnen und ſagte: der Loͤwe haͤlt euch fuͤr Maͤdchen, und will Erbſen ſtreuen laſſen und euch damit probiren; die Prinzeſſin befahl darauf ihren elf Jungfrauen, ſie ſollten ſich alle Gewalt anthun, und feſt auf die Erbſen treten. Als nun am Morgen die Erbſen ge- ſtreut waren, ließ der Koͤnig die zwoͤlf Jaͤger kommen, ſie hatten aber einen ſo ſichern und ſtarken Gang, daß ſich auch nicht eine Erbſe bewegte. Am Abend machte der Koͤnig dem Loͤwen Vorwuͤrfe, daß er ihn belogen, da ſag- te der Loͤwe: „ſie haben ſich verſtellt, laß aber nur zwoͤlf Spinnraͤder in das Vorzimmer ſtel- len, da werden ſie ſich druͤber freuen, und das thut kein Mann.“ Der Koͤnig folgte dem Loͤ- wen noch einmal, und ließ die Spinnraͤder hin- ſtellen. Der Diener aber hatte den Jaͤgern den Anſchlag verrathen, da befahl die Prinzeſſin ihren elf Jungfrauen die Spinnraͤder nicht ein- mal anzuſehen. So thaten ſie auch, und der Koͤnig wollte dem Loͤwen nicht mehr glauben. Er gewann die Jaͤger immer lieber, und wenn er auf die Jagd ritt, mußten ſie ihm folgen. Wie ſie einmal mit ihm im Wald waren, kam die Nachricht, die Braut des Prinzen ſey im

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/356>, abgerufen am 24.11.2024.