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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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machte die Nuß auf und holte das Kleid her-
aus, das wie die Sonne glänzte. Und wie es
damit geputzt war, ging es hinauf, und jeder-
mann machte ihm Platz, und meinte nicht an-
ders, als eine vornehme Prinzessin käme in den
Saal gegangen. Der König reichte ihr gleich
seine Hand zum Tanz, und wie er mit ihr
tanzte, dachte er, wie gleicht diese unbekannte
schöne Prinzessin meiner lieben Braut, und je
länger er sie ansah, desto mehr glich sie ihr,
daß er es fast gewiß glaubte, und wenn der
Tanz zu Ende wär, wollte er sie fragen. Wie
sie aber ausgetanzt hatte, verneigte sie sich und
war verschwunden, ehe sich der König besinnen
konnte. Da ließ er die Wächter fragen, aber
keiner hatte die Prinzessin aus dem Hause ge-
hen sehen. Sie war geschwind in ihr Ställ-
chen gelaufen, hatte ihr Kleid ausgezogen, Ge-
sicht und Hände schwarz gemacht, und wieder
den Pelzmantel umgethan. Dann ging sie in
die Küche und wollte die Asche zusammenkehren,
der Koch aber sagte: "laß das seyn bis mor-
gen, ich will auch ein wenig hinaufgehen und
den Tanz mit ansehen, koch derweil dem König
seine Suppe, aber laß keine Haare hineinfallen,
sonst kriegst du nichts mehr zu essen." Aller-
lei-Rauh kochte dem König da eine Brodsup-
pe, und zuletzt legte es den goldenen Ring hin-
ein, den der König ihr geschenkt hatte. Wie

machte die Nuß auf und holte das Kleid her-
aus, das wie die Sonne glaͤnzte. Und wie es
damit geputzt war, ging es hinauf, und jeder-
mann machte ihm Platz, und meinte nicht an-
ders, als eine vornehme Prinzeſſin kaͤme in den
Saal gegangen. Der Koͤnig reichte ihr gleich
ſeine Hand zum Tanz, und wie er mit ihr
tanzte, dachte er, wie gleicht dieſe unbekannte
ſchoͤne Prinzeſſin meiner lieben Braut, und je
laͤnger er ſie anſah, deſto mehr glich ſie ihr,
daß er es faſt gewiß glaubte, und wenn der
Tanz zu Ende waͤr, wollte er ſie fragen. Wie
ſie aber ausgetanzt hatte, verneigte ſie ſich und
war verſchwunden, ehe ſich der Koͤnig beſinnen
konnte. Da ließ er die Waͤchter fragen, aber
keiner hatte die Prinzeſſin aus dem Hauſe ge-
hen ſehen. Sie war geſchwind in ihr Staͤll-
chen gelaufen, hatte ihr Kleid ausgezogen, Ge-
ſicht und Haͤnde ſchwarz gemacht, und wieder
den Pelzmantel umgethan. Dann ging ſie in
die Kuͤche und wollte die Aſche zuſammenkehren,
der Koch aber ſagte: „laß das ſeyn bis mor-
gen, ich will auch ein wenig hinaufgehen und
den Tanz mit anſehen, koch derweil dem Koͤnig
ſeine Suppe, aber laß keine Haare hineinfallen,
ſonſt kriegſt du nichts mehr zu eſſen.“ Aller-
lei-Rauh kochte dem Koͤnig da eine Brodſup-
pe, und zuletzt legte es den goldenen Ring hin-
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[312/0346] machte die Nuß auf und holte das Kleid her- aus, das wie die Sonne glaͤnzte. Und wie es damit geputzt war, ging es hinauf, und jeder- mann machte ihm Platz, und meinte nicht an- ders, als eine vornehme Prinzeſſin kaͤme in den Saal gegangen. Der Koͤnig reichte ihr gleich ſeine Hand zum Tanz, und wie er mit ihr tanzte, dachte er, wie gleicht dieſe unbekannte ſchoͤne Prinzeſſin meiner lieben Braut, und je laͤnger er ſie anſah, deſto mehr glich ſie ihr, daß er es faſt gewiß glaubte, und wenn der Tanz zu Ende waͤr, wollte er ſie fragen. Wie ſie aber ausgetanzt hatte, verneigte ſie ſich und war verſchwunden, ehe ſich der Koͤnig beſinnen konnte. Da ließ er die Waͤchter fragen, aber keiner hatte die Prinzeſſin aus dem Hauſe ge- hen ſehen. Sie war geſchwind in ihr Staͤll- chen gelaufen, hatte ihr Kleid ausgezogen, Ge- ſicht und Haͤnde ſchwarz gemacht, und wieder den Pelzmantel umgethan. Dann ging ſie in die Kuͤche und wollte die Aſche zuſammenkehren, der Koch aber ſagte: „laß das ſeyn bis mor- gen, ich will auch ein wenig hinaufgehen und den Tanz mit anſehen, koch derweil dem Koͤnig ſeine Suppe, aber laß keine Haare hineinfallen, ſonſt kriegſt du nichts mehr zu eſſen.“ Aller- lei-Rauh kochte dem Koͤnig da eine Brodſup- pe, und zuletzt legte es den goldenen Ring hin- ein, den der Koͤnig ihr geſchenkt hatte. Wie

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/346>, abgerufen am 24.11.2024.