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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Botschafter abgeschickt an alle Prinzessinnen,
aber keine war so schön wie die verstorbene Kö-
nigin, so goldenes Haar war auch gar nicht mehr
zu finden auf der Welt. Da warf der König
einmal die Augen auf seine Tochter, und wie
er so sah, daß sie ganz ihrer Mutter glich und
auch ein so goldenes Haar hatte, so dachte er,
du kannst doch auf der Welt niemand so schön
finden, du mußt deine Tochter heirathen, und
fühlte in dem Augenblick eine so große Liebe
zu ihr, daß er gleich den Räthen und der Prin-
zessin seinen Willen kund that. Die Räthe
wollten es ihm ausreden, aber das war um-
sonst. Die Prinzessin erschrack von Herzen über
dies gottlose Vorhaben, weil sie aber klug war,
sagte sie dem König, er solle ihr erst drei Klei-
der schaffen, eins so golden wie die Sonne, eins
so weiß wie der Mond, und eins so glänzend
wie die Sterne, dann aber einen Mantel von
tausenderlei Pelz zusammengesetzt, und alle
Thiere im Reich müßten ein Stück von ihrer
Haut dazu geben. Der König war so heftig
in seiner Begierde, daß er im ganzen Reich
daran arbeiten ließ, seine Jäger alle Thiere auf-
fangen, und ihnen die Haut abziehen mußten,
daraus ward der Mantel gemacht, und es dauer-
te nicht lang, so brachte er der Prinzessin, was
sie verlangt hatte. Die Prinzessin sagte nun,
sie wolle sich morgen mit ihm trauen lassen, in

Botſchafter abgeſchickt an alle Prinzeſſinnen,
aber keine war ſo ſchoͤn wie die verſtorbene Koͤ-
nigin, ſo goldenes Haar war auch gar nicht mehr
zu finden auf der Welt. Da warf der Koͤnig
einmal die Augen auf ſeine Tochter, und wie
er ſo ſah, daß ſie ganz ihrer Mutter glich und
auch ein ſo goldenes Haar hatte, ſo dachte er,
du kannſt doch auf der Welt niemand ſo ſchoͤn
finden, du mußt deine Tochter heirathen, und
fuͤhlte in dem Augenblick eine ſo große Liebe
zu ihr, daß er gleich den Raͤthen und der Prin-
zeſſin ſeinen Willen kund that. Die Raͤthe
wollten es ihm ausreden, aber das war um-
ſonſt. Die Prinzeſſin erſchrack von Herzen uͤber
dies gottloſe Vorhaben, weil ſie aber klug war,
ſagte ſie dem Koͤnig, er ſolle ihr erſt drei Klei-
der ſchaffen, eins ſo golden wie die Sonne, eins
ſo weiß wie der Mond, und eins ſo glaͤnzend
wie die Sterne, dann aber einen Mantel von
tauſenderlei Pelz zuſammengeſetzt, und alle
Thiere im Reich muͤßten ein Stuͤck von ihrer
Haut dazu geben. Der Koͤnig war ſo heftig
in ſeiner Begierde, daß er im ganzen Reich
daran arbeiten ließ, ſeine Jaͤger alle Thiere auf-
fangen, und ihnen die Haut abziehen mußten,
daraus ward der Mantel gemacht, und es dauer-
te nicht lang, ſo brachte er der Prinzeſſin, was
ſie verlangt hatte. Die Prinzeſſin ſagte nun,
ſie wolle ſich morgen mit ihm trauen laſſen, in

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[309/0343] Botſchafter abgeſchickt an alle Prinzeſſinnen, aber keine war ſo ſchoͤn wie die verſtorbene Koͤ- nigin, ſo goldenes Haar war auch gar nicht mehr zu finden auf der Welt. Da warf der Koͤnig einmal die Augen auf ſeine Tochter, und wie er ſo ſah, daß ſie ganz ihrer Mutter glich und auch ein ſo goldenes Haar hatte, ſo dachte er, du kannſt doch auf der Welt niemand ſo ſchoͤn finden, du mußt deine Tochter heirathen, und fuͤhlte in dem Augenblick eine ſo große Liebe zu ihr, daß er gleich den Raͤthen und der Prin- zeſſin ſeinen Willen kund that. Die Raͤthe wollten es ihm ausreden, aber das war um- ſonſt. Die Prinzeſſin erſchrack von Herzen uͤber dies gottloſe Vorhaben, weil ſie aber klug war, ſagte ſie dem Koͤnig, er ſolle ihr erſt drei Klei- der ſchaffen, eins ſo golden wie die Sonne, eins ſo weiß wie der Mond, und eins ſo glaͤnzend wie die Sterne, dann aber einen Mantel von tauſenderlei Pelz zuſammengeſetzt, und alle Thiere im Reich muͤßten ein Stuͤck von ihrer Haut dazu geben. Der Koͤnig war ſo heftig in ſeiner Begierde, daß er im ganzen Reich daran arbeiten ließ, ſeine Jaͤger alle Thiere auf- fangen, und ihnen die Haut abziehen mußten, daraus ward der Mantel gemacht, und es dauer- te nicht lang, ſo brachte er der Prinzeſſin, was ſie verlangt hatte. Die Prinzeſſin ſagte nun, ſie wolle ſich morgen mit ihm trauen laſſen, in

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/343>, abgerufen am 24.11.2024.