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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Braut, der König aber ärgerte sich, daß ein
schlechter Bursch, den jedermann einen Dumm-
ling nannte, seine Tochter davon tragen sollte,
und machte neue Bedingungen: er müsse ihm
erst einen Mann schaffen, der einen Berg voll
Brod aufessen könnte. Der Dummling ging
wieder in den Wald, da saß auf des Baumes
Platz ein Mann, der schnürte sich den Leib mit
einem Riemen zusammen, machte ein grämli-
ches Gesicht und sagte: "ich habe einen ganzen
Backofen voll Raspelbrod gegessen, aber was
hilft das bei meinem großen Hunger, ich spür
doch nichts davon im Leib und muß mich nur
zuschnüren, wenn ich nicht Hungers sterben
soll." Wie der Dummling das hörte, war er
froh und sprach: "steig auf und geh mit mir,
du sollst dich satt essen." Er führte ihn zu
dem König, der hatte alles Mehl aus dem gan-
zen Reich zusammenfahren, und einen unge-
heuern Berg davon backen lassen, der Mann
aber aus dem Wald stellte sich davor, und in
einem Tag und einer Nacht, war der ganze
Berg verschwunden. Der Dummling forderte
wieder seine Braut, der König aber suchte noch
einmal Ausflucht, und verlangte ein Schiff, das
zu Land wie zu Wasser fahren könnte; schaffe
er aber das, dann solle er gleich die Prinzessin
haben. Der Dummling ging noch einmal in
den Wald, da saß das alte graue Männchen,

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Braut, der Koͤnig aber aͤrgerte ſich, daß ein
ſchlechter Burſch, den jedermann einen Dumm-
ling nannte, ſeine Tochter davon tragen ſollte,
und machte neue Bedingungen: er muͤſſe ihm
erſt einen Mann ſchaffen, der einen Berg voll
Brod aufeſſen koͤnnte. Der Dummling ging
wieder in den Wald, da ſaß auf des Baumes
Platz ein Mann, der ſchnuͤrte ſich den Leib mit
einem Riemen zuſammen, machte ein graͤmli-
ches Geſicht und ſagte: „ich habe einen ganzen
Backofen voll Raſpelbrod gegeſſen, aber was
hilft das bei meinem großen Hunger, ich ſpuͤr
doch nichts davon im Leib und muß mich nur
zuſchnuͤren, wenn ich nicht Hungers ſterben
ſoll.“ Wie der Dummling das hoͤrte, war er
froh und ſprach: „ſteig auf und geh mit mir,
du ſollſt dich ſatt eſſen.“ Er fuͤhrte ihn zu
dem Koͤnig, der hatte alles Mehl aus dem gan-
zen Reich zuſammenfahren, und einen unge-
heuern Berg davon backen laſſen, der Mann
aber aus dem Wald ſtellte ſich davor, und in
einem Tag und einer Nacht, war der ganze
Berg verſchwunden. Der Dummling forderte
wieder ſeine Braut, der Koͤnig aber ſuchte noch
einmal Ausflucht, und verlangte ein Schiff, das
zu Land wie zu Waſſer fahren koͤnnte; ſchaffe
er aber das, dann ſolle er gleich die Prinzeſſin
haben. Der Dummling ging noch einmal in
den Wald, da ſaß das alte graue Maͤnnchen,

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[307/0341] Braut, der Koͤnig aber aͤrgerte ſich, daß ein ſchlechter Burſch, den jedermann einen Dumm- ling nannte, ſeine Tochter davon tragen ſollte, und machte neue Bedingungen: er muͤſſe ihm erſt einen Mann ſchaffen, der einen Berg voll Brod aufeſſen koͤnnte. Der Dummling ging wieder in den Wald, da ſaß auf des Baumes Platz ein Mann, der ſchnuͤrte ſich den Leib mit einem Riemen zuſammen, machte ein graͤmli- ches Geſicht und ſagte: „ich habe einen ganzen Backofen voll Raſpelbrod gegeſſen, aber was hilft das bei meinem großen Hunger, ich ſpuͤr doch nichts davon im Leib und muß mich nur zuſchnuͤren, wenn ich nicht Hungers ſterben ſoll.“ Wie der Dummling das hoͤrte, war er froh und ſprach: „ſteig auf und geh mit mir, du ſollſt dich ſatt eſſen.“ Er fuͤhrte ihn zu dem Koͤnig, der hatte alles Mehl aus dem gan- zen Reich zuſammenfahren, und einen unge- heuern Berg davon backen laſſen, der Mann aber aus dem Wald ſtellte ſich davor, und in einem Tag und einer Nacht, war der ganze Berg verſchwunden. Der Dummling forderte wieder ſeine Braut, der Koͤnig aber ſuchte noch einmal Ausflucht, und verlangte ein Schiff, das zu Land wie zu Waſſer fahren koͤnnte; ſchaffe er aber das, dann ſolle er gleich die Prinzeſſin haben. Der Dummling ging noch einmal in den Wald, da ſaß das alte graue Maͤnnchen, U 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/341>, abgerufen am 24.11.2024.