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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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älteste räth ihr ab, was sie kann, das hilft
aber alles nichts, sie faßt die Gans an und
bleibt an der Feder hängen. Die dritte Toch-
ter, nachdem sie unten lange gewartet, ging
endlich auch hinauf, die andern rufen ihr zu,
sie sollt ums Himmels willen der Gans nicht
nahe kommen, sie hört aber gar nicht drauf,
meint, eine Feder müsse sie haben, und bleibt
auch daran hängen. Am andern Morgen nahm
der Dummling die Gans in den Arm und ging
fort, die drei Mädchen hingen fest und muß-
ten hinter ihm drein. Auf dem Feld begegnet
ihnen der Pfarrer: "pfui, ihr garstigen Mäd-
chen, was lauft ihr dem jungen Burschen so öf-
fentlich nach, schämt euch doch!" damit faßt er
eine bei der Hand, und will sie zurückziehen,
wie er sie aber angerührt bleibt er an ihr auch
hängen, und muß nun selber hinten drein lau-
fen. Nicht lang, so kommt der Küster: "ei!
Herr Pfarrer, wo hinaus so geschwind? heut
ist noch eine Kindtaufe!" er läuft auf ihn zu,
faßt ihn beim Ermel, bleibt aber auch hängen.
Wie die fünf so hintereinander her marschiren,
kommen zwei Bauern mit ihren Hacken vom
Feld, der Pfarrer ruft ihnen zu, sie sollten sie
los machen, kaum aber haben sie den Küster
nur angerührt, so bleiben sie hängen, und wa-
ren ihrer nun sieben, die dem Dummling mit
der Gans nachliefen.


Kindermärchen. U

aͤlteſte raͤth ihr ab, was ſie kann, das hilft
aber alles nichts, ſie faßt die Gans an und
bleibt an der Feder haͤngen. Die dritte Toch-
ter, nachdem ſie unten lange gewartet, ging
endlich auch hinauf, die andern rufen ihr zu,
ſie ſollt ums Himmels willen der Gans nicht
nahe kommen, ſie hoͤrt aber gar nicht drauf,
meint, eine Feder muͤſſe ſie haben, und bleibt
auch daran haͤngen. Am andern Morgen nahm
der Dummling die Gans in den Arm und ging
fort, die drei Maͤdchen hingen feſt und muß-
ten hinter ihm drein. Auf dem Feld begegnet
ihnen der Pfarrer: „pfui, ihr garſtigen Maͤd-
chen, was lauft ihr dem jungen Burſchen ſo oͤf-
fentlich nach, ſchaͤmt euch doch!“ damit faßt er
eine bei der Hand, und will ſie zuruͤckziehen,
wie er ſie aber angeruͤhrt bleibt er an ihr auch
haͤngen, und muß nun ſelber hinten drein lau-
fen. Nicht lang, ſo kommt der Kuͤſter: „ei!
Herr Pfarrer, wo hinaus ſo geſchwind? heut
iſt noch eine Kindtaufe!“ er laͤuft auf ihn zu,
faßt ihn beim Ermel, bleibt aber auch haͤngen.
Wie die fuͤnf ſo hintereinander her marſchiren,
kommen zwei Bauern mit ihren Hacken vom
Feld, der Pfarrer ruft ihnen zu, ſie ſollten ſie
los machen, kaum aber haben ſie den Kuͤſter
nur angeruͤhrt, ſo bleiben ſie haͤngen, und wa-
ren ihrer nun ſieben, die dem Dummling mit
der Gans nachliefen.


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[305/0339] aͤlteſte raͤth ihr ab, was ſie kann, das hilft aber alles nichts, ſie faßt die Gans an und bleibt an der Feder haͤngen. Die dritte Toch- ter, nachdem ſie unten lange gewartet, ging endlich auch hinauf, die andern rufen ihr zu, ſie ſollt ums Himmels willen der Gans nicht nahe kommen, ſie hoͤrt aber gar nicht drauf, meint, eine Feder muͤſſe ſie haben, und bleibt auch daran haͤngen. Am andern Morgen nahm der Dummling die Gans in den Arm und ging fort, die drei Maͤdchen hingen feſt und muß- ten hinter ihm drein. Auf dem Feld begegnet ihnen der Pfarrer: „pfui, ihr garſtigen Maͤd- chen, was lauft ihr dem jungen Burſchen ſo oͤf- fentlich nach, ſchaͤmt euch doch!“ damit faßt er eine bei der Hand, und will ſie zuruͤckziehen, wie er ſie aber angeruͤhrt bleibt er an ihr auch haͤngen, und muß nun ſelber hinten drein lau- fen. Nicht lang, ſo kommt der Kuͤſter: „ei! Herr Pfarrer, wo hinaus ſo geſchwind? heut iſt noch eine Kindtaufe!“ er laͤuft auf ihn zu, faßt ihn beim Ermel, bleibt aber auch haͤngen. Wie die fuͤnf ſo hintereinander her marſchiren, kommen zwei Bauern mit ihren Hacken vom Feld, der Pfarrer ruft ihnen zu, ſie ſollten ſie los machen, kaum aber haben ſie den Kuͤſter nur angeruͤhrt, ſo bleiben ſie haͤngen, und wa- ren ihrer nun ſieben, die dem Dummling mit der Gans nachliefen. Kindermärchen. U

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/339>, abgerufen am 24.11.2024.