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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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und schießen wollte, fing er an zu fliehen. Der
goldene Mann war hinter ihm drein, und ver-
folgte ihn über Graben und durch Gebüsche,
und ward nicht müd den ganzen Tag: da ent-
schwand ihm der Hirsch, er aber war vor einer
alten Hexe Haus. Er rief und fragte, ob sie
keinen Hirsch gesehen, sie antwortete: "ja,"
da bellte ihn aber ohne Aufhören der Hexe
kleines Hündlein an, darüber ward er bös und
wollte es erschießen, wie das die Hexe sah, ver-
wandelte sie ihn in einen Mühlenstein, und in
dem Augenblick fällt zu Haus die eine goldene
Lilie. Wie das der andere Bruder zu Haus
sah, setzte er sich auf seinen goldenen Gaul und
jagte fort und kam zu der Hexe, und drohte
ihr mit dem Tod, wenn sie seinem Bruder nicht
wieder die natürliche Gestalt gäbe. Da mußte
die Hexe gehorchen, und die zwei Brüder rit-
ten wieder heim, der eine zu seiner Braut, der
andere zu seinem Vater. Die eine Lilie aber
stand wieder auf, und wenn sie nicht umgefallen
sind, stehen sie noch alle beide.

64.
Von dem Dummling.
I.
Die weiße Taube.

Vor eines Königs Pallast stand ein präch-
tiger Birnbaum, der trug jedes Jahr die schön-

und ſchießen wollte, fing er an zu fliehen. Der
goldene Mann war hinter ihm drein, und ver-
folgte ihn uͤber Graben und durch Gebuͤſche,
und ward nicht muͤd den ganzen Tag: da ent-
ſchwand ihm der Hirſch, er aber war vor einer
alten Hexe Haus. Er rief und fragte, ob ſie
keinen Hirſch geſehen, ſie antwortete: „ja,“
da bellte ihn aber ohne Aufhoͤren der Hexe
kleines Huͤndlein an, daruͤber ward er boͤs und
wollte es erſchießen, wie das die Hexe ſah, ver-
wandelte ſie ihn in einen Muͤhlenſtein, und in
dem Augenblick faͤllt zu Haus die eine goldene
Lilie. Wie das der andere Bruder zu Haus
ſah, ſetzte er ſich auf ſeinen goldenen Gaul und
jagte fort und kam zu der Hexe, und drohte
ihr mit dem Tod, wenn ſie ſeinem Bruder nicht
wieder die natuͤrliche Geſtalt gaͤbe. Da mußte
die Hexe gehorchen, und die zwei Bruͤder rit-
ten wieder heim, der eine zu ſeiner Braut, der
andere zu ſeinem Vater. Die eine Lilie aber
ſtand wieder auf, und wenn ſie nicht umgefallen
ſind, ſtehen ſie noch alle beide.

64.
Von dem Dummling.
I.
Die weiße Taube.

Vor eines Koͤnigs Pallaſt ſtand ein praͤch-
tiger Birnbaum, der trug jedes Jahr die ſchoͤn-

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[294/0328] und ſchießen wollte, fing er an zu fliehen. Der goldene Mann war hinter ihm drein, und ver- folgte ihn uͤber Graben und durch Gebuͤſche, und ward nicht muͤd den ganzen Tag: da ent- ſchwand ihm der Hirſch, er aber war vor einer alten Hexe Haus. Er rief und fragte, ob ſie keinen Hirſch geſehen, ſie antwortete: „ja,“ da bellte ihn aber ohne Aufhoͤren der Hexe kleines Huͤndlein an, daruͤber ward er boͤs und wollte es erſchießen, wie das die Hexe ſah, ver- wandelte ſie ihn in einen Muͤhlenſtein, und in dem Augenblick faͤllt zu Haus die eine goldene Lilie. Wie das der andere Bruder zu Haus ſah, ſetzte er ſich auf ſeinen goldenen Gaul und jagte fort und kam zu der Hexe, und drohte ihr mit dem Tod, wenn ſie ſeinem Bruder nicht wieder die natuͤrliche Geſtalt gaͤbe. Da mußte die Hexe gehorchen, und die zwei Bruͤder rit- ten wieder heim, der eine zu ſeiner Braut, der andere zu ſeinem Vater. Die eine Lilie aber ſtand wieder auf, und wenn ſie nicht umgefallen ſind, ſtehen ſie noch alle beide. 64. Von dem Dummling. I. Die weiße Taube. Vor eines Koͤnigs Pallaſt ſtand ein praͤch- tiger Birnbaum, der trug jedes Jahr die ſchoͤn-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/328>, abgerufen am 18.11.2024.