warfen dem Schneider Dreck und ander schlech- tes Zeug vor seine Thür. Der aber that alles in seinen Kasten, ging damit in die Stadt in einen Gasthof, und bat den Wirth, ob er ihm nicht den Kasten, worin die größten Kostbar- keiten wären, eine Zeit lang verwahren wolle, bei ihm wären sie nicht sicher? Der Wirth sag- te recht gern, und nahm den Kasten zu sich, einige Zeit darnach kam der Schneider, forder- te ihn wieder zurück und machte ihn auf, um zu sehen, ob noch alles darin wäre. Wie er nun aber voll Dreck ist, so tobte er abscheulich, beschimpfte den Wirth und drohte ihn zu ver- klagen, so daß der Wirth, welcher Aufsehen scheute, und für seinen Credit fürchtete, ihm gern hundert Thaler gab. Die Bauern ärger- ten sich wieder, daß dem Schneider alles zum Profit ausschlug, was sie ihm Leides anthaten, nahmen den Kasten, steckten ihn mit Gewalt hinein, setzten ihn aufs Wasser, und ließen ihn fortfließen. Der Schneider schwieg eine Weile still, bis er eine Ecke fortgeflossen war, dann rief er überlaut: "nein, ich thus nicht! und ich thus nicht! und wenns die ganze Welt haben wollte." Das Geschrei hörte ein Schäfer und fragte: "was willst du denn nicht thun?" -- "Ei, sagte der Schneider, da ist ein König, der hat die närrische Grille und besteht drauf, daß, wer in diesem Kasten den Strom hinuntergeschwom-
warfen dem Schneider Dreck und ander ſchlech- tes Zeug vor ſeine Thuͤr. Der aber that alles in ſeinen Kaſten, ging damit in die Stadt in einen Gaſthof, und bat den Wirth, ob er ihm nicht den Kaſten, worin die groͤßten Koſtbar- keiten waͤren, eine Zeit lang verwahren wolle, bei ihm waͤren ſie nicht ſicher? Der Wirth ſag- te recht gern, und nahm den Kaſten zu ſich, einige Zeit darnach kam der Schneider, forder- te ihn wieder zuruͤck und machte ihn auf, um zu ſehen, ob noch alles darin waͤre. Wie er nun aber voll Dreck iſt, ſo tobte er abſcheulich, beſchimpfte den Wirth und drohte ihn zu ver- klagen, ſo daß der Wirth, welcher Aufſehen ſcheute, und fuͤr ſeinen Credit fuͤrchtete, ihm gern hundert Thaler gab. Die Bauern aͤrger- ten ſich wieder, daß dem Schneider alles zum Profit ausſchlug, was ſie ihm Leides anthaten, nahmen den Kaſten, ſteckten ihn mit Gewalt hinein, ſetzten ihn aufs Waſſer, und ließen ihn fortfließen. Der Schneider ſchwieg eine Weile ſtill, bis er eine Ecke fortgefloſſen war, dann rief er uͤberlaut: „nein, ich thus nicht! und ich thus nicht! und wenns die ganze Welt haben wollte.“ Das Geſchrei hoͤrte ein Schaͤfer und fragte: „was willſt du denn nicht thun?“ — „Ei, ſagte der Schneider, da iſt ein Koͤnig, der hat die naͤrriſche Grille und beſteht drauf, daß, wer in dieſem Kaſten den Strom hinuntergeſchwom-
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warfen dem Schneider Dreck und ander ſchlech-
tes Zeug vor ſeine Thuͤr. Der aber that alles
in ſeinen Kaſten, ging damit in die Stadt in
einen Gaſthof, und bat den Wirth, ob er ihm
nicht den Kaſten, worin die groͤßten Koſtbar-
keiten waͤren, eine Zeit lang verwahren wolle,
bei ihm waͤren ſie nicht ſicher? Der Wirth ſag-
te recht gern, und nahm den Kaſten zu ſich,
einige Zeit darnach kam der Schneider, forder-
te ihn wieder zuruͤck und machte ihn auf, um
zu ſehen, ob noch alles darin waͤre. Wie er
nun aber voll Dreck iſt, ſo tobte er abſcheulich,
beſchimpfte den Wirth und drohte ihn zu ver-
klagen, ſo daß der Wirth, welcher Aufſehen
ſcheute, und fuͤr ſeinen Credit fuͤrchtete, ihm
gern hundert Thaler gab. Die Bauern aͤrger-
ten ſich wieder, daß dem Schneider alles zum
Profit ausſchlug, was ſie ihm Leides anthaten,
nahmen den Kaſten, ſteckten ihn mit Gewalt
hinein, ſetzten ihn aufs Waſſer, und ließen ihn
fortfließen. Der Schneider ſchwieg eine Weile
ſtill, bis er eine Ecke fortgefloſſen war, dann
rief er uͤberlaut: „nein, ich thus nicht! und ich
thus nicht! und wenns die ganze Welt haben
wollte.“ Das Geſchrei hoͤrte ein Schaͤfer und
fragte: „was willſt du denn nicht thun?“ —
„Ei, ſagte der Schneider, da iſt ein Koͤnig, der
hat die naͤrriſche Grille und beſteht drauf, daß, wer
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/317>, abgerufen am 28.11.2024.
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