kehrt, geputzt, Feuer angemacht, und kam er Mittags nach Haus, war das Essen gekocht, der Tisch gedeckt und aufgetragen; er konnte aber nicht begreifen, wie das zuging, sah auch niemals einen Menschen in seinem Haus. Und ob es ihm gleich wohl gefiel, so ward ihm doch zuletzt Angst dabei, und er fragte eine weise Frau darüber, die sagte, das sey Zauberei, er solle einmal Morgens früh Acht geben, ob sich etwas in der Stube bewege, und wenn er et- was sehe ein weißes Tuch darüber werfen. Das that er, und am andern Morgen sah er, wie sich der Kasten aufthat und die Blume her- auskam, er sprang herzu und warf ein Tuch darüber, da war die Verwandlung vorbei, und das schöne Mädchen, das sein Liebster Roland vergessen hat, stand vor ihm. Der Schäfer wollte es heirathen, es sagte aber nein, es wolle ihm nur dienen und haushalten. Bald darauf hörte es, daß Roland Hochzeit halten und eine andere heirathen wolle; dabei mußte jeder im Land nach einem alten Gebrauch, sin- gen. Da kam das treue Mädchen auch hin, und wollte immer nicht singen, bis zu allerletzt, da mußte es; wie es aber anfing, da erkannte es Roland gleich, sprang auf und sagte: das sey seine rechte Braut, er wolle keine andere und vermählte sich mir ihr; da war sein Leid zu End und seine Freude ging an.
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kehrt, geputzt, Feuer angemacht, und kam er Mittags nach Haus, war das Eſſen gekocht, der Tiſch gedeckt und aufgetragen; er konnte aber nicht begreifen, wie das zuging, ſah auch niemals einen Menſchen in ſeinem Haus. Und ob es ihm gleich wohl gefiel, ſo ward ihm doch zuletzt Angſt dabei, und er fragte eine weiſe Frau daruͤber, die ſagte, das ſey Zauberei, er ſolle einmal Morgens fruͤh Acht geben, ob ſich etwas in der Stube bewege, und wenn er et- was ſehe ein weißes Tuch daruͤber werfen. Das that er, und am andern Morgen ſah er, wie ſich der Kaſten aufthat und die Blume her- auskam, er ſprang herzu und warf ein Tuch daruͤber, da war die Verwandlung vorbei, und das ſchoͤne Maͤdchen, das ſein Liebſter Roland vergeſſen hat, ſtand vor ihm. Der Schaͤfer wollte es heirathen, es ſagte aber nein, es wolle ihm nur dienen und haushalten. Bald darauf hoͤrte es, daß Roland Hochzeit halten und eine andere heirathen wolle; dabei mußte jeder im Land nach einem alten Gebrauch, ſin- gen. Da kam das treue Maͤdchen auch hin, und wollte immer nicht ſingen, bis zu allerletzt, da mußte es; wie es aber anfing, da erkannte es Roland gleich, ſprang auf und ſagte: das ſey ſeine rechte Braut, er wolle keine andere und vermaͤhlte ſich mir ihr; da war ſein Leid zu End und ſeine Freude ging an.
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kehrt, geputzt, Feuer angemacht, und kam er
Mittags nach Haus, war das Eſſen gekocht,
der Tiſch gedeckt und aufgetragen; er konnte
aber nicht begreifen, wie das zuging, ſah auch
niemals einen Menſchen in ſeinem Haus. Und
ob es ihm gleich wohl gefiel, ſo ward ihm doch
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Frau daruͤber, die ſagte, das ſey Zauberei, er
ſolle einmal Morgens fruͤh Acht geben, ob ſich
etwas in der Stube bewege, und wenn er et-
was ſehe ein weißes Tuch daruͤber werfen.
Das that er, und am andern Morgen ſah er,
wie ſich der Kaſten aufthat und die Blume her-
auskam, er ſprang herzu und warf ein Tuch
daruͤber, da war die Verwandlung vorbei, und
das ſchoͤne Maͤdchen, das ſein Liebſter Roland
vergeſſen hat, ſtand vor ihm. Der Schaͤfer
wollte es heirathen, es ſagte aber nein, es
wolle ihm nur dienen und haushalten. Bald
darauf hoͤrte es, daß Roland Hochzeit halten
und eine andere heirathen wolle; dabei mußte
jeder im Land nach einem alten Gebrauch, ſin-
gen. Da kam das treue Maͤdchen auch hin, und
wollte immer nicht ſingen, bis zu allerletzt, da
mußte es; wie es aber anfing, da erkannte es
Roland gleich, ſprang auf und ſagte: das ſey
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vermaͤhlte ſich mir ihr; da war ſein Leid zu
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/293>, abgerufen am 22.11.2024.
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