lud sie zu einer Hochzeit. Sie wollte sich aller- lei von dem Ueberfluß mitbringen und eine zeit- lang davon leben, sie that also ihr Mäntelchen um, und nahm einen Topf darunter und steckte eine große lederne Tasche an. Auf der Hoch- zeit aber war alles prächtig und vollauf, ihren Topf füllte sie mit Suppe und ihre Tasche mit Brocken. Sie wollte nun damit fortgehen, aber einer von den Gästen verlangte, sie solle mit ihm tanzen, sie sträubte sich aus allen Kräf- ten, das half aber nichts, er faßte sie an und sie mußte mit fort. Da fiel nun gleich der Topf, daß die Suppe auf die Erde floß, und die vielen Brocken sprangen aus der Tasche. Als das die Gäste sahen, entstand ein allgemei- nes Gelächter und Spotten; sie war so be- schämt, daß sie sich lieber tausend Klafter un- ter die Erde gewünscht hätte, und sprang zur Thüre und wollte entfliehen. Auf der Treppe aber holte sie ein Mann ein, und führte sie zurück, und wie sie ihn ansah, da war das der König Droßelbart, der sprach: "ich und der Bettelmann sind eins, und ich bin auch der Husar gewesen, der dir die Töpfe entzwei ge- ritten hat; und das alles ist nur dir zur Bes- serung und zur Strafe geschehen, weil du mich ehedem verspottet hast, jetzt aber soll erst unse- re Hochzeit gefeiert werden." Da kam auch ihr Vater und der ganze Hof, und sie ward
lud ſie zu einer Hochzeit. Sie wollte ſich aller- lei von dem Ueberfluß mitbringen und eine zeit- lang davon leben, ſie that alſo ihr Maͤntelchen um, und nahm einen Topf darunter und ſteckte eine große lederne Taſche an. Auf der Hoch- zeit aber war alles praͤchtig und vollauf, ihren Topf fuͤllte ſie mit Suppe und ihre Taſche mit Brocken. Sie wollte nun damit fortgehen, aber einer von den Gaͤſten verlangte, ſie ſolle mit ihm tanzen, ſie ſtraͤubte ſich aus allen Kraͤf- ten, das half aber nichts, er faßte ſie an und ſie mußte mit fort. Da fiel nun gleich der Topf, daß die Suppe auf die Erde floß, und die vielen Brocken ſprangen aus der Taſche. Als das die Gaͤſte ſahen, entſtand ein allgemei- nes Gelaͤchter und Spotten; ſie war ſo be- ſchaͤmt, daß ſie ſich lieber tauſend Klafter un- ter die Erde gewuͤnſcht haͤtte, und ſprang zur Thuͤre und wollte entfliehen. Auf der Treppe aber holte ſie ein Mann ein, und fuͤhrte ſie zuruͤck, und wie ſie ihn anſah, da war das der Koͤnig Droßelbart, der ſprach: „ich und der Bettelmann ſind eins, und ich bin auch der Huſar geweſen, der dir die Toͤpfe entzwei ge- ritten hat; und das alles iſt nur dir zur Beſ- ſerung und zur Strafe geſchehen, weil du mich ehedem verſpottet haſt, jetzt aber ſoll erſt unſe- re Hochzeit gefeiert werden.“ Da kam auch ihr Vater und der ganze Hof, und ſie ward
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lud ſie zu einer Hochzeit. Sie wollte ſich aller-
lei von dem Ueberfluß mitbringen und eine zeit-
lang davon leben, ſie that alſo ihr Maͤntelchen
um, und nahm einen Topf darunter und ſteckte
eine große lederne Taſche an. Auf der Hoch-
zeit aber war alles praͤchtig und vollauf, ihren
Topf fuͤllte ſie mit Suppe und ihre Taſche mit
Brocken. Sie wollte nun damit fortgehen,
aber einer von den Gaͤſten verlangte, ſie ſolle
mit ihm tanzen, ſie ſtraͤubte ſich aus allen Kraͤf-
ten, das half aber nichts, er faßte ſie an und
ſie mußte mit fort. Da fiel nun gleich der
Topf, daß die Suppe auf die Erde floß, und
die vielen Brocken ſprangen aus der Taſche.
Als das die Gaͤſte ſahen, entſtand ein allgemei-
nes Gelaͤchter und Spotten; ſie war ſo be-
ſchaͤmt, daß ſie ſich lieber tauſend Klafter un-
ter die Erde gewuͤnſcht haͤtte, und ſprang zur
Thuͤre und wollte entfliehen. Auf der Treppe
aber holte ſie ein Mann ein, und fuͤhrte ſie
zuruͤck, und wie ſie ihn anſah, da war das der
Koͤnig Droßelbart, der ſprach: „ich und der
Bettelmann ſind eins, und ich bin auch der
Huſar geweſen, der dir die Toͤpfe entzwei ge-
ritten hat; und das alles iſt nur dir zur Beſ-
ſerung und zur Strafe geſchehen, weil du mich
ehedem verſpottet haſt, jetzt aber ſoll erſt unſe-
re Hochzeit gefeiert werden.“ Da kam auch
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/271>, abgerufen am 22.11.2024.
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