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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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war, da sagte sie: "ei, der hat ein Kinn, wie
die Droßel einen Schnabel," und seit der Zeit
bekam er den Namen Droßelbart. Als nun
der alte König sahe, daß seine Tochter nichts
that, als über die Leute spotten, erzürnte er
so, daß er schwur, sie sollte den ersten besten
Bettler nehmen, der vor die Thür käme.

Eines Tages fing ein Spielmann an zu
singen unter ihrem Fenster, den hieß der Kö-
nig gleich hereinkommen, und so schmutzig er
war, mußte sie ihn für ihren Bräutigam aner-
kennen, ein Pfarrer wurde alsbald gerufen und
die Trauung ging vor sich. Wie die Trauung
vollzogen war, sprach der König zu seiner Toch-
ter: "es schickt sich nun nicht weiter, daß du
hier im Schloß bleibest, du kannst nur mit dei-
nem Mann fortziehen."

Da zog der Bettelmann mit der Königs-
tochter fort, unterwegs kamen sie durch einen
großen Wald, und sie fragte den Bettelmann:

"ach, wem gehört doch der schöne Wald?" --
der gehört dem König Droßelbart,
hättst du'n genommen, so wär er dein! --
"ich arme Jungfer zart,
ach hätt' ich doch genommen den König Dro-
ßelbart!"

Darauf kamen sie durch eine Wiese:
"wem gehört wohl die schöne grüne Wie-
se? --"

war, da ſagte ſie: „ei, der hat ein Kinn, wie
die Droßel einen Schnabel,“ und ſeit der Zeit
bekam er den Namen Droßelbart. Als nun
der alte Koͤnig ſahe, daß ſeine Tochter nichts
that, als uͤber die Leute ſpotten, erzuͤrnte er
ſo, daß er ſchwur, ſie ſollte den erſten beſten
Bettler nehmen, der vor die Thuͤr kaͤme.

Eines Tages fing ein Spielmann an zu
ſingen unter ihrem Fenſter, den hieß der Koͤ-
nig gleich hereinkommen, und ſo ſchmutzig er
war, mußte ſie ihn fuͤr ihren Braͤutigam aner-
kennen, ein Pfarrer wurde alsbald gerufen und
die Trauung ging vor ſich. Wie die Trauung
vollzogen war, ſprach der Koͤnig zu ſeiner Toch-
ter: „es ſchickt ſich nun nicht weiter, daß du
hier im Schloß bleibeſt, du kannſt nur mit dei-
nem Mann fortziehen.“

Da zog der Bettelmann mit der Koͤnigs-
tochter fort, unterwegs kamen ſie durch einen
großen Wald, und ſie fragte den Bettelmann:

„ach, wem gehoͤrt doch der ſchoͤne Wald?“ —
der gehoͤrt dem Koͤnig Droßelbart,
haͤttſt du'n genommen, ſo waͤr er dein! —
„ich arme Jungfer zart,
ach haͤtt' ich doch genommen den Koͤnig Dro-
ßelbart!“

Darauf kamen ſie durch eine Wieſe:
„wem gehoͤrt wohl die ſchoͤne gruͤne Wie-
ſe? —“

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[234/0268] war, da ſagte ſie: „ei, der hat ein Kinn, wie die Droßel einen Schnabel,“ und ſeit der Zeit bekam er den Namen Droßelbart. Als nun der alte Koͤnig ſahe, daß ſeine Tochter nichts that, als uͤber die Leute ſpotten, erzuͤrnte er ſo, daß er ſchwur, ſie ſollte den erſten beſten Bettler nehmen, der vor die Thuͤr kaͤme. Eines Tages fing ein Spielmann an zu ſingen unter ihrem Fenſter, den hieß der Koͤ- nig gleich hereinkommen, und ſo ſchmutzig er war, mußte ſie ihn fuͤr ihren Braͤutigam aner- kennen, ein Pfarrer wurde alsbald gerufen und die Trauung ging vor ſich. Wie die Trauung vollzogen war, ſprach der Koͤnig zu ſeiner Toch- ter: „es ſchickt ſich nun nicht weiter, daß du hier im Schloß bleibeſt, du kannſt nur mit dei- nem Mann fortziehen.“ Da zog der Bettelmann mit der Koͤnigs- tochter fort, unterwegs kamen ſie durch einen großen Wald, und ſie fragte den Bettelmann: „ach, wem gehoͤrt doch der ſchoͤne Wald?“ — der gehoͤrt dem Koͤnig Droßelbart, haͤttſt du'n genommen, ſo waͤr er dein! — „ich arme Jungfer zart, ach haͤtt' ich doch genommen den Koͤnig Dro- ßelbart!“ Darauf kamen ſie durch eine Wieſe: „wem gehoͤrt wohl die ſchoͤne gruͤne Wie- ſe? —“

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/268>, abgerufen am 25.11.2024.