Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

gesehen, als nur ein Rosenstöckchen, mit einem
Röschen oben drauf. Da schalt die alte Kö-
chin: "ihr Einfaltspinsel, ihr hättet das Ro-
senstöckchen sollen entzwei schneiden, und das
Röschen abbrechen und mit nach Haus brin-
gen, geschwind und thuts!" Sie mußten also
zum zweitenmal hinaus und suchen. Die Kin-
der sahen sie aber von weiten kommen, da
sprach Lehnchen: "Fundevogel, verläßt du mich
nicht, verlaß ich dich auch nicht!" Fundevogel
sagte: "nun und nimmermehr." -- So werde
du eine Kirche, und ich die Krone darin!"
Wie nun die drei Knechte dahin kamen, war
nichts da, als eine Kirche und eine Krone dar-
in. Sie sprachen also zu einander: was sollen
wir hier machen, laßt uns nach Hause gehen!
Wie sie nach Haus kamen, fragte die Köchin,
ob sie nichts gefunden, so sagten sie nein, sie
hätten nichts gefunden, wie eine Kirche, da wä-
re eine Krone darin gewesen. "Ihr Narren,
schalt die Köchin, warum habt ihr nicht die
Kirche zerbrochen und die Krone mit heim ge-
bracht?" Nun machte sich die alte Köchin selbst
auf die Beine, und ging mit den drei Knech-
ten den Kindern nach. Die Kinder sahen aber
die drei Knechte von weitem kommen und die
Köchin wackelte hinten nach. Da sprach Lehn-
chen: "Fundevogel, verläßt du mich nicht, so
verlaß ich dich auch nicht." Da sprach der

geſehen, als nur ein Roſenſtoͤckchen, mit einem
Roͤschen oben drauf. Da ſchalt die alte Koͤ-
chin: „ihr Einfaltspinſel, ihr haͤttet das Ro-
ſenſtoͤckchen ſollen entzwei ſchneiden, und das
Roͤschen abbrechen und mit nach Haus brin-
gen, geſchwind und thuts!“ Sie mußten alſo
zum zweitenmal hinaus und ſuchen. Die Kin-
der ſahen ſie aber von weiten kommen, da
ſprach Lehnchen: „Fundevogel, verlaͤßt du mich
nicht, verlaß ich dich auch nicht!“ Fundevogel
ſagte: „nun und nimmermehr.“ — So werde
du eine Kirche, und ich die Krone darin!“
Wie nun die drei Knechte dahin kamen, war
nichts da, als eine Kirche und eine Krone dar-
in. Sie ſprachen alſo zu einander: was ſollen
wir hier machen, laßt uns nach Hauſe gehen!
Wie ſie nach Haus kamen, fragte die Koͤchin,
ob ſie nichts gefunden, ſo ſagten ſie nein, ſie
haͤtten nichts gefunden, wie eine Kirche, da waͤ-
re eine Krone darin geweſen. „Ihr Narren,
ſchalt die Koͤchin, warum habt ihr nicht die
Kirche zerbrochen und die Krone mit heim ge-
bracht?“ Nun machte ſich die alte Koͤchin ſelbſt
auf die Beine, und ging mit den drei Knech-
ten den Kindern nach. Die Kinder ſahen aber
die drei Knechte von weitem kommen und die
Koͤchin wackelte hinten nach. Da ſprach Lehn-
chen: „Fundevogel, verlaͤßt du mich nicht, ſo
verlaß ich dich auch nicht.“ Da ſprach der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0266" n="232"/>
ge&#x017F;ehen, als nur ein Ro&#x017F;en&#x017F;to&#x0364;ckchen, mit einem<lb/>
Ro&#x0364;schen oben drauf. Da &#x017F;chalt die alte Ko&#x0364;-<lb/>
chin: &#x201E;ihr Einfaltspin&#x017F;el, ihr ha&#x0364;ttet das Ro-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;to&#x0364;ckchen &#x017F;ollen entzwei &#x017F;chneiden, und das<lb/>
Ro&#x0364;schen abbrechen und mit nach Haus brin-<lb/>
gen, ge&#x017F;chwind und thuts!&#x201C; Sie mußten al&#x017F;o<lb/>
zum zweitenmal hinaus und &#x017F;uchen. Die Kin-<lb/>
der &#x017F;ahen &#x017F;ie aber von weiten kommen, da<lb/>
&#x017F;prach Lehnchen: &#x201E;Fundevogel, verla&#x0364;ßt du mich<lb/>
nicht, verlaß ich dich auch nicht!&#x201C; Fundevogel<lb/>
&#x017F;agte: &#x201E;nun und nimmermehr.&#x201C; &#x2014; So werde<lb/>
du eine Kirche, und ich die Krone darin!&#x201C;<lb/>
Wie nun die drei Knechte dahin kamen, war<lb/>
nichts da, als eine Kirche und eine Krone dar-<lb/>
in. Sie &#x017F;prachen al&#x017F;o zu einander: was &#x017F;ollen<lb/>
wir hier machen, laßt uns nach Hau&#x017F;e gehen!<lb/>
Wie &#x017F;ie nach Haus kamen, fragte die Ko&#x0364;chin,<lb/>
ob &#x017F;ie nichts gefunden, &#x017F;o &#x017F;agten &#x017F;ie nein, &#x017F;ie<lb/>
ha&#x0364;tten nichts gefunden, wie eine Kirche, da wa&#x0364;-<lb/>
re eine Krone darin gewe&#x017F;en. &#x201E;Ihr Narren,<lb/>
&#x017F;chalt die Ko&#x0364;chin, warum habt ihr nicht die<lb/>
Kirche zerbrochen und die Krone mit heim ge-<lb/>
bracht?&#x201C; Nun machte &#x017F;ich die alte Ko&#x0364;chin &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
auf die Beine, und ging mit den drei Knech-<lb/>
ten den Kindern nach. Die Kinder &#x017F;ahen aber<lb/>
die drei Knechte von weitem kommen und die<lb/>
Ko&#x0364;chin wackelte hinten nach. Da &#x017F;prach Lehn-<lb/>
chen: &#x201E;Fundevogel, verla&#x0364;ßt du mich nicht, &#x017F;o<lb/>
verlaß ich dich auch nicht.&#x201C; Da &#x017F;prach der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0266] geſehen, als nur ein Roſenſtoͤckchen, mit einem Roͤschen oben drauf. Da ſchalt die alte Koͤ- chin: „ihr Einfaltspinſel, ihr haͤttet das Ro- ſenſtoͤckchen ſollen entzwei ſchneiden, und das Roͤschen abbrechen und mit nach Haus brin- gen, geſchwind und thuts!“ Sie mußten alſo zum zweitenmal hinaus und ſuchen. Die Kin- der ſahen ſie aber von weiten kommen, da ſprach Lehnchen: „Fundevogel, verlaͤßt du mich nicht, verlaß ich dich auch nicht!“ Fundevogel ſagte: „nun und nimmermehr.“ — So werde du eine Kirche, und ich die Krone darin!“ Wie nun die drei Knechte dahin kamen, war nichts da, als eine Kirche und eine Krone dar- in. Sie ſprachen alſo zu einander: was ſollen wir hier machen, laßt uns nach Hauſe gehen! Wie ſie nach Haus kamen, fragte die Koͤchin, ob ſie nichts gefunden, ſo ſagten ſie nein, ſie haͤtten nichts gefunden, wie eine Kirche, da waͤ- re eine Krone darin geweſen. „Ihr Narren, ſchalt die Koͤchin, warum habt ihr nicht die Kirche zerbrochen und die Krone mit heim ge- bracht?“ Nun machte ſich die alte Koͤchin ſelbſt auf die Beine, und ging mit den drei Knech- ten den Kindern nach. Die Kinder ſahen aber die drei Knechte von weitem kommen und die Koͤchin wackelte hinten nach. Da ſprach Lehn- chen: „Fundevogel, verlaͤßt du mich nicht, ſo verlaß ich dich auch nicht.“ Da ſprach der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/266
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/266>, abgerufen am 25.11.2024.