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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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hüpfte aber wieder in eine andere Ecke und
rief: "hier bin ich!" Und so hatte es sie zum
Narren und trieb es so lange, bis sie müd wa-
ren, und davon gingen. Der Daumerling warf
nun die Thaler nach und nach alle hinaus und
auf den letzten setzte er sich selber, und flog da-
mit durchs Fenster hinunter. Die Räuber lob-
ten ihn gewaltig, und hätten ihn zu ihrem
Hauptmann gemacht, wenn er gewollt hätte,
darauf theilten sie die Beute; das Schneider-
lein kann aber nicht mehr nehmen als einen
Kreuzer, weil es nicht mehr bei sich tragen
kann.

Darauf nahm es den Weg wieder zwischen
die Beine, und endlich, weils mit dem Hand-
werk schlecht ging, verdingte es sich als Haus-
knecht in einem Gasthof. Die Mägde konnten es
aber nicht leiden, weil es alles sah, was sie im
Haus heimlich hielten, ohne daß sie es merk-
ten, und sie darnach angab, und hätten ihm
gern einen Schabernack angethan. Als es daher
einmal in der Wiese spazieren ging, wo eine
mähte, mähte sie es mit dem Gras zusammen,
und warf es daheim den Kühen vor, und die
schwarze schluckte es mit hinunter. Der Dau-
merling war nun in der Kuh eingesperrt, und
hörte Abends sprechen, daß sie sollte geschlach-
tet werden. Da war sein Leben in Gefahr
und er rief: "ich bin hier?" -- "Wo bist

huͤpfte aber wieder in eine andere Ecke und
rief: „hier bin ich!“ Und ſo hatte es ſie zum
Narren und trieb es ſo lange, bis ſie muͤd wa-
ren, und davon gingen. Der Daumerling warf
nun die Thaler nach und nach alle hinaus und
auf den letzten ſetzte er ſich ſelber, und flog da-
mit durchs Fenſter hinunter. Die Raͤuber lob-
ten ihn gewaltig, und haͤtten ihn zu ihrem
Hauptmann gemacht, wenn er gewollt haͤtte,
darauf theilten ſie die Beute; das Schneider-
lein kann aber nicht mehr nehmen als einen
Kreuzer, weil es nicht mehr bei ſich tragen
kann.

Darauf nahm es den Weg wieder zwiſchen
die Beine, und endlich, weils mit dem Hand-
werk ſchlecht ging, verdingte es ſich als Haus-
knecht in einem Gaſthof. Die Maͤgde konnten es
aber nicht leiden, weil es alles ſah, was ſie im
Haus heimlich hielten, ohne daß ſie es merk-
ten, und ſie darnach angab, und haͤtten ihm
gern einen Schabernack angethan. Als es daher
einmal in der Wieſe ſpazieren ging, wo eine
maͤhte, maͤhte ſie es mit dem Gras zuſammen,
und warf es daheim den Kuͤhen vor, und die
ſchwarze ſchluckte es mit hinunter. Der Dau-
merling war nun in der Kuh eingeſperrt, und
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[198/0232] huͤpfte aber wieder in eine andere Ecke und rief: „hier bin ich!“ Und ſo hatte es ſie zum Narren und trieb es ſo lange, bis ſie muͤd wa- ren, und davon gingen. Der Daumerling warf nun die Thaler nach und nach alle hinaus und auf den letzten ſetzte er ſich ſelber, und flog da- mit durchs Fenſter hinunter. Die Raͤuber lob- ten ihn gewaltig, und haͤtten ihn zu ihrem Hauptmann gemacht, wenn er gewollt haͤtte, darauf theilten ſie die Beute; das Schneider- lein kann aber nicht mehr nehmen als einen Kreuzer, weil es nicht mehr bei ſich tragen kann. Darauf nahm es den Weg wieder zwiſchen die Beine, und endlich, weils mit dem Hand- werk ſchlecht ging, verdingte es ſich als Haus- knecht in einem Gaſthof. Die Maͤgde konnten es aber nicht leiden, weil es alles ſah, was ſie im Haus heimlich hielten, ohne daß ſie es merk- ten, und ſie darnach angab, und haͤtten ihm gern einen Schabernack angethan. Als es daher einmal in der Wieſe ſpazieren ging, wo eine maͤhte, maͤhte ſie es mit dem Gras zuſammen, und warf es daheim den Kuͤhen vor, und die ſchwarze ſchluckte es mit hinunter. Der Dau- merling war nun in der Kuh eingeſperrt, und hoͤrte Abends ſprechen, daß ſie ſollte geſchlach- tet werden. Da war ſein Leben in Gefahr und er rief: „ich bin hier?“ — „Wo biſt

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/232>, abgerufen am 25.11.2024.