um, und sah die Blutwurst oben im Bodenloch stehen mit einem langen, langen Messer, das blinkte, als wärs frisch gewetzt, damit drohte sie, und rief herab: "hätt ich dich, so wollt ich dich!"
44. Der Gevatter Tod.
Es war einmal ein armer Mann, der hatte schon zwölf Kinder, wie das dreizehnte geboren wurde, wußte er sich nicht mehr zu helfen, und lief in seiner Noth hinaus in den Wald. Da begegnete ihm der liebe Gott und sagte: "du dauerst mich, armer Mann, ich will dir dein Kind aus der Taufe heben und für es sorgen, da wird es glücklich auf Erden." Der Mann antwortete: "ich will dich nicht zum Gevatter, du giebst den Reichen und läßt die Armen hun- gern;" damit ließ er ihn stehen und ging wei- ter. Bald darauf begegnet ihm der Tod, der sprach gleichfalls zu ihm: "ich will dein Gevat- tersmann werden, und dein Kind heben; wenn es mich zum Freund hat, da kanns ihm nicht fehlen, ich will es zu einem Doctor machen." Der Mann sagte: "das bin ich zufrieden, du machst keinen Unterschied und holst den Reichen wie den Armen; morgen ist Sonntag, da wird
Kindermärchen. N
um, und ſah die Blutwurſt oben im Bodenloch ſtehen mit einem langen, langen Meſſer, das blinkte, als waͤrs friſch gewetzt, damit drohte ſie, und rief herab: „haͤtt ich dich, ſo wollt ich dich!“
44. Der Gevatter Tod.
Es war einmal ein armer Mann, der hatte ſchon zwoͤlf Kinder, wie das dreizehnte geboren wurde, wußte er ſich nicht mehr zu helfen, und lief in ſeiner Noth hinaus in den Wald. Da begegnete ihm der liebe Gott und ſagte: „du dauerſt mich, armer Mann, ich will dir dein Kind aus der Taufe heben und fuͤr es ſorgen, da wird es gluͤcklich auf Erden.“ Der Mann antwortete: „ich will dich nicht zum Gevatter, du giebſt den Reichen und laͤßt die Armen hun- gern;“ damit ließ er ihn ſtehen und ging wei- ter. Bald darauf begegnet ihm der Tod, der ſprach gleichfalls zu ihm: „ich will dein Gevat- tersmann werden, und dein Kind heben; wenn es mich zum Freund hat, da kanns ihm nicht fehlen, ich will es zu einem Doctor machen.“ Der Mann ſagte: „das bin ich zufrieden, du machſt keinen Unterſchied und holſt den Reichen wie den Armen; morgen iſt Sonntag, da wird
Kindermärchen. N
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um, und ſah die Blutwurſt oben im Bodenloch
ſtehen mit einem langen, langen Meſſer, das
blinkte, als waͤrs friſch gewetzt, damit drohte
ſie, und rief herab:
„haͤtt ich dich, ſo wollt ich dich!“
44.
Der Gevatter Tod.
Es war einmal ein armer Mann, der hatte
ſchon zwoͤlf Kinder, wie das dreizehnte geboren
wurde, wußte er ſich nicht mehr zu helfen, und
lief in ſeiner Noth hinaus in den Wald. Da
begegnete ihm der liebe Gott und ſagte: „du
dauerſt mich, armer Mann, ich will dir dein
Kind aus der Taufe heben und fuͤr es ſorgen,
da wird es gluͤcklich auf Erden.“ Der Mann
antwortete: „ich will dich nicht zum Gevatter,
du giebſt den Reichen und laͤßt die Armen hun-
gern;“ damit ließ er ihn ſtehen und ging wei-
ter. Bald darauf begegnet ihm der Tod, der
ſprach gleichfalls zu ihm: „ich will dein Gevat-
tersmann werden, und dein Kind heben; wenn
es mich zum Freund hat, da kanns ihm nicht
fehlen, ich will es zu einem Doctor machen.“
Der Mann ſagte: „das bin ich zufrieden, du
machſt keinen Unterſchied und holſt den Reichen
wie den Armen; morgen iſt Sonntag, da wird
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/227>, abgerufen am 18.11.2024.
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