Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Dazumal regierte ein König in dem Land,
der aß die Rebhühner so gern: es war aber
eine Noth, daß keine zu kriegen waren. Der
ganze Wald war voll, aber sie waren so scheu,
daß kein Jäger sie erreichen konnte. Das wuß-
te der Kater und gedacht seine Sache besser zu
machen; als er in den Wald kam, thät er den
Sack auf, breitete das Korn auseinander, die
Schnur aber legte er ins Gras und leitete sie
hinter eine Hecke. Da versteckte er sich selber,
schlich herum und lauerte. Die Rebhühner ka-
men bald gelaufen, fanden das Korn und eins
nach dem andern hüpfte in den Sack hinein.
Als eine gute Anzahl darin war, zog der Ka-
ter den Strick zu, lief herzu und drehte ihnen
den Hals um; dann warf er den Sack auf
den Rücken und ging geradeswegs nach des
Königs Schloß. Die Wache rief: "halt! wo-
hin." -- "Zu dem König," antwortete der
Kater kurzweg. -- "Bist du toll, ein Kater
zum König?" -- "Laß ihn nur gehen, sagte
ein anderer, der König hat doch oft lange Weil,
vielleicht macht ihm der Kater mit seinem
Brummen und Spinnen Vergnügen." Als
der Kater vor den König kam, machte er einen
Reverenz und sagte: "mein Herr, der Graf,
dabei nannte er einen langen und vornehmen
Namen, läßt sich dem Herrn König empfehlen
und schickt ihm hier Rebhühner, die er eben in

Dazumal regierte ein Koͤnig in dem Land,
der aß die Rebhuͤhner ſo gern: es war aber
eine Noth, daß keine zu kriegen waren. Der
ganze Wald war voll, aber ſie waren ſo ſcheu,
daß kein Jaͤger ſie erreichen konnte. Das wuß-
te der Kater und gedacht ſeine Sache beſſer zu
machen; als er in den Wald kam, thaͤt er den
Sack auf, breitete das Korn auseinander, die
Schnur aber legte er ins Gras und leitete ſie
hinter eine Hecke. Da verſteckte er ſich ſelber,
ſchlich herum und lauerte. Die Rebhuͤhner ka-
men bald gelaufen, fanden das Korn und eins
nach dem andern huͤpfte in den Sack hinein.
Als eine gute Anzahl darin war, zog der Ka-
ter den Strick zu, lief herzu und drehte ihnen
den Hals um; dann warf er den Sack auf
den Ruͤcken und ging geradeswegs nach des
Koͤnigs Schloß. Die Wache rief: „halt! wo-
hin.“ — „Zu dem Koͤnig,“ antwortete der
Kater kurzweg. — „Biſt du toll, ein Kater
zum Koͤnig?“ — „Laß ihn nur gehen, ſagte
ein anderer, der Koͤnig hat doch oft lange Weil,
vielleicht macht ihm der Kater mit ſeinem
Brummen und Spinnen Vergnuͤgen.“ Als
der Kater vor den Koͤnig kam, machte er einen
Reverenz und ſagte: „mein Herr, der Graf,
dabei nannte er einen langen und vornehmen
Namen, laͤßt ſich dem Herrn Koͤnig empfehlen
und ſchickt ihm hier Rebhuͤhner, die er eben in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0183" n="149"/>
        <p>Dazumal regierte ein Ko&#x0364;nig in dem Land,<lb/>
der aß die Rebhu&#x0364;hner &#x017F;o gern: es war aber<lb/>
eine Noth, daß keine zu kriegen waren. Der<lb/>
ganze Wald war voll, aber &#x017F;ie waren &#x017F;o &#x017F;cheu,<lb/>
daß kein Ja&#x0364;ger &#x017F;ie erreichen konnte. Das wuß-<lb/>
te der Kater und gedacht &#x017F;eine Sache be&#x017F;&#x017F;er zu<lb/>
machen; als er in den Wald kam, tha&#x0364;t er den<lb/>
Sack auf, breitete das Korn auseinander, die<lb/>
Schnur aber legte er ins Gras und leitete &#x017F;ie<lb/>
hinter eine Hecke. Da ver&#x017F;teckte er &#x017F;ich &#x017F;elber,<lb/>
&#x017F;chlich herum und lauerte. Die Rebhu&#x0364;hner ka-<lb/>
men bald gelaufen, fanden das Korn und eins<lb/>
nach dem andern hu&#x0364;pfte in den Sack hinein.<lb/>
Als eine gute Anzahl darin war, zog der Ka-<lb/>
ter den Strick zu, lief herzu und drehte ihnen<lb/>
den Hals um; dann warf er den Sack auf<lb/>
den Ru&#x0364;cken und ging geradeswegs nach des<lb/>
Ko&#x0364;nigs Schloß. Die Wache rief: &#x201E;halt! wo-<lb/>
hin.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Zu dem Ko&#x0364;nig,&#x201C; antwortete der<lb/>
Kater kurzweg. &#x2014; &#x201E;Bi&#x017F;t du toll, ein Kater<lb/>
zum Ko&#x0364;nig?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Laß ihn nur gehen, &#x017F;agte<lb/>
ein anderer, der Ko&#x0364;nig hat doch oft lange Weil,<lb/>
vielleicht macht ihm der Kater mit &#x017F;einem<lb/>
Brummen und Spinnen Vergnu&#x0364;gen.&#x201C; Als<lb/>
der Kater vor den Ko&#x0364;nig kam, machte er einen<lb/>
Reverenz und &#x017F;agte: &#x201E;mein Herr, der Graf,<lb/>
dabei nannte er einen langen und vornehmen<lb/>
Namen, la&#x0364;ßt &#x017F;ich dem Herrn Ko&#x0364;nig empfehlen<lb/>
und &#x017F;chickt ihm hier Rebhu&#x0364;hner, die er eben in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0183] Dazumal regierte ein Koͤnig in dem Land, der aß die Rebhuͤhner ſo gern: es war aber eine Noth, daß keine zu kriegen waren. Der ganze Wald war voll, aber ſie waren ſo ſcheu, daß kein Jaͤger ſie erreichen konnte. Das wuß- te der Kater und gedacht ſeine Sache beſſer zu machen; als er in den Wald kam, thaͤt er den Sack auf, breitete das Korn auseinander, die Schnur aber legte er ins Gras und leitete ſie hinter eine Hecke. Da verſteckte er ſich ſelber, ſchlich herum und lauerte. Die Rebhuͤhner ka- men bald gelaufen, fanden das Korn und eins nach dem andern huͤpfte in den Sack hinein. Als eine gute Anzahl darin war, zog der Ka- ter den Strick zu, lief herzu und drehte ihnen den Hals um; dann warf er den Sack auf den Ruͤcken und ging geradeswegs nach des Koͤnigs Schloß. Die Wache rief: „halt! wo- hin.“ — „Zu dem Koͤnig,“ antwortete der Kater kurzweg. — „Biſt du toll, ein Kater zum Koͤnig?“ — „Laß ihn nur gehen, ſagte ein anderer, der Koͤnig hat doch oft lange Weil, vielleicht macht ihm der Kater mit ſeinem Brummen und Spinnen Vergnuͤgen.“ Als der Kater vor den Koͤnig kam, machte er einen Reverenz und ſagte: „mein Herr, der Graf, dabei nannte er einen langen und vornehmen Namen, laͤßt ſich dem Herrn Koͤnig empfehlen und ſchickt ihm hier Rebhuͤhner, die er eben in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/183
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/183>, abgerufen am 25.11.2024.