Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

setzlich in den Haaren!" -- "Ach! lieber
Mann, ich stand vor einem großen Marktbrun-
nen, die Leute jammerten weil kein Wasser
darin war, und fragten mich, ob ich keine Hül-
fe wisse, da guckte ich hinein, er war so tief,
daß mir schwindlicht wurde, ich wollte mich hal-
ten und da bin ich dir in die Haare gerathen."
-- "Du hättest nur sagen sollen, sie müßten
den weißen Stein herausholen, der unten liegt,
aber laß mich mit deinen Träumen in Ruh."
Er legte sich wieder und schnarchte bald so ab-
scheulich wie vorher. Die Frau gedacht: du
mußt es noch einmal wagen, und riß auch das
dritte Goldhaar heraus und warfs hinunter.
Der Teufel fuhr in die Höh und wollte übel
wirthschaften, die Frau aber besänftigte ihn,
küßte ihn und sagte: "das sind böse Träume!
Ein Mann zeigte mir einen Feigenbaum, der
verdorren wollte und klagte, daß er keine Früch-
te trage, da wollte ich an dem Baum schütteln,
ob wohl noch etwas herabfalle, und da habe
ich deine Haare geschüttelt." -- "Das wäre
auch umsonst gewesen, an der Wurzel nagt ei-
ne Maus, wenn die nicht getödtet wird, so ist
der Baum verloren, ist die erst todt, dann wird
er schon wieder frisch werden, und Früchte tra-
gen; aber plag mich nicht mehr mit deinen
Träumen, ich will schlafen, und wenn du mich
noch einmal aufweckst, so kriegst du eine Ohr-

ſetzlich in den Haaren!“ — „Ach! lieber
Mann, ich ſtand vor einem großen Marktbrun-
nen, die Leute jammerten weil kein Waſſer
darin war, und fragten mich, ob ich keine Huͤl-
fe wiſſe, da guckte ich hinein, er war ſo tief,
daß mir ſchwindlicht wurde, ich wollte mich hal-
ten und da bin ich dir in die Haare gerathen.“
— „Du haͤtteſt nur ſagen ſollen, ſie muͤßten
den weißen Stein herausholen, der unten liegt,
aber laß mich mit deinen Traͤumen in Ruh.“
Er legte ſich wieder und ſchnarchte bald ſo ab-
ſcheulich wie vorher. Die Frau gedacht: du
mußt es noch einmal wagen, und riß auch das
dritte Goldhaar heraus und warfs hinunter.
Der Teufel fuhr in die Hoͤh und wollte uͤbel
wirthſchaften, die Frau aber beſaͤnftigte ihn,
kuͤßte ihn und ſagte: „das ſind boͤſe Traͤume!
Ein Mann zeigte mir einen Feigenbaum, der
verdorren wollte und klagte, daß er keine Fruͤch-
te trage, da wollte ich an dem Baum ſchuͤtteln,
ob wohl noch etwas herabfalle, und da habe
ich deine Haare geſchuͤttelt.“ — „Das waͤre
auch umſonſt geweſen, an der Wurzel nagt ei-
ne Maus, wenn die nicht getoͤdtet wird, ſo iſt
der Baum verloren, iſt die erſt todt, dann wird
er ſchon wieder friſch werden, und Fruͤchte tra-
gen; aber plag mich nicht mehr mit deinen
Traͤumen, ich will ſchlafen, und wenn du mich
noch einmal aufweckſt, ſo kriegſt du eine Ohr-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0160" n="126"/>
&#x017F;etzlich in den Haaren!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ach! lieber<lb/>
Mann, ich &#x017F;tand vor einem großen Marktbrun-<lb/>
nen, die Leute jammerten weil kein Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
darin war, und fragten mich, ob ich keine Hu&#x0364;l-<lb/>
fe wi&#x017F;&#x017F;e, da guckte ich hinein, er war &#x017F;o tief,<lb/>
daß mir &#x017F;chwindlicht wurde, ich wollte mich hal-<lb/>
ten und da bin ich dir in die Haare gerathen.&#x201C;<lb/>
&#x2014; &#x201E;Du ha&#x0364;tte&#x017F;t nur &#x017F;agen &#x017F;ollen, &#x017F;ie mu&#x0364;ßten<lb/>
den weißen Stein herausholen, der unten liegt,<lb/>
aber laß mich mit deinen Tra&#x0364;umen in Ruh.&#x201C;<lb/>
Er legte &#x017F;ich wieder und &#x017F;chnarchte bald &#x017F;o ab-<lb/>
&#x017F;cheulich wie vorher. Die Frau gedacht: du<lb/>
mußt es noch einmal wagen, und riß auch das<lb/>
dritte Goldhaar heraus und warfs hinunter.<lb/>
Der Teufel fuhr in die Ho&#x0364;h und wollte u&#x0364;bel<lb/>
wirth&#x017F;chaften, die Frau aber be&#x017F;a&#x0364;nftigte ihn,<lb/>
ku&#x0364;ßte ihn und &#x017F;agte: &#x201E;das &#x017F;ind bo&#x0364;&#x017F;e Tra&#x0364;ume!<lb/>
Ein Mann zeigte mir einen Feigenbaum, der<lb/>
verdorren wollte und klagte, daß er keine Fru&#x0364;ch-<lb/>
te trage, da wollte ich an dem Baum &#x017F;chu&#x0364;tteln,<lb/>
ob wohl noch etwas herabfalle, und da habe<lb/>
ich deine Haare ge&#x017F;chu&#x0364;ttelt.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Das wa&#x0364;re<lb/>
auch um&#x017F;on&#x017F;t gewe&#x017F;en, an der Wurzel nagt ei-<lb/>
ne Maus, wenn die nicht geto&#x0364;dtet wird, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
der Baum verloren, i&#x017F;t die er&#x017F;t todt, dann wird<lb/>
er &#x017F;chon wieder fri&#x017F;ch werden, und Fru&#x0364;chte tra-<lb/>
gen; aber plag mich nicht mehr mit deinen<lb/>
Tra&#x0364;umen, ich will &#x017F;chlafen, und wenn du mich<lb/>
noch einmal aufweck&#x017F;t, &#x017F;o krieg&#x017F;t du eine Ohr-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0160] ſetzlich in den Haaren!“ — „Ach! lieber Mann, ich ſtand vor einem großen Marktbrun- nen, die Leute jammerten weil kein Waſſer darin war, und fragten mich, ob ich keine Huͤl- fe wiſſe, da guckte ich hinein, er war ſo tief, daß mir ſchwindlicht wurde, ich wollte mich hal- ten und da bin ich dir in die Haare gerathen.“ — „Du haͤtteſt nur ſagen ſollen, ſie muͤßten den weißen Stein herausholen, der unten liegt, aber laß mich mit deinen Traͤumen in Ruh.“ Er legte ſich wieder und ſchnarchte bald ſo ab- ſcheulich wie vorher. Die Frau gedacht: du mußt es noch einmal wagen, und riß auch das dritte Goldhaar heraus und warfs hinunter. Der Teufel fuhr in die Hoͤh und wollte uͤbel wirthſchaften, die Frau aber beſaͤnftigte ihn, kuͤßte ihn und ſagte: „das ſind boͤſe Traͤume! Ein Mann zeigte mir einen Feigenbaum, der verdorren wollte und klagte, daß er keine Fruͤch- te trage, da wollte ich an dem Baum ſchuͤtteln, ob wohl noch etwas herabfalle, und da habe ich deine Haare geſchuͤttelt.“ — „Das waͤre auch umſonſt geweſen, an der Wurzel nagt ei- ne Maus, wenn die nicht getoͤdtet wird, ſo iſt der Baum verloren, iſt die erſt todt, dann wird er ſchon wieder friſch werden, und Fruͤchte tra- gen; aber plag mich nicht mehr mit deinen Traͤumen, ich will ſchlafen, und wenn du mich noch einmal aufweckſt, ſo kriegſt du eine Ohr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/160
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/160>, abgerufen am 22.11.2024.