Würste gekocht, da trag das Wasser, worin sie gekocht sind, in den Trog." Rothkäppchen trug so lange bis der große, große Trog ganz voll war. Da stieg der Geruch von den Wür- sten dem Wolf in die Nase, er schnupperte und guckte hinab, endlich machte er den Hals so lang, daß er sich nicht mehr halten konnte, er fing an zu rutschen, und rutschte vom Dach herab und gerade in den großen Trog hinein und ertrank. Rothkäppchen aber ging fröhlich und sicher nach Haus.
27. Der Tod und der Gänshirt.
Es ging ein armer Hirt an dem Ufer ei- nes großen und ungestümen Wassers, hütend einen Haufen weißer Gänse. Zu diesem kam der Tod über Wasser, und wurde von dem Hir- ten gefragt, wo er herkomme, und wo er hin wolle? Der Tod antwortete, daß er aus dem Wasser komme und aus der Welt wolle. Der arme Gänshirt fragte ferners: wie man doch aus der Welt kommen könne? Der Tod sagte, daß man über das Wasser in die neue Welt müsse, welche jenseits gelegen. Der Hirt sag- te, daß er dieses Lebens müde, und bate den Tod, er sollte ihn mit über nehmen. Der Tod sagte, daß es noch nicht Zeit, und hätte er jetzt
Wuͤrſte gekocht, da trag das Waſſer, worin ſie gekocht ſind, in den Trog.“ Rothkaͤppchen trug ſo lange bis der große, große Trog ganz voll war. Da ſtieg der Geruch von den Wuͤr- ſten dem Wolf in die Naſe, er ſchnupperte und guckte hinab, endlich machte er den Hals ſo lang, daß er ſich nicht mehr halten konnte, er fing an zu rutſchen, und rutſchte vom Dach herab und gerade in den großen Trog hinein und ertrank. Rothkaͤppchen aber ging froͤhlich und ſicher nach Haus.
27. Der Tod und der Gaͤnshirt.
Es ging ein armer Hirt an dem Ufer ei- nes großen und ungeſtuͤmen Waſſers, huͤtend einen Haufen weißer Gaͤnſe. Zu dieſem kam der Tod uͤber Waſſer, und wurde von dem Hir- ten gefragt, wo er herkomme, und wo er hin wolle? Der Tod antwortete, daß er aus dem Waſſer komme und aus der Welt wolle. Der arme Gaͤnshirt fragte ferners: wie man doch aus der Welt kommen koͤnne? Der Tod ſagte, daß man uͤber das Waſſer in die neue Welt muͤſſe, welche jenſeits gelegen. Der Hirt ſag- te, daß er dieſes Lebens muͤde, und bate den Tod, er ſollte ihn mit uͤber nehmen. Der Tod ſagte, daß es noch nicht Zeit, und haͤtte er jetzt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0152"n="118"/>
Wuͤrſte gekocht, da trag das Waſſer, worin ſie<lb/>
gekocht ſind, in den Trog.“ Rothkaͤppchen<lb/>
trug ſo lange bis der große, große Trog ganz<lb/>
voll war. Da ſtieg der Geruch von den Wuͤr-<lb/>ſten dem Wolf in die Naſe, er ſchnupperte und<lb/>
guckte hinab, endlich machte er den Hals ſo<lb/>
lang, daß er ſich nicht mehr halten konnte, er<lb/>
fing an zu rutſchen, und rutſchte vom Dach<lb/>
herab und gerade in den großen Trog hinein<lb/>
und ertrank. Rothkaͤppchen aber ging froͤhlich<lb/>
und ſicher nach Haus.</p></div><lb/><divn="1"><head>27.<lb/><hirendition="#g">Der Tod und der Gaͤnshirt</hi>.</head><lb/><p>Es ging ein armer Hirt an dem Ufer ei-<lb/>
nes großen und ungeſtuͤmen Waſſers, huͤtend<lb/>
einen Haufen weißer Gaͤnſe. Zu dieſem kam<lb/>
der Tod uͤber Waſſer, und wurde von dem Hir-<lb/>
ten gefragt, wo er herkomme, und wo er hin<lb/>
wolle? Der Tod antwortete, daß er aus dem<lb/>
Waſſer komme und aus der Welt wolle. Der<lb/>
arme Gaͤnshirt fragte ferners: wie man doch<lb/>
aus der Welt kommen koͤnne? Der Tod ſagte,<lb/>
daß man uͤber das Waſſer in die neue Welt<lb/>
muͤſſe, welche jenſeits gelegen. Der Hirt ſag-<lb/>
te, daß er dieſes Lebens muͤde, und bate den<lb/>
Tod, er ſollte ihn mit uͤber nehmen. Der Tod<lb/>ſagte, daß es noch nicht Zeit, und haͤtte er jetzt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[118/0152]
Wuͤrſte gekocht, da trag das Waſſer, worin ſie
gekocht ſind, in den Trog.“ Rothkaͤppchen
trug ſo lange bis der große, große Trog ganz
voll war. Da ſtieg der Geruch von den Wuͤr-
ſten dem Wolf in die Naſe, er ſchnupperte und
guckte hinab, endlich machte er den Hals ſo
lang, daß er ſich nicht mehr halten konnte, er
fing an zu rutſchen, und rutſchte vom Dach
herab und gerade in den großen Trog hinein
und ertrank. Rothkaͤppchen aber ging froͤhlich
und ſicher nach Haus.
27.
Der Tod und der Gaͤnshirt.
Es ging ein armer Hirt an dem Ufer ei-
nes großen und ungeſtuͤmen Waſſers, huͤtend
einen Haufen weißer Gaͤnſe. Zu dieſem kam
der Tod uͤber Waſſer, und wurde von dem Hir-
ten gefragt, wo er herkomme, und wo er hin
wolle? Der Tod antwortete, daß er aus dem
Waſſer komme und aus der Welt wolle. Der
arme Gaͤnshirt fragte ferners: wie man doch
aus der Welt kommen koͤnne? Der Tod ſagte,
daß man uͤber das Waſſer in die neue Welt
muͤſſe, welche jenſeits gelegen. Der Hirt ſag-
te, daß er dieſes Lebens muͤde, und bate den
Tod, er ſollte ihn mit uͤber nehmen. Der Tod
ſagte, daß es noch nicht Zeit, und haͤtte er jetzt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/152>, abgerufen am 18.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.