"Bäumlein rüttel dich und schüttel dich! nimm die Kleider wieder für dich!"
Da nahm der Baum die Kleider wieder, und Aschenputtel hatte sein altes Aschenkleid an, damit ging es zurück, machte sich das Gesicht staubig und legte sich in die Asche schlafen.
Am Morgen darauf kamen die Schwe- stern, sahen verdrießlich aus und schwiegen still. Aschenputtel sagte: "ihr habt wohl gestern Abend viel Freude gehabt" -- "Nein, es war eine Prinzessin da, mit der hat der Prinz fast immer getanzt, es hat sie aber niemand ge- kannt und niemand gewußt, woher sie gekom- men ist. -- "Ist es vielleicht die gewesen, die in den prächtigen Wagen mit den sechs Rap- pen gefahren ist?" sagte Aschenputtel. -- "Wo- her weißt du das?" -- Ich stand in der Haus- thüre, da sah ich sie vorbeifahren." -- "In Zukunft bleib bei deiner Arbeit, sagte die älte- ste und sah Aschenputtel böse an, was brauchst du in der Hausthüre zu stehen."
Aschenputtel mußte zum drittenmal die zwei Schwestern putzen, und zum Lohn gaben sie ihm eine Schüssel mit Erbsen, die sollte sie rein lesen; "und daß du dich nicht unterstehst von der Arbeit wegzugehen, rief die älteste noch nach. Aschenputtel gedachte: wenn nur meine Tauben nicht ausbleiben, und das Herz schlug ihm ein wenig. Die Tauben aber ka-
„Baͤumlein ruͤttel dich und ſchuͤttel dich! nimm die Kleider wieder fuͤr dich!“
Da nahm der Baum die Kleider wieder, und Aſchenputtel hatte ſein altes Aſchenkleid an, damit ging es zuruͤck, machte ſich das Geſicht ſtaubig und legte ſich in die Aſche ſchlafen.
Am Morgen darauf kamen die Schwe- ſtern, ſahen verdrießlich aus und ſchwiegen ſtill. Aſchenputtel ſagte: „ihr habt wohl geſtern Abend viel Freude gehabt“ — „Nein, es war eine Prinzeſſin da, mit der hat der Prinz faſt immer getanzt, es hat ſie aber niemand ge- kannt und niemand gewußt, woher ſie gekom- men iſt. — „Iſt es vielleicht die geweſen, die in den praͤchtigen Wagen mit den ſechs Rap- pen gefahren iſt?“ ſagte Aſchenputtel. — „Wo- her weißt du das?“ — Ich ſtand in der Haus- thuͤre, da ſah ich ſie vorbeifahren.“ — „In Zukunft bleib bei deiner Arbeit, ſagte die aͤlte- ſte und ſah Aſchenputtel boͤſe an, was brauchſt du in der Hausthuͤre zu ſtehen.“
Aſchenputtel mußte zum drittenmal die zwei Schweſtern putzen, und zum Lohn gaben ſie ihm eine Schuͤſſel mit Erbſen, die ſollte ſie rein leſen; „und daß du dich nicht unterſtehſt von der Arbeit wegzugehen, rief die aͤlteſte noch nach. Aſchenputtel gedachte: wenn nur meine Tauben nicht ausbleiben, und das Herz ſchlug ihm ein wenig. Die Tauben aber ka-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0129"n="95"/><lgtype="poem"><l>„Baͤumlein ruͤttel dich und ſchuͤttel dich!</l><lb/><l>nimm die Kleider wieder fuͤr dich!“</l></lg><lb/>
Da nahm der Baum die Kleider wieder, und<lb/>
Aſchenputtel hatte ſein altes Aſchenkleid an,<lb/>
damit ging es zuruͤck, machte ſich das Geſicht<lb/>ſtaubig und legte ſich in die Aſche ſchlafen.</p><lb/><p>Am Morgen darauf kamen die Schwe-<lb/>ſtern, ſahen verdrießlich aus und ſchwiegen ſtill.<lb/>
Aſchenputtel ſagte: „ihr habt wohl geſtern<lb/>
Abend viel Freude gehabt“—„Nein, es war<lb/>
eine Prinzeſſin da, mit der hat der Prinz faſt<lb/>
immer getanzt, es hat ſie aber niemand ge-<lb/>
kannt und niemand gewußt, woher ſie gekom-<lb/>
men iſt. —„Iſt es vielleicht die geweſen, die<lb/>
in den praͤchtigen Wagen mit den ſechs Rap-<lb/>
pen gefahren iſt?“ſagte Aſchenputtel. —„Wo-<lb/>
her weißt du das?“— Ich ſtand in der Haus-<lb/>
thuͤre, da ſah ich ſie vorbeifahren.“—„In<lb/>
Zukunft bleib bei deiner Arbeit, ſagte die aͤlte-<lb/>ſte und ſah Aſchenputtel boͤſe an, was brauchſt<lb/>
du in der Hausthuͤre zu ſtehen.“</p><lb/><p>Aſchenputtel mußte zum drittenmal die<lb/>
zwei Schweſtern putzen, und zum Lohn gaben<lb/>ſie ihm eine Schuͤſſel mit Erbſen, die ſollte ſie<lb/>
rein leſen; „und daß du dich nicht unterſtehſt<lb/>
von der Arbeit wegzugehen, rief die aͤlteſte<lb/>
noch nach. Aſchenputtel gedachte: wenn nur<lb/>
meine Tauben nicht ausbleiben, und das Herz<lb/>ſchlug ihm ein wenig. Die Tauben aber ka-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[95/0129]
„Baͤumlein ruͤttel dich und ſchuͤttel dich!
nimm die Kleider wieder fuͤr dich!“
Da nahm der Baum die Kleider wieder, und
Aſchenputtel hatte ſein altes Aſchenkleid an,
damit ging es zuruͤck, machte ſich das Geſicht
ſtaubig und legte ſich in die Aſche ſchlafen.
Am Morgen darauf kamen die Schwe-
ſtern, ſahen verdrießlich aus und ſchwiegen ſtill.
Aſchenputtel ſagte: „ihr habt wohl geſtern
Abend viel Freude gehabt“ — „Nein, es war
eine Prinzeſſin da, mit der hat der Prinz faſt
immer getanzt, es hat ſie aber niemand ge-
kannt und niemand gewußt, woher ſie gekom-
men iſt. — „Iſt es vielleicht die geweſen, die
in den praͤchtigen Wagen mit den ſechs Rap-
pen gefahren iſt?“ ſagte Aſchenputtel. — „Wo-
her weißt du das?“ — Ich ſtand in der Haus-
thuͤre, da ſah ich ſie vorbeifahren.“ — „In
Zukunft bleib bei deiner Arbeit, ſagte die aͤlte-
ſte und ſah Aſchenputtel boͤſe an, was brauchſt
du in der Hausthuͤre zu ſtehen.“
Aſchenputtel mußte zum drittenmal die
zwei Schweſtern putzen, und zum Lohn gaben
ſie ihm eine Schuͤſſel mit Erbſen, die ſollte ſie
rein leſen; „und daß du dich nicht unterſtehſt
von der Arbeit wegzugehen, rief die aͤlteſte
noch nach. Aſchenputtel gedachte: wenn nur
meine Tauben nicht ausbleiben, und das Herz
ſchlug ihm ein wenig. Die Tauben aber ka-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/129>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.