auch bat, er sollt' sie des Mannes abhelfen, dann sie wohl merke, daß er ein Schneider wäre. Solche Red dem König sein Herz durchschnit- ten, daß er seine einzige Tochter einem Schnei- der gegeben hätte: doch tröstete er sie aufs beste und sagte, sie sollt die zukünftig Nacht die Kam- mer öffnen, so wollt' er etliche Diener vor die Kammer stellen, und wann er mehr also sagt, müßten sie hineingehen: solches der Frauen Ge- fallen war. Nun hätt der König am Hof einen Waffenträger, der dem Schneider hold war und des Königs Red zu der Frauen gehört hatte, sich schnell zum jungen König fügte, und ihm das schwere Urtheil, so über ihn gegangen, er- öffnete mit Bitten, er wolle sich so best er mögt, verwahren. Der Schneider sagt ihm seines War- nens großen Dank: er wüßte dieser Sachen wohl zu thun. Wie nun die Nacht kommen war, der Schneider sich mit der jungen Königin legte nicht anders thäte, als ob er schlief, die Frau aber stund heimlich auf, öffnete die Kammer und legte sich wieder zu Bett. Der Schneider, der solches al- les gehört, fing an zu reden, gleich als im Schlaf mit heller Stimm, daß die vor der Kammer wohl hören mögten: "Knecht, mach mir die Hosen, bletz mir das Wammes, oder ich will dir das Ehlmaß über die Ohren schlagen, ich hab sieben auf ein Streich zu todt geschlagen, ich hab ein Einhorn sammt einer wilden Sau gefangen, sollt'
auch bat, er ſollt' ſie des Mannes abhelfen, dann ſie wohl merke, daß er ein Schneider waͤre. Solche Red dem Koͤnig ſein Herz durchſchnit- ten, daß er ſeine einzige Tochter einem Schnei- der gegeben haͤtte: doch troͤſtete er ſie aufs beſte und ſagte, ſie ſollt die zukuͤnftig Nacht die Kam- mer oͤffnen, ſo wollt' er etliche Diener vor die Kammer ſtellen, und wann er mehr alſo ſagt, muͤßten ſie hineingehen: ſolches der Frauen Ge- fallen war. Nun haͤtt der Koͤnig am Hof einen Waffentraͤger, der dem Schneider hold war und des Koͤnigs Red zu der Frauen gehoͤrt hatte, ſich ſchnell zum jungen Koͤnig fuͤgte, und ihm das ſchwere Urtheil, ſo uͤber ihn gegangen, er- oͤffnete mit Bitten, er wolle ſich ſo beſt er moͤgt, verwahren. Der Schneider ſagt ihm ſeines War- nens großen Dank: er wuͤßte dieſer Sachen wohl zu thun. Wie nun die Nacht kommen war, der Schneider ſich mit der jungen Koͤnigin legte nicht anders thaͤte, als ob er ſchlief, die Frau aber ſtund heimlich auf, oͤffnete die Kammer und legte ſich wieder zu Bett. Der Schneider, der ſolches al- les gehoͤrt, fing an zu reden, gleich als im Schlaf mit heller Stimm, daß die vor der Kammer wohl hoͤren moͤgten: „Knecht, mach mir die Hoſen, bletz mir das Wammes, oder ich will dir das Ehlmaß uͤber die Ohren ſchlagen, ich hab ſieben auf ein Streich zu todt geſchlagen, ich hab ein Einhorn ſammt einer wilden Sau gefangen, ſollt'
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auch bat, er ſollt' ſie des Mannes abhelfen,
dann ſie wohl merke, daß er ein Schneider waͤre.
Solche Red dem Koͤnig ſein Herz durchſchnit-
ten, daß er ſeine einzige Tochter einem Schnei-
der gegeben haͤtte: doch troͤſtete er ſie aufs beſte
und ſagte, ſie ſollt die zukuͤnftig Nacht die Kam-
mer oͤffnen, ſo wollt' er etliche Diener vor die
Kammer ſtellen, und wann er mehr alſo ſagt,
muͤßten ſie hineingehen: ſolches der Frauen Ge-
fallen war. Nun haͤtt der Koͤnig am Hof einen
Waffentraͤger, der dem Schneider hold war und
des Koͤnigs Red zu der Frauen gehoͤrt hatte,
ſich ſchnell zum jungen Koͤnig fuͤgte, und ihm
das ſchwere Urtheil, ſo uͤber ihn gegangen, er-
oͤffnete mit Bitten, er wolle ſich ſo beſt er moͤgt,
verwahren. Der Schneider ſagt ihm ſeines War-
nens großen Dank: er wuͤßte dieſer Sachen wohl
zu thun. Wie nun die Nacht kommen war, der
Schneider ſich mit der jungen Koͤnigin legte nicht
anders thaͤte, als ob er ſchlief, die Frau aber ſtund
heimlich auf, oͤffnete die Kammer und legte ſich
wieder zu Bett. Der Schneider, der ſolches al-
les gehoͤrt, fing an zu reden, gleich als im Schlaf
mit heller Stimm, daß die vor der Kammer wohl
hoͤren moͤgten: „Knecht, mach mir die Hoſen,
bletz mir das Wammes, oder ich will dir das
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/118>, abgerufen am 28.11.2024.
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