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Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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die Gondel, sie sah die eine der dunklen Gestalten, auf der Stelle erkannte sie sie, sie leuchtete, wie damals Emil im Garten, als sie von ihm gegangen war. Und als sie so rasch verschwand, da war es ihr, als dränge ein furchtbarer Schmerz in ihre Seele; sie hätte ihren Vater, Albert, Therese, Alles hätte sie verlassen können, nur um der dunkeln Gondel nachzuschweben, ihn zu sehen und ins Meer zu sinken. Und der Schmerz zitterte ihr in allen Adern, die Thränen stiegen ihr unaufhaltsam auf, und als Albert redete, war ihr seine Stimme so unerträglich, daß sie hätte ins Meer stürzen mögen, nur um sie nicht mehr zu vernehmen. Und einer andern Stimme lauschend, von der sie nie etwas gewußt, die aus ihr selbst zu ihr sprach, hörte sie von einer Zukunft, an die sie nie gedacht, von einer Vergangenheit, die ihr niemals klar gewesen. Zum ersten Mal dämmerte es in ihr auf, als könnte sie einen Willen für sich haben und die Andern zwingen, ihn als das anzuerkennen, dem sie allein gehorchen wollte.

So dachte das Kind. Sie legten am Ufer an. Albert bot ihr die Hand; sie war schon ohne seine Hülfe auf die Stufen der steinernen Treppe gesprungen. Er bot ihr den Arm, sie nahm ihn, aber sie dachte: Du thust es, weil du mußt; wäre es möglich, daß du einst nicht mehr müßtest?

Unter solchen Gedanken schlief sie ein. Aber seltsam: was ihr in der Gondel klar und leuchtend gewesen war, verschwamm mehr, und mehr am andern

die Gondel, sie sah die eine der dunklen Gestalten, auf der Stelle erkannte sie sie, sie leuchtete, wie damals Emil im Garten, als sie von ihm gegangen war. Und als sie so rasch verschwand, da war es ihr, als dränge ein furchtbarer Schmerz in ihre Seele; sie hätte ihren Vater, Albert, Therese, Alles hätte sie verlassen können, nur um der dunkeln Gondel nachzuschweben, ihn zu sehen und ins Meer zu sinken. Und der Schmerz zitterte ihr in allen Adern, die Thränen stiegen ihr unaufhaltsam auf, und als Albert redete, war ihr seine Stimme so unerträglich, daß sie hätte ins Meer stürzen mögen, nur um sie nicht mehr zu vernehmen. Und einer andern Stimme lauschend, von der sie nie etwas gewußt, die aus ihr selbst zu ihr sprach, hörte sie von einer Zukunft, an die sie nie gedacht, von einer Vergangenheit, die ihr niemals klar gewesen. Zum ersten Mal dämmerte es in ihr auf, als könnte sie einen Willen für sich haben und die Andern zwingen, ihn als das anzuerkennen, dem sie allein gehorchen wollte.

So dachte das Kind. Sie legten am Ufer an. Albert bot ihr die Hand; sie war schon ohne seine Hülfe auf die Stufen der steinernen Treppe gesprungen. Er bot ihr den Arm, sie nahm ihn, aber sie dachte: Du thust es, weil du mußt; wäre es möglich, daß du einst nicht mehr müßtest?

Unter solchen Gedanken schlief sie ein. Aber seltsam: was ihr in der Gondel klar und leuchtend gewesen war, verschwamm mehr, und mehr am andern

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[0052] die Gondel, sie sah die eine der dunklen Gestalten, auf der Stelle erkannte sie sie, sie leuchtete, wie damals Emil im Garten, als sie von ihm gegangen war. Und als sie so rasch verschwand, da war es ihr, als dränge ein furchtbarer Schmerz in ihre Seele; sie hätte ihren Vater, Albert, Therese, Alles hätte sie verlassen können, nur um der dunkeln Gondel nachzuschweben, ihn zu sehen und ins Meer zu sinken. Und der Schmerz zitterte ihr in allen Adern, die Thränen stiegen ihr unaufhaltsam auf, und als Albert redete, war ihr seine Stimme so unerträglich, daß sie hätte ins Meer stürzen mögen, nur um sie nicht mehr zu vernehmen. Und einer andern Stimme lauschend, von der sie nie etwas gewußt, die aus ihr selbst zu ihr sprach, hörte sie von einer Zukunft, an die sie nie gedacht, von einer Vergangenheit, die ihr niemals klar gewesen. Zum ersten Mal dämmerte es in ihr auf, als könnte sie einen Willen für sich haben und die Andern zwingen, ihn als das anzuerkennen, dem sie allein gehorchen wollte. So dachte das Kind. Sie legten am Ufer an. Albert bot ihr die Hand; sie war schon ohne seine Hülfe auf die Stufen der steinernen Treppe gesprungen. Er bot ihr den Arm, sie nahm ihn, aber sie dachte: Du thust es, weil du mußt; wäre es möglich, daß du einst nicht mehr müßtest? Unter solchen Gedanken schlief sie ein. Aber seltsam: was ihr in der Gondel klar und leuchtend gewesen war, verschwamm mehr, und mehr am andern

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:24:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:24:04Z)

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Zitationshilfe: Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_kind_1910/52>, abgerufen am 27.11.2024.