Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.eine Verpflichtung hätte, zu halten, was sie als Kind versprach, oder ob sie als Kind überhaupt etwas versprechen konnte. Was sind das für Philosophieen? rief Albert und ward unruhig. Hat dir Emma Eröffnungen gemacht, zu denen dies die Einleitung sein soll? Nein. Glaubst du aber, daß sie etwas verschwiegen haben könnte, wozu dies die Einleitung wäre -- möglicherweise? Das weiß ich nicht. Das heißt, du willst es nicht aussprechen. Lieber Albert, du wirst ernsthaft und ohne allen Grund. Sei gewiß, sähe ich in dem, was geschieht, ein Unrecht, so würde ich nicht darüber schweigen; dazu habe ich das Kind zu lieb. Was Emma denkt, weiß ich wirklich nicht, sie sagte kein Wort, als ich ihr erzählte, was ich dir gesagt habe. Auch stehst du ihr darin jetzt ja viel näher als ich, und wenn du es für Recht hältst, wirst du sie fragen. Und nun bin ich zu Ende. Er hielt ihre Hand in der seinigen, wie man einen Bekannten beim Gespräche am Rocke festhält. Sie zog sie los und ging fort. Man könnte es drucken lassen, was sie sagt, dachte ihr Albert nach, und doch keineswegs pedantisch. Ich muß auf den Grund kommen, dachte er weiter, und als es Abend war, hatte er einen langen Spaziergang mit dem Kinde gemacht. eine Verpflichtung hätte, zu halten, was sie als Kind versprach, oder ob sie als Kind überhaupt etwas versprechen konnte. Was sind das für Philosophieen? rief Albert und ward unruhig. Hat dir Emma Eröffnungen gemacht, zu denen dies die Einleitung sein soll? Nein. Glaubst du aber, daß sie etwas verschwiegen haben könnte, wozu dies die Einleitung wäre — möglicherweise? Das weiß ich nicht. Das heißt, du willst es nicht aussprechen. Lieber Albert, du wirst ernsthaft und ohne allen Grund. Sei gewiß, sähe ich in dem, was geschieht, ein Unrecht, so würde ich nicht darüber schweigen; dazu habe ich das Kind zu lieb. Was Emma denkt, weiß ich wirklich nicht, sie sagte kein Wort, als ich ihr erzählte, was ich dir gesagt habe. Auch stehst du ihr darin jetzt ja viel näher als ich, und wenn du es für Recht hältst, wirst du sie fragen. Und nun bin ich zu Ende. Er hielt ihre Hand in der seinigen, wie man einen Bekannten beim Gespräche am Rocke festhält. Sie zog sie los und ging fort. Man könnte es drucken lassen, was sie sagt, dachte ihr Albert nach, und doch keineswegs pedantisch. Ich muß auf den Grund kommen, dachte er weiter, und als es Abend war, hatte er einen langen Spaziergang mit dem Kinde gemacht. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0040"/> eine Verpflichtung hätte, zu halten, was sie als Kind versprach, oder ob sie als Kind überhaupt etwas versprechen konnte.</p><lb/> <p>Was sind das für Philosophieen? rief Albert und ward unruhig. Hat dir Emma Eröffnungen gemacht, zu denen dies die Einleitung sein soll?</p><lb/> <p>Nein.</p><lb/> <p>Glaubst du aber, daß sie etwas verschwiegen haben könnte, wozu dies die Einleitung wäre — möglicherweise?</p><lb/> <p>Das weiß ich nicht.</p><lb/> <p>Das heißt, du willst es nicht aussprechen.</p><lb/> <p>Lieber Albert, du wirst ernsthaft und ohne allen Grund. Sei gewiß, sähe ich in dem, was geschieht, ein Unrecht, so würde ich nicht darüber schweigen; dazu habe ich das Kind zu lieb. Was Emma denkt, weiß ich wirklich nicht, sie sagte kein Wort, als ich ihr erzählte, was ich dir gesagt habe. Auch stehst du ihr darin jetzt ja viel näher als ich, und wenn du es für Recht hältst, wirst du sie fragen. Und nun bin ich zu Ende.</p><lb/> <p>Er hielt ihre Hand in der seinigen, wie man einen Bekannten beim Gespräche am Rocke festhält. Sie zog sie los und ging fort. Man könnte es drucken lassen, was sie sagt, dachte ihr Albert nach, und doch keineswegs pedantisch. Ich muß auf den Grund kommen, dachte er weiter, und als es Abend war, hatte er einen langen Spaziergang mit dem Kinde gemacht.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
eine Verpflichtung hätte, zu halten, was sie als Kind versprach, oder ob sie als Kind überhaupt etwas versprechen konnte.
Was sind das für Philosophieen? rief Albert und ward unruhig. Hat dir Emma Eröffnungen gemacht, zu denen dies die Einleitung sein soll?
Nein.
Glaubst du aber, daß sie etwas verschwiegen haben könnte, wozu dies die Einleitung wäre — möglicherweise?
Das weiß ich nicht.
Das heißt, du willst es nicht aussprechen.
Lieber Albert, du wirst ernsthaft und ohne allen Grund. Sei gewiß, sähe ich in dem, was geschieht, ein Unrecht, so würde ich nicht darüber schweigen; dazu habe ich das Kind zu lieb. Was Emma denkt, weiß ich wirklich nicht, sie sagte kein Wort, als ich ihr erzählte, was ich dir gesagt habe. Auch stehst du ihr darin jetzt ja viel näher als ich, und wenn du es für Recht hältst, wirst du sie fragen. Und nun bin ich zu Ende.
Er hielt ihre Hand in der seinigen, wie man einen Bekannten beim Gespräche am Rocke festhält. Sie zog sie los und ging fort. Man könnte es drucken lassen, was sie sagt, dachte ihr Albert nach, und doch keineswegs pedantisch. Ich muß auf den Grund kommen, dachte er weiter, und als es Abend war, hatte er einen langen Spaziergang mit dem Kinde gemacht.
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Zitationshilfe: | Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_kind_1910/40>, abgerufen am 16.07.2024. |