Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dem Herrn hinter uns her. Habt ihr da noch lange gesprochen? -- Nein, nicht lange. -- Ich dachte, ihr hättet euch noch allerlei erzählt. -- Was sollten wir uns erzählt haben? wir waren ja gleich am Hause. -- Nun, der Weg war doch lang. -- Ja, aber er schwieg still. -- So, er schwieg still? Sie schwiegen wieder; darauf begann das Kind von Neuem: Weißt du, Therese -- ? -- Ja? -- Weißt du, was mir immer so sonderbar ist? Als Albert im Cotillon plötzlich hinter uns saß, war mir das gar nicht recht zu Anfang, und doch bin ich nie so glücklich gewesen, als da ich ihm die Camelie gab und hinterher. Albert ist so gut. -- Gewiß, das ist er. -- Ich freue mich so auf Rom, ich wollte wir wären schon auf der Reise -- Das werden wir bald genug sein. -- Ja, recht bald; gute Nacht. Diesmal schliefen sie beide ein und träumten, die eine von Italien, die andere von ihrer Schwester Ausstattung. Albert hatte bei seinen Reisen in fremden Ländern einen scharfen Blick für die Dinge gewonnen. Wir nehmen es diesmal nur im äußerlichsten Sinne. Wenn er mit Emma spazieren ging, schien es ihm öfter, als rausche seitwärts etwas in das Gebüsch, wie ein Wild, das aufspringt und davon eilt, und doch meinte er, es wäre eine Männergestalt gewesen. Das Kind lachte und behauptete, die Bauernkinder stellten Sprenkel oder suchten Nüsse, denn man war ja im Herbste. Aber als er einmal allein durch das Feld ging, be- dem Herrn hinter uns her. Habt ihr da noch lange gesprochen? — Nein, nicht lange. — Ich dachte, ihr hättet euch noch allerlei erzählt. — Was sollten wir uns erzählt haben? wir waren ja gleich am Hause. — Nun, der Weg war doch lang. — Ja, aber er schwieg still. — So, er schwieg still? Sie schwiegen wieder; darauf begann das Kind von Neuem: Weißt du, Therese — ? — Ja? — Weißt du, was mir immer so sonderbar ist? Als Albert im Cotillon plötzlich hinter uns saß, war mir das gar nicht recht zu Anfang, und doch bin ich nie so glücklich gewesen, als da ich ihm die Camelie gab und hinterher. Albert ist so gut. — Gewiß, das ist er. — Ich freue mich so auf Rom, ich wollte wir wären schon auf der Reise — Das werden wir bald genug sein. — Ja, recht bald; gute Nacht. Diesmal schliefen sie beide ein und träumten, die eine von Italien, die andere von ihrer Schwester Ausstattung. Albert hatte bei seinen Reisen in fremden Ländern einen scharfen Blick für die Dinge gewonnen. Wir nehmen es diesmal nur im äußerlichsten Sinne. Wenn er mit Emma spazieren ging, schien es ihm öfter, als rausche seitwärts etwas in das Gebüsch, wie ein Wild, das aufspringt und davon eilt, und doch meinte er, es wäre eine Männergestalt gewesen. Das Kind lachte und behauptete, die Bauernkinder stellten Sprenkel oder suchten Nüsse, denn man war ja im Herbste. Aber als er einmal allein durch das Feld ging, be- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0030"/> dem Herrn hinter uns her. Habt ihr da noch lange gesprochen? — Nein, nicht lange. — Ich dachte, ihr hättet euch noch allerlei erzählt. — Was sollten wir uns erzählt haben? wir waren ja gleich am Hause. — Nun, der Weg war doch lang. — Ja, aber er schwieg still. — So, er schwieg still?</p><lb/> <p>Sie schwiegen wieder; darauf begann das Kind von Neuem: Weißt du, Therese — ? — Ja? — Weißt du, was mir immer so sonderbar ist? Als Albert im Cotillon plötzlich hinter uns saß, war mir das gar nicht recht zu Anfang, und doch bin ich nie so glücklich gewesen, als da ich ihm die Camelie gab und hinterher. Albert ist so gut. — Gewiß, das ist er. — Ich freue mich so auf Rom, ich wollte wir wären schon auf der Reise — Das werden wir bald genug sein. — Ja, recht bald; gute Nacht.</p><lb/> <p>Diesmal schliefen sie beide ein und träumten, die eine von Italien, die andere von ihrer Schwester Ausstattung.</p><lb/> <p>Albert hatte bei seinen Reisen in fremden Ländern einen scharfen Blick für die Dinge gewonnen. Wir nehmen es diesmal nur im äußerlichsten Sinne. Wenn er mit Emma spazieren ging, schien es ihm öfter, als rausche seitwärts etwas in das Gebüsch, wie ein Wild, das aufspringt und davon eilt, und doch meinte er, es wäre eine Männergestalt gewesen. Das Kind lachte und behauptete, die Bauernkinder stellten Sprenkel oder suchten Nüsse, denn man war ja im Herbste. Aber als er einmal allein durch das Feld ging, be-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
dem Herrn hinter uns her. Habt ihr da noch lange gesprochen? — Nein, nicht lange. — Ich dachte, ihr hättet euch noch allerlei erzählt. — Was sollten wir uns erzählt haben? wir waren ja gleich am Hause. — Nun, der Weg war doch lang. — Ja, aber er schwieg still. — So, er schwieg still?
Sie schwiegen wieder; darauf begann das Kind von Neuem: Weißt du, Therese — ? — Ja? — Weißt du, was mir immer so sonderbar ist? Als Albert im Cotillon plötzlich hinter uns saß, war mir das gar nicht recht zu Anfang, und doch bin ich nie so glücklich gewesen, als da ich ihm die Camelie gab und hinterher. Albert ist so gut. — Gewiß, das ist er. — Ich freue mich so auf Rom, ich wollte wir wären schon auf der Reise — Das werden wir bald genug sein. — Ja, recht bald; gute Nacht.
Diesmal schliefen sie beide ein und träumten, die eine von Italien, die andere von ihrer Schwester Ausstattung.
Albert hatte bei seinen Reisen in fremden Ländern einen scharfen Blick für die Dinge gewonnen. Wir nehmen es diesmal nur im äußerlichsten Sinne. Wenn er mit Emma spazieren ging, schien es ihm öfter, als rausche seitwärts etwas in das Gebüsch, wie ein Wild, das aufspringt und davon eilt, und doch meinte er, es wäre eine Männergestalt gewesen. Das Kind lachte und behauptete, die Bauernkinder stellten Sprenkel oder suchten Nüsse, denn man war ja im Herbste. Aber als er einmal allein durch das Feld ging, be-
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Zitationshilfe: | Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_kind_1910/30>, abgerufen am 16.07.2024. |