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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. composition. schlußbemerkungen.
phthisi-phron (mentem perdens); olesi-thumos (animam
perdens) olesi-karpos (fructum perdens) olesi-oikos (do-
mum p.) olesi-teknos (liberos p.) u. a. m. *). Diese bei-
spiele laßen an dem hohen alter und der sprachange-
meßenheit ihrer bildung nicht zweifeln, manche sind
eigennamen, viele aus Homer genommen; sie stimmen
auch darin zu den schönsten eigentlichen zus. setzungen,
daß sich nach dem zweiten wort gangbare formeln erge-
ben, z. b. enosiphullos, kinesiphullos, seisiphullos (eigent-
lich: phullokhoos, phullosines, phulloRRoos, altn. qui[st]scaedr
edd. saem. 269b). Wie ist nun ihre sorm zu erklären?
Eigentliche zusammensetzungen sind es nicht, denn der
compositionsvocal fehlt und eine verbalflexion ist in sie
eingegangen, die eigentliche composition schließt aber jede
flexion aus. Gleich den vorhin abgehandelten compositis
mit dem dat. pl. oresi-trophos, nausi-poros müßen folglich
auch pausi-lupos, olesi-teknos uneigentlich, d. h. durch
bloße anschiebung zusammengesetzt sein. Höchstens ein-
zelne könnten aus femininis gebildet scheinen, z. b. kinesi-
phoros, terpsi-khoros
aus kinesis (motus) terpsis (gaudium);
allein diese ansicht schwindet, sobald man erwägt, daß lusi-
makhos, Rusi-polis
(wie die futura luso, Ruso Buttm. §. 95,
4.) langes u, die fem. lusis, Rusis (thusis, phusis, khusis)
kurzes haben. Die zuerst aufgeführten praesentischen for-
men sind offenbare imperative praes. age, arkhe etc. und
weil sich age-laos und agesi-laos, arkhe-laos und arkhesi-
laos, phere-karpos
und pheresi-bios sichtlich parallel ste-
hen, so wage ich zu vermuthen, daß die futurischen for-
men veraltete imperativi futuri sind. Die griech. gram-
matik, wie wir sie heute kennen, läßt das sut. im conj.
und imp. ausfallen, ohne daß dem begriff nach diese bei-
den modi ihm widerstrebten. Der analogie des aor. 1.
imp. seison, phileson gemäß scheint mir das fut. 1. imp.
gelautet zu haben seisi, philesi **), ja sein hohes alter-
thum zeigt sich selbst in dem uncontrahierten agesi, ar-
khesi
etc. und nicht axi, arxi, obgleich das alleinstehende
fut. ind. axo, arxo st. ageso, arkheso hat. In andern

*) vgl. Lob. l.c. 769-71; es kann auch, wie (vorhin s. 974.) beim
dat. pl. das -i wegfallen, z. b. pheres-bios (lebenbringend) f. pheresi-bios.
**) ohne diese flexion bliebe nur übrig, in den verhandelten
zusammensetzungen einen blinden bildungstrieb für das -si oder
gar rohe nachahmung jener dat. pl. anzunehmen. Bemerkenswerth
ist auch daß in den meisten zus. setzungen starke (d. i. unabgelei-
tete) verba vorkommen, seltner schwache (erasi, kratesi, philesi).

III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
φθισί-φρων (mentem perdens); ὠλεσί-θυμος (animam
perdens) ὠλεσί-καρπος (fructum perdens) ὠλεσί-οικος (do-
mum p.) ὠλεσί-τεκνος (liberos p.) u. a. m. *). Dieſe bei-
ſpiele laßen an dem hohen alter und der ſprachange-
meßenheit ihrer bildung nicht zweifeln, manche ſind
eigennamen, viele aus Homer genommen; ſie ſtimmen
auch darin zu den ſchönſten eigentlichen zuſ. ſetzungen,
daß ſich nach dem zweiten wort gangbare formeln erge-
ben, z. b. ἐνοσίφυλλος, κινησίφυλλος, σεισίφυλλος (eigent-
lich: φυλλοχόος, φυλλοσινής, φυλλόῤῥοος, altn. qui[ſt]ſcæðr
edd. ſæm. 269b). Wie iſt nun ihre ſorm zu erklären?
Eigentliche zuſammenſetzungen ſind es nicht, denn der
compoſitionsvocal fehlt und eine verbalflexion iſt in ſie
eingegangen, die eigentliche compoſition ſchließt aber jede
flexion aus. Gleich den vorhin abgehandelten compoſitis
mit dem dat. pl. ὀρεσί-τροφος, ναυσί-πορος müßen folglich
auch παυσί-λυπος, ὠλεσί-τεκνος uneigentlich, d. h. durch
bloße anſchiebung zuſammengeſetzt ſein. Höchſtens ein-
zelne könnten aus femininis gebildet ſcheinen, z. b. κινησι-
φόρος, τερψί-χορος
aus κίνησις (motus) τέρψις (gaudium);
allein dieſe anſicht ſchwindet, ſobald man erwägt, daß λυσί-
μαχος, ῥυσί-πολις
(wie die futura λύσω, ῥύσω Buttm. §. 95,
4.) langes υ, die fem. λύσις, ῥύσις (θύσις, φύσις, χύσις)
kurzes haben. Die zuerſt aufgeführten praeſentiſchen for-
men ſind offenbare imperative praeſ. ἄγε, ἄρχε etc. und
weil ſich ἀγέ-λαος und ἀγεσί-λαος, ἀρχέ-λαος und ἀρχεσί-
λαος, φερέ-καρπος
und φερεσί-βιος ſichtlich parallel ſte-
hen, ſo wage ich zu vermuthen, daß die futuriſchen for-
men veraltete imperativi futuri ſind. Die griech. gram-
matik, wie wir ſie heute kennen, läßt das ſut. im conj.
und imp. ausfallen, ohne daß dem begriff nach dieſe bei-
den modi ihm widerſtrebten. Der analogie des aor. 1.
imp. σεῖσον, φιλήσον gemäß ſcheint mir das fut. 1. imp.
gelautet zu haben σείσι, φιλήσι **), ja ſein hohes alter-
thum zeigt ſich ſelbſt in dem uncontrahierten ἀγέσι, ἀρ-
χέσι
etc. und nicht ἄξι, ἄρξι, obgleich das alleinſtehende
fut. ind. ἄξω, ἄρξω ſt. ἀγέσω, ἀρχέσω hat. In andern

*) vgl. Lob. l.c. 769-71; es kann auch, wie (vorhin ſ. 974.) beim
dat. pl. das wegfallen, z. b. ϕερέσ-βιος (lebenbringend) f. ϕερεσί-βιος.
**) ohne dieſe flexion bliebe nur übrig, in den verhandelten
zuſammenſetzungen einen blinden bildungstrieb für das -σι oder
gar rohe nachahmung jener dat. pl. anzunehmen. Bemerkenswerth
iſt auch daß in den meiſten zuſ. ſetzungen ſtarke (d. i. unabgelei-
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[978/0996] III. compoſition. ſchlußbemerkungen. φθισί-φρων (mentem perdens); ὠλεσί-θυμος (animam perdens) ὠλεσί-καρπος (fructum perdens) ὠλεσί-οικος (do- mum p.) ὠλεσί-τεκνος (liberos p.) u. a. m. *). Dieſe bei- ſpiele laßen an dem hohen alter und der ſprachange- meßenheit ihrer bildung nicht zweifeln, manche ſind eigennamen, viele aus Homer genommen; ſie ſtimmen auch darin zu den ſchönſten eigentlichen zuſ. ſetzungen, daß ſich nach dem zweiten wort gangbare formeln erge- ben, z. b. ἐνοσίφυλλος, κινησίφυλλος, σεισίφυλλος (eigent- lich: φυλλοχόος, φυλλοσινής, φυλλόῤῥοος, altn. quiſtſcæðr edd. ſæm. 269b). Wie iſt nun ihre ſorm zu erklären? Eigentliche zuſammenſetzungen ſind es nicht, denn der compoſitionsvocal fehlt und eine verbalflexion iſt in ſie eingegangen, die eigentliche compoſition ſchließt aber jede flexion aus. Gleich den vorhin abgehandelten compoſitis mit dem dat. pl. ὀρεσί-τροφος, ναυσί-πορος müßen folglich auch παυσί-λυπος, ὠλεσί-τεκνος uneigentlich, d. h. durch bloße anſchiebung zuſammengeſetzt ſein. Höchſtens ein- zelne könnten aus femininis gebildet ſcheinen, z. b. κινησι- φόρος, τερψί-χορος aus κίνησις (motus) τέρψις (gaudium); allein dieſe anſicht ſchwindet, ſobald man erwägt, daß λυσί- μαχος, ῥυσί-πολις (wie die futura λύσω, ῥύσω Buttm. §. 95, 4.) langes υ, die fem. λύσις, ῥύσις (θύσις, φύσις, χύσις) kurzes haben. Die zuerſt aufgeführten praeſentiſchen for- men ſind offenbare imperative praeſ. ἄγε, ἄρχε etc. und weil ſich ἀγέ-λαος und ἀγεσί-λαος, ἀρχέ-λαος und ἀρχεσί- λαος, φερέ-καρπος und φερεσί-βιος ſichtlich parallel ſte- hen, ſo wage ich zu vermuthen, daß die futuriſchen for- men veraltete imperativi futuri ſind. Die griech. gram- matik, wie wir ſie heute kennen, läßt das ſut. im conj. und imp. ausfallen, ohne daß dem begriff nach dieſe bei- den modi ihm widerſtrebten. Der analogie des aor. 1. imp. σεῖσον, φιλήσον gemäß ſcheint mir das fut. 1. imp. gelautet zu haben σείσι, φιλήσι **), ja ſein hohes alter- thum zeigt ſich ſelbſt in dem uncontrahierten ἀγέσι, ἀρ- χέσι etc. und nicht ἄξι, ἄρξι, obgleich das alleinſtehende fut. ind. ἄξω, ἄρξω ſt. ἀγέσω, ἀρχέσω hat. In andern *) vgl. Lob. l.c. 769-71; es kann auch, wie (vorhin ſ. 974.) beim dat. pl. das -ι wegfallen, z. b. ϕερέσ-βιος (lebenbringend) f. ϕερεσί-βιος. **) ohne dieſe flexion bliebe nur übrig, in den verhandelten zuſammenſetzungen einen blinden bildungstrieb für das -σι oder gar rohe nachahmung jener dat. pl. anzunehmen. Bemerkenswerth iſt auch daß in den meiſten zuſ. ſetzungen ſtarke (d. i. unabgelei- tete) verba vorkommen, ſeltner ſchwache (ἐράσι, κρατήσι, ϕιλήσι).

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 978. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/996>, abgerufen am 22.11.2024.