maul-beer-baum; butter-milch-faß, brant-wein-faß; win- ter-land-schaft, hof-diener-schaft, land-stand-schaft; du- del-sack-pfeifer; treib-haus-wärme; nuß-baum-holz; geiß- blatt-laube; schorn-stein-feger, rauch-fang-kehrer; hand- schuh-macher; schuh-macher-meister; schnell-wag-balke; her-berg-vater; reh-bock-leder; feder-wild-bret, roth- wild-bret; groß-her-zog u. a. m.
Anmerkung: zwischen beiden arten findet im nhd. ein unterschied in der betonung statt, nämlich die unter a. accentuieren das mittlere wort stärker, die unter b. gerin- ger; man vgl. stadt-vieh-hirt (viehhirt im dienste der stadt) mit feder-vieh-hirt (der das federvieh hütet) oder gold- berg-werk mit gold-berg-reise (reise in den goldberg); gold- finger-ring mit gold-finger-ring. Hängt hiermit zusammen, daß es ahd. puoh-stap-zeila und nicht puoh-stapa-zeila heißt?
2) gemischte decomposita; von den übrigen uneigentli- chen sondere ich die partikelcomposita.
a) nomina, das erste eigentlich, das zweite uneigent- lich componiert, und wiederum
a) simplex und compositum, ein seltner fall, z. b. nhd. grenz-wirts-haus (das wirtshaus an der grenze) land-brunnen-meister (der brunnenmeister für das land); aus der frühern sprache gar keine beispiele, eben weil die uneigentlichen composita zu wenig befestigt sind, als daß sie sich vornen eigentlich zusammensetzen könnten.
b) compositum und simplex; nhd. abend-sonnen-strahl, winter-sonnen-schein, buch-finken-nest, turtel-tauben-seuf- zer, nachti-gallen-schlag, hand-werks-mann, vater-lands- liebe, land-friedens-bruch, kuh-blattern-impfung u. a. m., die zu beurtheilen sind wie sonnen-strahl, finken-nest, friedens- bruch, es tritt nur in der eigentlichen composition die nähere bestimmung hinzu. Die ältere sprache kennt solche decomposita noch nicht, sondern das erste eigent- liche comp. steht im gen. frei voraus, z. b. mhd. abent- sunnen schein MS. 2, 135a minne-mangels not Parc. 52c (oder auch minne mangels not) her-berge stat Parc. 162a sporn-gruoßes pein Parc. 42a eiter-wolves zan Parc. 61b.
Anmerkung: auch hier im nhd. der vorhin gezeigte unterschied der betonung: wirts in grenzwirtshaus ist stärker betont, als werks in handwerksmann. Zuweilen aber mag zweifelhaft sein, wohin das decomp. gehört, unter a oder b, z. b. abendsonnenschein bedeutet entw. sonnenschein am abend oder schein der abendsonne und in diesem fall hat sonnen einen geringern accent. So könnte auch unter grenzwirtshaus das haus des grenz-
III. decompoſita.
maul-beer-baum; butter-milch-faß, brant-wein-faß; win- ter-land-ſchaft, hof-diener-ſchaft, land-ſtand-ſchaft; du- del-ſack-pfeifer; treib-haus-wärme; nuß-baum-holz; geiß- blatt-laube; ſchorn-ſtein-feger, rauch-fang-kehrer; hand- ſchuh-macher; ſchuh-macher-meiſter; ſchnell-wag-balke; her-berg-vater; reh-bock-leder; feder-wild-bret, roth- wild-bret; groß-her-zog u. a. m.
Anmerkung: zwiſchen beiden arten findet im nhd. ein unterſchied in der betonung ſtatt, nämlich die unter α. accentuieren das mittlere wort ſtärker, die unter β. gerin- ger; man vgl. ſtádt-vìeh-hírt (viehhirt im dienſte der ſtadt) mit féder-víeh-hírt (der das federvieh hütet) oder góld- bérg-wérk mit góld-bèrg-réiſe (reiſe in den goldberg); góld- fínger-ríng mit góld-fìnger-ríng. Hängt hiermit zuſammen, daß es ahd. puoh-ſtap-zîla und nicht puoh-ſtapa-zîla heißt?
2) gemiſchte decompoſita; von den übrigen uneigentli- chen ſondere ich die partikelcompoſita.
a) nomina, das erſte eigentlich, das zweite uneigent- lich componiert, und wiederum
α) ſimplex und compoſitum, ein ſeltner fall, z. b. nhd. grenz-wirts-haus (das wirtshaus an der grenze) land-brunnen-meiſter (der brunnenmeiſter für das land); aus der frühern ſprache gar keine beiſpiele, eben weil die uneigentlichen compoſita zu wenig befeſtigt ſind, als daß ſie ſich vornen eigentlich zuſammenſetzen könnten.
β) compoſitum und ſimplex; nhd. abend-ſonnen-ſtrahl, winter-ſonnen-ſchein, buch-finken-neſt, turtel-tauben-ſeuf- zer, nachti-gallen-ſchlag, hand-werks-mann, vater-lands- liebe, land-friedens-bruch, kuh-blattern-impfung u. a. m., die zu beurtheilen ſind wie ſonnen-ſtrahl, finken-neſt, friedens- bruch, es tritt nur in der eigentlichen compoſition die nähere beſtimmung hinzu. Die ältere ſprache kennt ſolche decompoſita noch nicht, ſondern das erſte eigent- liche comp. ſteht im gen. frei voraus, z. b. mhd. âbent- ſunnen ſchîn MS. 2, 135a minne-mangels nôt Parc. 52c (oder auch minne mangels nôt) her-berge ſtat Parc. 162a ſporn-gruoƷes pîn Parc. 42a eiter-wolves zan Parc. 61b.
Anmerkung: auch hier im nhd. der vorhin gezeigte unterſchied der betonung: wirts in grenzwirtshaus iſt ſtärker betont, als werks in handwerksmann. Zuweilen aber mag zweifelhaft ſein, wohin das decomp. gehört, unter α oder β, z. b. abendſonnenſchein bedeutet entw. ſonnenſchein am abend oder ſchein der abendſonne und in dieſem fall hat ſonnen einen geringern accent. So könnte auch unter grenzwirtshaus das haus des grenz-
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III. decompoſita.
maul-beer-baum; butter-milch-faß, brant-wein-faß; win-
ter-land-ſchaft, hof-diener-ſchaft, land-ſtand-ſchaft; du-
del-ſack-pfeifer; treib-haus-wärme; nuß-baum-holz; geiß-
blatt-laube; ſchorn-ſtein-feger, rauch-fang-kehrer; hand-
ſchuh-macher; ſchuh-macher-meiſter; ſchnell-wag-balke;
her-berg-vater; reh-bock-leder; feder-wild-bret, roth-
wild-bret; groß-her-zog u. a. m.
Anmerkung: zwiſchen beiden arten findet im nhd.
ein unterſchied in der betonung ſtatt, nämlich die unter
α. accentuieren das mittlere wort ſtärker, die unter β. gerin-
ger; man vgl. ſtádt-vìeh-hírt (viehhirt im dienſte der ſtadt)
mit féder-víeh-hírt (der das federvieh hütet) oder góld-
bérg-wérk mit góld-bèrg-réiſe (reiſe in den goldberg); góld-
fínger-ríng mit góld-fìnger-ríng. Hängt hiermit zuſammen,
daß es ahd. puoh-ſtap-zîla und nicht puoh-ſtapa-zîla heißt?
2) gemiſchte decompoſita; von den übrigen uneigentli-
chen ſondere ich die partikelcompoſita.
a) nomina, das erſte eigentlich, das zweite uneigent-
lich componiert, und wiederum
α) ſimplex und compoſitum, ein ſeltner fall, z. b.
nhd. grenz-wirts-haus (das wirtshaus an der grenze)
land-brunnen-meiſter (der brunnenmeiſter für das land);
aus der frühern ſprache gar keine beiſpiele, eben weil
die uneigentlichen compoſita zu wenig befeſtigt ſind, als
daß ſie ſich vornen eigentlich zuſammenſetzen könnten.
β) compoſitum und ſimplex; nhd. abend-ſonnen-ſtrahl,
winter-ſonnen-ſchein, buch-finken-neſt, turtel-tauben-ſeuf-
zer, nachti-gallen-ſchlag, hand-werks-mann, vater-lands-
liebe, land-friedens-bruch, kuh-blattern-impfung u. a. m., die
zu beurtheilen ſind wie ſonnen-ſtrahl, finken-neſt, friedens-
bruch, es tritt nur in der eigentlichen compoſition die
nähere beſtimmung hinzu. Die ältere ſprache kennt
ſolche decompoſita noch nicht, ſondern das erſte eigent-
liche comp. ſteht im gen. frei voraus, z. b. mhd. âbent-
ſunnen ſchîn MS. 2, 135a minne-mangels nôt Parc. 52c
(oder auch minne mangels nôt) her-berge ſtat Parc. 162a
ſporn-gruoƷes pîn Parc. 42a eiter-wolves zan Parc. 61b.
Anmerkung: auch hier im nhd. der vorhin gezeigte
unterſchied der betonung: wirts in grenzwirtshaus iſt
ſtärker betont, als werks in handwerksmann. Zuweilen
aber mag zweifelhaft ſein, wohin das decomp. gehört,
unter α oder β, z. b. abendſonnenſchein bedeutet entw.
ſonnenſchein am abend oder ſchein der abendſonne und
in dieſem fall hat ſonnen einen geringern accent. So
könnte auch unter grenzwirtshaus das haus des grenz-
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 925. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/943>, abgerufen am 22.11.2024.
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