Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. partikelcomposition. -- part. mit nom.
gast 136b; bei-lant (terra vicina) Trist.; bei-leger (concubi-
tus) folgere ich aus dem nhd. bei-lager und dem mhd.
verbo bei-ligen; bei-saße (vicinus); bei-schaft (parabola)
Barl. Bon.; bei-spel (exemplum) Barl.; bei-stal (subliminare)
Wh. 2, 182b vgl. Oberl. v. bei-stal; bei-stuodel (postes)
Oberl.; bei-vilde (funus, exsequiae) Nib. 4276. (al. be-
vilde); bei-weip (pellex) Oberl.; bei-ziht (criminatio) Parc.
173c, andere ergeben fich aus dem nhd. -- 2) be-, über-
all unbetont: be-derbe (utilis) MS. 2, 239b un-be-derbe
(frustraneus) Jw. 53b im reim: erbe, doch deutet bei an-
dern die schreibung bi-derbe auf die alte betonung, wenn
gleich dadurch der falsche schein einer wurzel bid-erbe
entsprang; be-giht (confessio) Barl. später contrahiert beihte
misc. 2, 215; be-gin Trist.; be-gunst (Barl.; be-grist; (com-
plexus) Parc. 97c; be-hagel (audax) Herb. 90c be-jac (acqui-
sitio) Parc. 87c 93c 105b Wigal. und sonst häufig; be-leip (quies)
am. 19b; be-seß (obsidio) Rud. weltchr. Schütze 1, 203; be-
zoch Nib. 1465. -- nhd. 1) betontes bei-: bei-bote; bei-
fall; bei-frau; bei-hilfe; bei-kirche (eccl. filia); bei-lage;
bei-lager; bei-leid; bei-name; bei-schlaf; bei-schlag (numus
adulterinus); bei-schmak; bei-sitzer; bei-stand; bei-spiel; bei-
steuer; bei-trag; bei-tritt; bei-wagen; bei-weg; bei-wort.
2) unbetontes be-: be-dacht; be-fang; be-fehl; be-fund;
be-ginn; be-griff; be-huf; be-lauf; be-leg; be-richt; be-
schlag; be-sitz; be-stand; be-trug; be-zug u. a. m. deren
jedoch viele sichtbar aus verbis abgeleitet sind, z. b. be-
lang, be-lauf. Unkenntlich geworden ist die partikel in
bieder (validus, utilis) und beichte. -- engl. 1) by-: by-
blow; by-dish; by-lane; by-lander; by-name; by-path;
by-road; by-sack; by-stander; by-town; by-way; by-
word; by-work. 2) be-, wenig nomina: be-half; be-
hest; be-hoof; be-lief. -- Aus der anfänglichen identität
des bei- und be-, von welcher ich ausgegangen bin, er-
geben sich fast zu jeder zeit berührungen beider, das le-
bendige nahesein geht über in den abgezogenen begriff
von einwirkung. Z. b. be-graben heißt sepelire, mhd.
auch be-velhen, im subst. gilt bei-vilde, wahrsch. auch
bei-graft (vocab. 1482. bei-gref), die bei-legung des leich-
nams, vgl. bei-schlaf und be-schlafen, bei-sitz und be-sitz,
so daß auch neben be-waenen ein subst. bei-wan (suspicio)
gelten könnte. In mehrern ahd. wörtern bin ich über
pi- oder pei- unschlüßig. Oft stehen auch beide bil-
dungen einander entgegen, z. b. bei-schluß, be-schluß;
bei-stand, be-stand; bei-trag, be-trag; aber solche gegen-
sätze der bedeutung laßen sich selbst in fällen wahrneh-

Z z

III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
gaſt 136b; bî-lant (terra vicina) Triſt.; bî-lëger (concubi-
tus) folgere ich aus dem nhd. bei-lager und dem mhd.
verbo bî-ligen; bî-ſâƷe (vicinus); bî-ſchaft (parabola)
Barl. Bon.; bî-ſpël (exemplum) Barl.; bî-ſtal (ſubliminare)
Wh. 2, 182b vgl. Oberl. v. bei-ſtal; bî-ſtuodel (poſtes)
Oberl.; bî-vilde (funus, exſequiae) Nib. 4276. (al. be-
vilde); bî-wîp (pellex) Oberl.; bî-ziht (criminatio) Parc.
173c, andere ergeben fich aus dem nhd. — 2) be-, über-
all unbetont: be-derbe (utilis) MS. 2, 239b un-be-derbe
(fruſtraneus) Jw. 53b im reim: erbe, doch deutet bei an-
dern die ſchreibung bi-derbe auf die alte betonung, wenn
gleich dadurch der falſche ſchein einer wurzel bid-erbe
entſprang; be-giht (confeſſio) Barl. ſpäter contrahiert bîhte
miſc. 2, 215; be-gin Triſt.; be-gunſt (Barl.; be-griſt; (com-
plexus) Parc. 97c; be-hagel (audax) Herb. 90c be-jac (acqui-
ſitio) Parc. 87c 93c 105b Wigal. und ſonſt häufig; be-lîp (quies)
am. 19b; be-ſëƷ (obſidio) Rud. weltchr. Schütze 1, 203; be-
zoch Nib. 1465. — nhd. 1) betontes bei-: bei-bote; bei-
fall; bei-frau; bei-hilfe; bei-kirche (eccl. filia); bei-lage;
bei-lager; bei-leid; bei-name; bei-ſchlaf; bei-ſchlag (numus
adulterinus); bei-ſchmak; bei-ſitzer; bei-ſtand; bei-ſpiel; bei-
ſteuer; bei-trag; bei-tritt; bei-wagen; bei-weg; bei-wort.
2) unbetontes be-: be-dacht; be-fang; be-fehl; be-fund;
be-ginn; be-griff; be-huf; be-lauf; be-leg; be-richt; be-
ſchlag; be-ſitz; be-ſtand; be-trug; be-zug u. a. m. deren
jedoch viele ſichtbar aus verbis abgeleitet ſind, z. b. be-
lang, be-lauf. Unkenntlich geworden iſt die partikel in
bieder (validus, utilis) und beichte. — engl. 1) by-: by-
blow; by-diſh; by-lane; by-lander; by-name; by-path;
by-road; by-ſack; by-ſtander; by-town; by-way; by-
word; by-work. 2) be-, wenig nomina: be-half; be-
heſt; be-hoof; be-lief. — Aus der anfänglichen identität
des bî- und be-, von welcher ich ausgegangen bin, er-
geben ſich faſt zu jeder zeit berührungen beider, das le-
bendige naheſein geht über in den abgezogenen begriff
von einwirkung. Z. b. be-graben heißt ſepelire, mhd.
auch be-vëlhen, im ſubſt. gilt bî-vilde, wahrſch. auch
bî-graft (vocab. 1482. bei-gref), die bei-legung des leich-
nams, vgl. bei-ſchlaf und be-ſchlafen, bei-ſitz und be-ſitz,
ſo daß auch neben be-wænen ein ſubſt. bî-wân (ſuſpicio)
gelten könnte. In mehrern ahd. wörtern bin ich über
pi- oder pî- unſchlüßig. Oft ſtehen auch beide bil-
dungen einander entgegen, z. b. bei-ſchluß, be-ſchluß;
bei-ſtand, be-ſtand; bei-trag, be-trag; aber ſolche gegen-
ſätze der bedeutung laßen ſich ſelbſt in fällen wahrneh-

Z z
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0739" n="721"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">partikelcompo&#x017F;ition. &#x2014; part. mit nom.</hi></hi></fw><lb/>
ga&#x017F;t 136<hi rendition="#sup">b</hi>; bî-lant (terra vicina) Tri&#x017F;t.; bî-lëger (concubi-<lb/>
tus) folgere ich aus dem nhd. bei-lager und dem mhd.<lb/>
verbo bî-ligen; bî-&#x017F;â&#x01B7;e (vicinus); bî-&#x017F;chaft (parabola)<lb/>
Barl. Bon.; bî-&#x017F;pël (exemplum) Barl.; bî-&#x017F;tal (&#x017F;ubliminare)<lb/>
Wh. 2, 182<hi rendition="#sup">b</hi> vgl. Oberl. v. bei-&#x017F;tal; bî-&#x017F;tuodel (po&#x017F;tes)<lb/>
Oberl.; bî-vilde (funus, ex&#x017F;equiae) Nib. 4276. (al. be-<lb/>
vilde); bî-wîp (pellex) Oberl.; bî-ziht (criminatio) Parc.<lb/>
173<hi rendition="#sup">c</hi>, andere ergeben fich aus dem nhd. &#x2014; 2) be-, über-<lb/>
all unbetont: be-derbe (utilis) MS. 2, 239<hi rendition="#sup">b</hi> un-be-derbe<lb/>
(fru&#x017F;traneus) Jw. 53<hi rendition="#sup">b</hi> im reim: erbe, doch deutet bei an-<lb/>
dern die &#x017F;chreibung bi-derbe auf die alte betonung, wenn<lb/>
gleich dadurch der fal&#x017F;che &#x017F;chein einer wurzel bid-erbe<lb/>
ent&#x017F;prang; be-giht (confe&#x017F;&#x017F;io) Barl. &#x017F;päter contrahiert bîhte<lb/>
mi&#x017F;c. 2, 215; be-gin Tri&#x017F;t.; be-gun&#x017F;t (Barl.; be-gri&#x017F;t; (com-<lb/>
plexus) Parc. 97<hi rendition="#sup">c</hi>; be-hagel (audax) Herb. 90<hi rendition="#sup">c</hi> be-jac (acqui-<lb/>
&#x017F;itio) Parc. 87<hi rendition="#sup">c</hi> 93<hi rendition="#sup">c</hi> 105<hi rendition="#sup">b</hi> Wigal. und &#x017F;on&#x017F;t häufig; be-lîp (quies)<lb/>
am. 19<hi rendition="#sup">b</hi>; be-&#x017F;ë&#x01B7; (ob&#x017F;idio) Rud. weltchr. Schütze 1, 203; be-<lb/>
zoch Nib. 1465. &#x2014; nhd. 1) betontes bei-: bei-bote; bei-<lb/>
fall; bei-frau; bei-hilfe; bei-kirche (eccl. filia); bei-lage;<lb/>
bei-lager; bei-leid; bei-name; bei-&#x017F;chlaf; bei-&#x017F;chlag (numus<lb/>
adulterinus); bei-&#x017F;chmak; bei-&#x017F;itzer; bei-&#x017F;tand; bei-&#x017F;piel; bei-<lb/>
&#x017F;teuer; bei-trag; bei-tritt; bei-wagen; bei-weg; bei-wort.<lb/>
2) unbetontes be-: be-dacht; be-fang; be-fehl; be-fund;<lb/>
be-ginn; be-griff; be-huf; be-lauf; be-leg; be-richt; be-<lb/>
&#x017F;chlag; be-&#x017F;itz; be-&#x017F;tand; be-trug; be-zug u. a. m. deren<lb/>
jedoch viele &#x017F;ichtbar aus verbis abgeleitet &#x017F;ind, z. b. be-<lb/>
lang, be-lauf. Unkenntlich geworden i&#x017F;t die partikel in<lb/>
bieder (validus, utilis) und beichte. &#x2014; engl. 1) by-: by-<lb/>
blow; by-di&#x017F;h; by-lane; by-lander; by-name; by-path;<lb/>
by-road; by-&#x017F;ack; by-&#x017F;tander; by-town; by-way; by-<lb/>
word; by-work. 2) be-, wenig nomina: be-half; be-<lb/>
he&#x017F;t; be-hoof; be-lief. &#x2014; Aus der anfänglichen identität<lb/>
des bî- und be-, von welcher ich ausgegangen bin, er-<lb/>
geben &#x017F;ich fa&#x017F;t zu jeder zeit berührungen beider, das le-<lb/>
bendige nahe&#x017F;ein geht über in den abgezogenen begriff<lb/>
von einwirkung. Z. b. be-graben heißt &#x017F;epelire, mhd.<lb/>
auch be-vëlhen, im &#x017F;ub&#x017F;t. gilt bî-vilde, wahr&#x017F;ch. auch<lb/>
bî-graft (vocab. 1482. bei-gref), die bei-legung des leich-<lb/>
nams, vgl. bei-&#x017F;chlaf und be-&#x017F;chlafen, bei-&#x017F;itz und be-&#x017F;itz,<lb/>
&#x017F;o daß auch neben be-wænen ein &#x017F;ub&#x017F;t. bî-wân (&#x017F;u&#x017F;picio)<lb/>
gelten könnte. In mehrern ahd. wörtern bin ich über<lb/>
pi- oder pî- un&#x017F;chlüßig. Oft &#x017F;tehen auch beide bil-<lb/>
dungen einander entgegen, z. b. bei-&#x017F;chluß, be-&#x017F;chluß;<lb/>
bei-&#x017F;tand, be-&#x017F;tand; bei-trag, be-trag; aber &#x017F;olche gegen-<lb/>
&#x017F;ätze der bedeutung laßen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t in fällen wahrneh-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z z</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[721/0739] III. partikelcompoſition. — part. mit nom. gaſt 136b; bî-lant (terra vicina) Triſt.; bî-lëger (concubi- tus) folgere ich aus dem nhd. bei-lager und dem mhd. verbo bî-ligen; bî-ſâƷe (vicinus); bî-ſchaft (parabola) Barl. Bon.; bî-ſpël (exemplum) Barl.; bî-ſtal (ſubliminare) Wh. 2, 182b vgl. Oberl. v. bei-ſtal; bî-ſtuodel (poſtes) Oberl.; bî-vilde (funus, exſequiae) Nib. 4276. (al. be- vilde); bî-wîp (pellex) Oberl.; bî-ziht (criminatio) Parc. 173c, andere ergeben fich aus dem nhd. — 2) be-, über- all unbetont: be-derbe (utilis) MS. 2, 239b un-be-derbe (fruſtraneus) Jw. 53b im reim: erbe, doch deutet bei an- dern die ſchreibung bi-derbe auf die alte betonung, wenn gleich dadurch der falſche ſchein einer wurzel bid-erbe entſprang; be-giht (confeſſio) Barl. ſpäter contrahiert bîhte miſc. 2, 215; be-gin Triſt.; be-gunſt (Barl.; be-griſt; (com- plexus) Parc. 97c; be-hagel (audax) Herb. 90c be-jac (acqui- ſitio) Parc. 87c 93c 105b Wigal. und ſonſt häufig; be-lîp (quies) am. 19b; be-ſëƷ (obſidio) Rud. weltchr. Schütze 1, 203; be- zoch Nib. 1465. — nhd. 1) betontes bei-: bei-bote; bei- fall; bei-frau; bei-hilfe; bei-kirche (eccl. filia); bei-lage; bei-lager; bei-leid; bei-name; bei-ſchlaf; bei-ſchlag (numus adulterinus); bei-ſchmak; bei-ſitzer; bei-ſtand; bei-ſpiel; bei- ſteuer; bei-trag; bei-tritt; bei-wagen; bei-weg; bei-wort. 2) unbetontes be-: be-dacht; be-fang; be-fehl; be-fund; be-ginn; be-griff; be-huf; be-lauf; be-leg; be-richt; be- ſchlag; be-ſitz; be-ſtand; be-trug; be-zug u. a. m. deren jedoch viele ſichtbar aus verbis abgeleitet ſind, z. b. be- lang, be-lauf. Unkenntlich geworden iſt die partikel in bieder (validus, utilis) und beichte. — engl. 1) by-: by- blow; by-diſh; by-lane; by-lander; by-name; by-path; by-road; by-ſack; by-ſtander; by-town; by-way; by- word; by-work. 2) be-, wenig nomina: be-half; be- heſt; be-hoof; be-lief. — Aus der anfänglichen identität des bî- und be-, von welcher ich ausgegangen bin, er- geben ſich faſt zu jeder zeit berührungen beider, das le- bendige naheſein geht über in den abgezogenen begriff von einwirkung. Z. b. be-graben heißt ſepelire, mhd. auch be-vëlhen, im ſubſt. gilt bî-vilde, wahrſch. auch bî-graft (vocab. 1482. bei-gref), die bei-legung des leich- nams, vgl. bei-ſchlaf und be-ſchlafen, bei-ſitz und be-ſitz, ſo daß auch neben be-wænen ein ſubſt. bî-wân (ſuſpicio) gelten könnte. In mehrern ahd. wörtern bin ich über pi- oder pî- unſchlüßig. Oft ſtehen auch beide bil- dungen einander entgegen, z. b. bei-ſchluß, be-ſchluß; bei-ſtand, be-ſtand; bei-trag, be-trag; aber ſolche gegen- ſätze der bedeutung laßen ſich ſelbſt in fällen wahrneh- Z z

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/739
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/739>, abgerufen am 22.11.2024.