Mhd. erscheinen diese bildungen sparsam und da auch das t (d) wegzufallen pflegt *), entspringt für ihre form die ungewisheit, ob nicht mit dem inf., ja bei starken verbis, deren part. praet. den vocal des inf. hat, ob nicht mit dem part, praet. zusammengesetzt sei? Analogie und bedeutung helfen nicht immer aus. Hier ist alles, was ich an- zuführen weiß: bouwen-l. Parc. 136c nach dem ahd. pauant- l.; dolten-l. am. 7c; eigen-l. Barl., nach dem ags. agend-l. und nhd. eigent-l., wiewohl altn. eigin-l., nicht eigan-l.; ver- geßen-l (obliviosus) Parc. 192c; grueßen-l. Parc. 72b kosten- -l. (pretiosus) Parc. 55b; küssen-l. (zum küssen gemacht) Parc. 98a; lachen-l. (ridens) MS. 1, 201b Bit. 126b; leiden-l. (dolens) Parc. 4a; vermeßen-l. troj. 195. (Oberl.); weinen-l. Wh. 2, 114a; wißen-l. (sciens) En. 63c wißent-l. Trist. 16618; unverzagen-l. Wh. 2, 113a. Sollten nicht auch falsche -eclich (s. 662.) aus -entlich hervorgegangen sein? vgl. erkennec-l. Parc. 62a und zuweilen haben die hss. min- nenclich neben minneclich st. minnentl. (ahd. minnontleih), weinenclich (Wh. 2, 114a) f. weinecl. weinel.
Nhd. werden die meisten dieser participialzusammen- setzungen durch bloß verbale vertreten, d. h. wir sagen unerbitt-l. unaufhör-l. unabwend-l. statt unerbittent-l. unauthörent-l. unabwendent-l. Nur nachstehende behalten die ahd. nt-form (nicht das mhd. -n): eigent-l. uneigent-l.; flehent-l.; hoffent-l. verhoffent-l.; leident-l. unleident-l. (wofür doch gewöhnlicher leid-l. unleid-l.); vermeßent-l.; wesent-l. unwesent-l.; wißent-l. In gemeiner volkssprache hin und wieder: vermuthent-l. untröstent-l. u. a. m. Um- gekehrt hat die schriftsprache einigen -nt ertheilt, denen es als part. praet. oder gar als adj. und subst. nicht gebührt: geflißent-l. gelegent-l. verschiedent-l. öffent-l. nament-l. or- dent-l. (schon Parc. 64c) wöchent-l. aus nachgiebigkeit gegen die gefügige verbindung des t mit n. Das part. praes. wird
Mhd. erſcheinen dieſe bildungen ſparſam und da auch das t (d) wegzufallen pflegt *), entſpringt für ihre form die ungewisheit, ob nicht mit dem inf., ja bei ſtarken verbis, deren part. praet. den vocal des inf. hat, ob nicht mit dem part, praet. zuſammengeſetzt ſei? Analogie und bedeutung helfen nicht immer aus. Hier iſt alles, was ich an- zuführen weiß: bouwen-l. Parc. 136c nach dem ahd. pûant- l.; dolten-l. am. 7c; eigen-l. Barl., nach dem agſ. âgend-l. und nhd. eigent-l., wiewohl altn. eigin-l., nicht eigan-l.; ver- gëƷƷen-l (oblivioſus) Parc. 192c; grueƷen-l. Parc. 72b koſten- -l. (pretioſus) Parc. 55b; küſſen-l. (zum küſſen gemacht) Parc. 98a; lachen-l. (ridens) MS. 1, 201b Bit. 126b; lîden-l. (dolens) Parc. 4a; vermëƷƷen-l. troj. 195. (Oberl.); weinen-l. Wh. 2, 114a; wiƷƷen-l. (ſciens) En. 63c wiƷƷent-l. Triſt. 16618; unverzagen-l. Wh. 2, 113a. Sollten nicht auch falſche -eclich (ſ. 662.) aus -entlich hervorgegangen ſein? vgl. erkennec-l. Parc. 62a und zuweilen haben die hſſ. min- nenclich neben minneclich ſt. minnentl. (ahd. minnôntlîh), weinenclich (Wh. 2, 114a) f. weinecl. weinel.
Nhd. werden die meiſten dieſer participialzuſammen- ſetzungen durch bloß verbale vertreten, d. h. wir ſagen unerbitt-l. unaufhör-l. unabwend-l. ſtatt unerbittent-l. unauthörent-l. unabwendent-l. Nur nachſtehende behalten die ahd. nt-form (nicht das mhd. -n): eigent-l. uneigent-l.; flehent-l.; hoffent-l. verhoffent-l.; leident-l. unleident-l. (wofür doch gewöhnlicher leid-l. unleid-l.); vermeßent-l.; weſent-l. unweſent-l.; wißent-l. In gemeiner volksſprache hin und wieder: vermuthent-l. untröſtent-l. u. a. m. Um- gekehrt hat die ſchriftſprache einigen -nt ertheilt, denen es als part. praet. oder gar als adj. und ſubſt. nicht gebührt: geflißent-l. gelegent-l. verſchiedent-l. öffent-l. nament-l. or- dent-l. (ſchon Parc. 64c) wöchent-l. aus nachgiebigkeit gegen die gefügige verbindung des t mit n. Das part. praeſ. wird
*) während in der III. pl. praeſ. -nt haftet.
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III. verbale compoſition. — participiale.
lan-l. (immenſus); ôupprœtan-l. (inexſtirpabilis); ôafſa-
kan-l. (inexcuſabilis); ôſeðjan-l. (inſatiabilis); ôſegjan-l.
(inenarrabilis) ôûtſegjan-l. (id.); ôflökvan-l. (inextinguibi-
lis); ôſvêgan-l. (inflexib.); ôteljan-l. (innumerab.); ôtruan-
l. (incredib.); ôþeckjan-l. (inagnoſcib.) ôþenkjan-l. (inco-
gitab.); ôþolan-l. (intolerab.); ôþriótan-l. (inexhauſtus);
ôvîkjan-l. (inexorab.); ôvîſnan-l. (immarceſcib.); vitan-l.
(notus) ôvitan-l. (inſcius); ôyfirvinnan-l. (invincib.)
u. a. m.
Mhd. erſcheinen dieſe bildungen ſparſam und da auch
das t (d) wegzufallen pflegt *), entſpringt für ihre form
die ungewisheit, ob nicht mit dem inf., ja bei ſtarken
verbis, deren part. praet. den vocal des inf. hat, ob nicht
mit dem part, praet. zuſammengeſetzt ſei? Analogie und
bedeutung helfen nicht immer aus. Hier iſt alles, was ich an-
zuführen weiß: bouwen-l. Parc. 136c nach dem ahd. pûant-
l.; dolten-l. am. 7c; eigen-l. Barl., nach dem agſ. âgend-l. und
nhd. eigent-l., wiewohl altn. eigin-l., nicht eigan-l.; ver-
gëƷƷen-l (oblivioſus) Parc. 192c; grueƷen-l. Parc. 72b koſten-
-l. (pretioſus) Parc. 55b; küſſen-l. (zum küſſen gemacht) Parc.
98a; lachen-l. (ridens) MS. 1, 201b Bit. 126b; lîden-l. (dolens)
Parc. 4a; vermëƷƷen-l. troj. 195. (Oberl.); weinen-l. Wh.
2, 114a; wiƷƷen-l. (ſciens) En. 63c wiƷƷent-l. Triſt. 16618;
unverzagen-l. Wh. 2, 113a. Sollten nicht auch falſche
-eclich (ſ. 662.) aus -entlich hervorgegangen ſein? vgl.
erkennec-l. Parc. 62a und zuweilen haben die hſſ. min-
nenclich neben minneclich ſt. minnentl. (ahd. minnôntlîh),
weinenclich (Wh. 2, 114a) f. weinecl. weinel.
Nhd. werden die meiſten dieſer participialzuſammen-
ſetzungen durch bloß verbale vertreten, d. h. wir ſagen
unerbitt-l. unaufhör-l. unabwend-l. ſtatt unerbittent-l.
unauthörent-l. unabwendent-l. Nur nachſtehende behalten
die ahd. nt-form (nicht das mhd. -n): eigent-l. uneigent-l.;
flehent-l.; hoffent-l. verhoffent-l.; leident-l. unleident-l.
(wofür doch gewöhnlicher leid-l. unleid-l.); vermeßent-l.;
weſent-l. unweſent-l.; wißent-l. In gemeiner volksſprache
hin und wieder: vermuthent-l. untröſtent-l. u. a. m. Um-
gekehrt hat die ſchriftſprache einigen -nt ertheilt, denen
es als part. praet. oder gar als adj. und ſubſt. nicht gebührt:
geflißent-l. gelegent-l. verſchiedent-l. öffent-l. nament-l. or-
dent-l. (ſchon Parc. 64c) wöchent-l. aus nachgiebigkeit gegen
die gefügige verbindung des t mit n. Das part. praeſ. wird
*) während in der III. pl. praeſ. -nt haftet.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/708>, abgerufen am 25.11.2024.
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