gen, die der alten epischen richtung der sprache ange- meßen waren. Welcher reichthum poetischer ausdrücke für krieg und krieger im ags. Beovulf allein, deren viel- leicht keinen einzigen der dichter neu hinzu erfunden hatte; sie waren gemeingut und würden in den verlornen gothischen liedern stehen, wie wir sie in den altnordi- schen antreffen. Einzelne ideenverbindungen der alten zus. setzung sind so geläufig, daß zuweilen das erste und zweite wort, ohne merkbare änderung des begriffs, ihre stelle wechseln (vgl. nhd. wind-sturm, sturm-wind; raub- mord, mord-raub; ahd. magan-wetar, altn. vedr-megin; ags. beot-vord und vord-beot; vine-maeg und maeg-vine; bealo-cvealm und cvealm-bealu; thife-thorn und thorn-thi- fel; die ahd. n. pr. ker-not und not-ker etc.). Eine fä- higkeit der älteren sprache, die mit der natur der allite- ration zusammenhängt, wie überhaupt keine alliteration ohne die manigfaltigkeit und behendigkeit des composi- tionsvermögens einer sprache würde geübt werden kön- nen. Auch die pleonasmen sind ihr nothwendig (z. b. goth. naudi-band; mhd. scah-roup, cod. pal. 361, 92b; ags. hord-vela, sinc-gestreon, hord-gestreon, vudu-beam, holt-vudu) welche zugleich der beschreibung stärke und schönheit verleihen *); zuweilen aber muß das zweite wort den verdunkelten sinn eines ihm vorherstehenden erfrischen, z. b. in affalter-boum.
19) bei aller verbreitung der meisten compositionen und ihrer mittel durch den gesammten sprachstamm muß die besonderheit einzelner für die erforschung der mund- arten erwünschte aufschlüße bringen; man sehe z. b. die ausdrücke für lucerna, candelabrum: goth. lukarna-statha, ahd. lioht-faß, lioht-char, lioht-stal, lioht-trago, cherzi- stal, chantila-stap, ags. cändel-stäf, altn. lios-beri.
20) schließlich einige bemerkungen über fremde wör- ter. Ableitungen treten ungern an undeutsche wurzeln (s. 400.); in der composition verbinden sie sich weit leich- ter. So stehet im ersten wort lukarna-statha, cändel-stäf, piscof-tuom, meistar-tuom, treso-chamara, salm-sanc etc. und im zweiten sind -meistar, -chamara etc. ganz übliche formeln; wir sagen ohne anstand: feld-soldat, land-soldat,
*) ich habe s. 405. in abrede gestellt, daß sich ein fubst. mit sich selbst componiere; doch ist das ags. cyne-cyn nicht zu übersehen.
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III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
gen, die der alten epiſchen richtung der ſprache ange- meßen waren. Welcher reichthum poetiſcher ausdrücke für krieg und krieger im agſ. Beovulf allein, deren viel- leicht keinen einzigen der dichter neu hinzu erfunden hatte; ſie waren gemeingut und würden in den verlornen gothiſchen liedern ſtehen, wie wir ſie in den altnordi- ſchen antreffen. Einzelne ideenverbindungen der alten zuſ. ſetzung ſind ſo geläufig, daß zuweilen das erſte und zweite wort, ohne merkbare änderung des begriffs, ihre ſtelle wechſeln (vgl. nhd. wind-ſturm, ſturm-wind; raub- mord, mord-raub; ahd. magan-wëtar, altn. vëdr-megin; agſ. bëót-vord und vord-bëót; vine-mæg und mæg-vine; bëalo-cvëalm und cvëalm-bëalu; þife-þorn und þorn-þi- fel; die ahd. n. pr. kêr-nôt und nôt-kêr etc.). Eine fä- higkeit der älteren ſprache, die mit der natur der allite- ration zuſammenhängt, wie überhaupt keine alliteration ohne die manigfaltigkeit und behendigkeit des compoſi- tionsvermögens einer ſprache würde geübt werden kön- nen. Auch die pleonaſmen ſind ihr nothwendig (z. b. goth. naudi-band; mhd. ſcâh-roup, cod. pal. 361, 92b; agſ. hord-vëla, ſinc-geſtrëón, hord-geſtrëón, vudu-beám, holt-vudu) welche zugleich der beſchreibung ſtärke und ſchönheit verleihen *); zuweilen aber muß das zweite wort den verdunkelten ſinn eines ihm vorherſtehenden erfriſchen, z. b. in affalter-boum.
19) bei aller verbreitung der meiſten compoſitionen und ihrer mittel durch den geſammten ſprachſtamm muß die beſonderheit einzelner für die erforſchung der mund- arten erwünſchte aufſchlüße bringen; man ſehe z. b. die ausdrücke für lucerna, candelabrum: goth. lukarna-ſtaþa, ahd. lioht-faƷ, lioht-char, lioht-ſtal, lioht-trago, cherzi- ſtal, chantila-ſtap, agſ. cändel-ſtäf, altn. liós-bëri.
20) ſchließlich einige bemerkungen über fremde wör- ter. Ableitungen treten ungern an undeutſche wurzeln (ſ. 400.); in der compoſition verbinden ſie ſich weit leich- ter. So ſtehet im erſten wort lukarna-ſtaþa, cändel-ſtäf, piſcof-tuom, meiſtar-tuom, trëſo-chamara, ſalm-ſanc etc. und im zweiten ſind -meiſtar, -chamara etc. ganz übliche formeln; wir ſagen ohne anſtand: feld-ſoldat, land-ſoldat,
*) ich habe ſ. 405. in abrede geſtellt, daß ſich ein fubſt. mit ſich ſelbſt componiere; doch iſt das agſ. cyne-cyn nicht zu überſehen.
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III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
gen, die der alten epiſchen richtung der ſprache ange-
meßen waren. Welcher reichthum poetiſcher ausdrücke
für krieg und krieger im agſ. Beovulf allein, deren viel-
leicht keinen einzigen der dichter neu hinzu erfunden
hatte; ſie waren gemeingut und würden in den verlornen
gothiſchen liedern ſtehen, wie wir ſie in den altnordi-
ſchen antreffen. Einzelne ideenverbindungen der alten
zuſ. ſetzung ſind ſo geläufig, daß zuweilen das erſte und
zweite wort, ohne merkbare änderung des begriffs, ihre
ſtelle wechſeln (vgl. nhd. wind-ſturm, ſturm-wind; raub-
mord, mord-raub; ahd. magan-wëtar, altn. vëdr-megin;
agſ. bëót-vord und vord-bëót; vine-mæg und mæg-vine;
bëalo-cvëalm und cvëalm-bëalu; þife-þorn und þorn-þi-
fel; die ahd. n. pr. kêr-nôt und nôt-kêr etc.). Eine fä-
higkeit der älteren ſprache, die mit der natur der allite-
ration zuſammenhängt, wie überhaupt keine alliteration
ohne die manigfaltigkeit und behendigkeit des compoſi-
tionsvermögens einer ſprache würde geübt werden kön-
nen. Auch die pleonaſmen ſind ihr nothwendig (z. b.
goth. naudi-band; mhd. ſcâh-roup, cod. pal. 361, 92b;
agſ. hord-vëla, ſinc-geſtrëón, hord-geſtrëón, vudu-beám,
holt-vudu) welche zugleich der beſchreibung ſtärke und
ſchönheit verleihen *); zuweilen aber muß das zweite
wort den verdunkelten ſinn eines ihm vorherſtehenden
erfriſchen, z. b. in affalter-boum.
19) bei aller verbreitung der meiſten compoſitionen
und ihrer mittel durch den geſammten ſprachſtamm muß
die beſonderheit einzelner für die erforſchung der mund-
arten erwünſchte aufſchlüße bringen; man ſehe z. b. die
ausdrücke für lucerna, candelabrum: goth. lukarna-ſtaþa,
ahd. lioht-faƷ, lioht-char, lioht-ſtal, lioht-trago, cherzi-
ſtal, chantila-ſtap, agſ. cändel-ſtäf, altn. liós-bëri.
20) ſchließlich einige bemerkungen über fremde wör-
ter. Ableitungen treten ungern an undeutſche wurzeln
(ſ. 400.); in der compoſition verbinden ſie ſich weit leich-
ter. So ſtehet im erſten wort lukarna-ſtaþa, cändel-ſtäf,
piſcof-tuom, meiſtar-tuom, trëſo-chamara, ſalm-ſanc etc.
und im zweiten ſind -meiſtar, -chamara etc. ganz übliche
formeln; wir ſagen ohne anſtand: feld-ſoldat, land-ſoldat,
*) ich habe ſ. 405. in abrede geſtellt, daß ſich ein fubſt. mit
ſich ſelbſt componiere; doch iſt das agſ. cyne-cyn nicht zu
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/565>, abgerufen am 22.11.2024.
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