das nhd. welt aus ahd. wer-alt; das altn. frelsa aus frei- halsa. Die wichtigsten, häufigsten fälle ereignen sich aber bei der composition mit partikeln, theils durch apocope des auslautenden partikelvocals, z. b. mhd. bloch, nhd. block aus ahd. pi-loh; nhd. glück aus mhd. ge-lücke; theils durch aphärese des anlautenden, z. b. schwed. pa aus altn. up-a; ahd. fana, fona, nhd. von wahrscheinlich aus älteren af-ana, welches zu einer zeit componiert sein muß, da man noch af, nicht aba, apa sagte; jünger ist neben aus in-eben. Verschiedne mit s vor liq. und mut. anlautende wurzeln scheinen auf uralte composition mit einer partikel as, is, us zu deuten, deren vocal geschwun- den ist, z. b. smal, smeltan, flingan auf s-mal, s-meltan, s-lingan, wovon weiter bei der composition mit partikeln zu handeln ist. Offenbarer stammt freßan, fliosan aus fer-eßan, fer-liosan.
4) die deutlichkeit der beiden wörter leidet aber nicht bloß durch diese verminderung der silbenzahl, d. h. aus- laßung von vocalen, sondern auch durch die damit zu- gleich oder allein für sich ergehende unterdrückung und entstellung der consonanten. Vornämlich trifft das die drei spiranten. Beispiele von schwindendem s liefert die partikelzusammensetzung; h schwindet im schonangeführ- ten frelsa, freials f. freihalsa, frei-hals; in leichame f. leich- hame, später entstellt in leich-name, altn. leikamr f. leik- hamr; im nnl. willem f. wil-helm, altn. viljalmr f. vil- hialmr; altn. nordralfa f. nordr-halfa; nnl. reinaard f. rein-hard (oben s. 339. 340.); nhd. composita mit -heit entstellen es oft in -keit; v schwindet im altn. noregr, dän. norge f. nor-vegr; in den formeln -olf für -wolf (s. 331.), -ald für -wald (s. 333.), -anga f. wanga (s. 349.); in niht aus ni-wiht; im ags. nat, nylle aus ne-vat, ne- ville. Seltner verliert sich muta, vgl. hiutau aus hiau-ta- gau, teidinc aus tage-dinc, mage-tuom f. maget-tuom und Wolframs herzen-tuom f. herzogen-tuom; ahd. mau-werf, nhd. maul-wurf f. molt-werf. Durch gemination entstellt sich annuzi T. aus ant-luzi; durch bloßen wechsel schwed. hustru aus hus-fru *).
5) unterschied zwischen zusammensetzung und ablei- tung (vgl. s. 90. 91.): a) beide bestehen aus zwei theilen, aber bei der derivation ist der erste theil das hauptsäch- lichere und deutlichere, der zutretende zweite an sich selbst
*) beispiele die menge liefern heutige ortsnamen, da verwan- delt sich -dorf in -druf (thorp in trup); -heim in -hem, -em etc.
III. zuſammenſetzung. vorbemerkungen.
das nhd. welt aus ahd. wër-alt; das altn. frelſa aus frî- halſa. Die wichtigſten, häufigſten fälle ereignen ſich aber bei der compoſition mit partikeln, theils durch apocope des auslautenden partikelvocals, z. b. mhd. bloch, nhd. block aus ahd. pi-loh; nhd. glück aus mhd. ge-lücke; theils durch aphäreſe des anlautenden, z. b. ſchwed. på aus altn. up-â; ahd. fana, fona, nhd. von wahrſcheinlich aus älteren af-ana, welches zu einer zeit componiert ſein muß, da man noch af, nicht aba, apa ſagte; jünger iſt neben aus in-eben. Verſchiedne mit ſ vor liq. und mut. anlautende wurzeln ſcheinen auf uralte compoſition mit einer partikel as, is, us zu deuten, deren vocal geſchwun- den iſt, z. b. ſmal, ſmëltan, flingan auf ſ-mal, ſ-mëltan, ſ-lingan, wovon weiter bei der compoſition mit partikeln zu handeln iſt. Offenbarer ſtammt frëƷƷan, flioſan aus fer-ëƷƷan, fer-lioſan.
4) die deutlichkeit der beiden wörter leidet aber nicht bloß durch dieſe verminderung der ſilbenzahl, d. h. aus- laßung von vocalen, ſondern auch durch die damit zu- gleich oder allein für ſich ergehende unterdrückung und entſtellung der conſonanten. Vornämlich trifft das die drei ſpiranten. Beiſpiele von ſchwindendem ſ liefert die partikelzuſammenſetzung; h ſchwindet im ſchonangeführ- ten frelſa, frîals f. frîhalſa, frî-hals; in lîchame f. lîch- hame, ſpäter entſtellt in lîch-name, altn. lîkamr f. lîk- hamr; im nnl. willem f. wil-helm, altn. viljâlmr f. vil- hiâlmr; altn. norðrâlfa f. norðr-hâlfa; nnl. reinaard f. rein-hard (oben ſ. 339. 340.); nhd. compoſita mit -heit entſtellen es oft in -keit; v ſchwindet im altn. noregr, dän. norge f. nor-vëgr; in den formeln -olf für -wolf (ſ. 331.), -ald für -wald (ſ. 333.), -anga f. wanga (ſ. 349.); in niht aus ni-wiht; im agſ. nât, nylle aus ne-vât, ne- ville. Seltner verliert ſich muta, vgl. hiutû aus hiû-ta- gû, teidinc aus tage-dinc, mage-tuom f. maget-tuom und Wolframs herzen-tuom f. herzogen-tuom; ahd. mû-wërf, nhd. maul-wurf f. molt-wërf. Durch gemination entſtellt ſich annuzi T. aus ant-luzi; durch bloßen wechſel ſchwed. huſtru aus hus-fru *).
5) unterſchied zwiſchen zuſammenſetzung und ablei- tung (vgl. ſ. 90. 91.): α) beide beſtehen aus zwei theilen, aber bei der derivation iſt der erſte theil das hauptſäch- lichere und deutlichere, der zutretende zweite an ſich ſelbſt
*) beiſpiele die menge liefern heutige ortsnamen, da verwan- delt ſich -dorf in -druf (thorp in trup); -heim in -hem, -em etc.
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III. zuſammenſetzung. vorbemerkungen.
das nhd. welt aus ahd. wër-alt; das altn. frelſa aus frî-
halſa. Die wichtigſten, häufigſten fälle ereignen ſich aber
bei der compoſition mit partikeln, theils durch apocope
des auslautenden partikelvocals, z. b. mhd. bloch, nhd.
block aus ahd. pi-loh; nhd. glück aus mhd. ge-lücke;
theils durch aphäreſe des anlautenden, z. b. ſchwed. på
aus altn. up-â; ahd. fana, fona, nhd. von wahrſcheinlich
aus älteren af-ana, welches zu einer zeit componiert ſein
muß, da man noch af, nicht aba, apa ſagte; jünger iſt
neben aus in-eben. Verſchiedne mit ſ vor liq. und mut.
anlautende wurzeln ſcheinen auf uralte compoſition mit
einer partikel as, is, us zu deuten, deren vocal geſchwun-
den iſt, z. b. ſmal, ſmëltan, flingan auf ſ-mal, ſ-mëltan,
ſ-lingan, wovon weiter bei der compoſition mit partikeln
zu handeln iſt. Offenbarer ſtammt frëƷƷan, flioſan aus
fer-ëƷƷan, fer-lioſan.
4) die deutlichkeit der beiden wörter leidet aber nicht
bloß durch dieſe verminderung der ſilbenzahl, d. h. aus-
laßung von vocalen, ſondern auch durch die damit zu-
gleich oder allein für ſich ergehende unterdrückung und
entſtellung der conſonanten. Vornämlich trifft das die
drei ſpiranten. Beiſpiele von ſchwindendem ſ liefert die
partikelzuſammenſetzung; h ſchwindet im ſchonangeführ-
ten frelſa, frîals f. frîhalſa, frî-hals; in lîchame f. lîch-
hame, ſpäter entſtellt in lîch-name, altn. lîkamr f. lîk-
hamr; im nnl. willem f. wil-helm, altn. viljâlmr f. vil-
hiâlmr; altn. norðrâlfa f. norðr-hâlfa; nnl. reinaard f.
rein-hard (oben ſ. 339. 340.); nhd. compoſita mit -heit
entſtellen es oft in -keit; v ſchwindet im altn. noregr,
dän. norge f. nor-vëgr; in den formeln -olf für -wolf
(ſ. 331.), -ald für -wald (ſ. 333.), -anga f. wanga (ſ. 349.);
in niht aus ni-wiht; im agſ. nât, nylle aus ne-vât, ne-
ville. Seltner verliert ſich muta, vgl. hiutû aus hiû-ta-
gû, teidinc aus tage-dinc, mage-tuom f. maget-tuom und
Wolframs herzen-tuom f. herzogen-tuom; ahd. mû-wërf,
nhd. maul-wurf f. molt-wërf. Durch gemination entſtellt
ſich annuzi T. aus ant-luzi; durch bloßen wechſel ſchwed.
huſtru aus hus-fru *).
5) unterſchied zwiſchen zuſammenſetzung und ablei-
tung (vgl. ſ. 90. 91.): α) beide beſtehen aus zwei theilen,
aber bei der derivation iſt der erſte theil das hauptſäch-
lichere und deutlichere, der zutretende zweite an ſich ſelbſt
*) beiſpiele die menge liefern heutige ortsnamen, da verwan-
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/424>, abgerufen am 22.11.2024.
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