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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. NG.
matrueles. Es dürfen aus dem ahd. fatar-ungo analoge
pruodar-ungo, suestar-ungo gefolgert werden, welchen

5) schwache feminina entsprechen müßen, vgl. das
vorhin vermuthete ags. fädr-unge und altn. steht systr-
aunga (consobrina) edd. saem. 258a. --

6) keine adjectiva auf -ung.

7) adverbia vorhin bei -ing, das zuweilen durch -ung
vertreten wird, angezeigt.

8) verba weiß ich höchstens einige im altn. aus masc.
auf -aungr abgeleitete: kauf-aunga (colaphizare) thuml-aunga
(pollice metiri). Feminina der ung-form, die eben selbst
aus verbis fließen, können ihrer keine wieder zeugen.


anmerkungen zu NG überhaupt:

a) es liegt darin vorwaltend ein begriff der abstammung
oder lieber verwandtschaft, wie zumahl die masc. auf
-ing, -ung, ingi, -ungo, vielleicht auch die abwesenheit
der neutra und adj. beweisen. Selbst die altn. fem. auf
-eing und -aunga führen dahin. Daß auch dinge auf -ing,
-ung vorkommen, gründet sich zum theil in alten perso-
nificationen, namentlich bei schwertnamen. Verkleine-
rung drücken sie an sich nicht aus, nur in sofern die ab-
stammung zugleich den begriff von jugend und kleinheit
enthält; kuning, oudering etc. bezeichnen durchaus nichts
kleines und fädrunge ascendenz, keine descendenz. Da-
her ich auch zus. hang dieser bildung mit dem adj. junc,
altn. aungr leugne. Vgl. auch hornung s. 360.

b) ohnehin würde dadurch die augenscheinlich begrün-
dete unterscheidung zwischen ing und ung nicht verstän-
digt; gerade die ing bezeichnen vorzugsweise das per-
sönliche. In der ahd. mundart sondern sich die lebendi-
gen masc. -ing von den abstracten fem. -ung am deut-
lichsten; die übrigen sprachen mischen beide formen
leichter.

c) die berührung, welche zwischen dem begriffe der
masc. auf -ng und dem der adv. und weibl. abstracte
statt findet, ist mir dunkel.

d) das -ling neben -ing (nicht -lung neben -ung) ist
fehlerhaft entsprungen und setzt immer ein älteres -ing
voraus, obgleich es in einzelnen wörtern (silberling,
kämmerling) sehr alt sein kann. Das organische -ing

III. conſonantiſche ableitungen. NG.
matrueles. Es dürfen aus dem ahd. fatar-ungo analoge
pruodar-ungo, ſuëſtar-ungo gefolgert werden, welchen

5) ſchwache feminina entſprechen müßen, vgl. das
vorhin vermuthete agſ. fädr-unge und altn. ſteht ſyſtr-
ûnga (conſobrina) edd. ſæm. 258a. —

6) keine adjectiva auf -ung.

7) adverbia vorhin bei -ing, das zuweilen durch -ung
vertreten wird, angezeigt.

8) verba weiß ich höchſtens einige im altn. aus maſc.
auf -ûngr abgeleitete: kûf-ûnga (colaphizare) þuml-ûnga
(pollice metiri). Feminina der ung-form, die eben ſelbſt
aus verbis fließen, können ihrer keine wieder zeugen.


anmerkungen zu NG überhaupt:

a) es liegt darin vorwaltend ein begriff der abſtammung
oder lieber verwandtſchaft, wie zumahl die maſc. auf
-ing, -ung, ingi, -ungo, vielleicht auch die abweſenheit
der neutra und adj. beweiſen. Selbſt die altn. fem. auf
-îng und -ûnga führen dahin. Daß auch dinge auf -ing,
-ung vorkommen, gründet ſich zum theil in alten perſo-
nificationen, namentlich bei ſchwertnamen. Verkleine-
rung drücken ſie an ſich nicht aus, nur in ſofern die ab-
ſtammung zugleich den begriff von jugend und kleinheit
enthält; kuning, oudering etc. bezeichnen durchaus nichts
kleines und fädrunge aſcendenz, keine deſcendenz. Da-
her ich auch zuſ. hang dieſer bildung mit dem adj. junc,
altn. ûngr leugne. Vgl. auch hornung ſ. 360.

b) ohnehin würde dadurch die augenſcheinlich begrün-
dete unterſcheidung zwiſchen ing und ung nicht verſtän-
digt; gerade die ing bezeichnen vorzugsweiſe das per-
ſönliche. In der ahd. mundart ſondern ſich die lebendi-
gen maſc. -ing von den abſtracten fem. -ung am deut-
lichſten; die übrigen ſprachen miſchen beide formen
leichter.

c) die berührung, welche zwiſchen dem begriffe der
maſc. auf -ng und dem der adv. und weibl. abſtracte
ſtatt findet, iſt mir dunkel.

d) das -ling neben -ing (nicht -lung neben -ung) iſt
fehlerhaft entſprungen und ſetzt immer ein älteres -ing
voraus, obgleich es in einzelnen wörtern (ſilberling,
kämmerling) ſehr alt ſein kann. Das organiſche -ing

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[364/0382] III. conſonantiſche ableitungen. NG. matrueles. Es dürfen aus dem ahd. fatar-ungo analoge pruodar-ungo, ſuëſtar-ungo gefolgert werden, welchen 5) ſchwache feminina entſprechen müßen, vgl. das vorhin vermuthete agſ. fädr-unge und altn. ſteht ſyſtr- ûnga (conſobrina) edd. ſæm. 258a. — 6) keine adjectiva auf -ung. 7) adverbia vorhin bei -ing, das zuweilen durch -ung vertreten wird, angezeigt. 8) verba weiß ich höchſtens einige im altn. aus maſc. auf -ûngr abgeleitete: kûf-ûnga (colaphizare) þuml-ûnga (pollice metiri). Feminina der ung-form, die eben ſelbſt aus verbis fließen, können ihrer keine wieder zeugen. anmerkungen zu NG überhaupt: a) es liegt darin vorwaltend ein begriff der abſtammung oder lieber verwandtſchaft, wie zumahl die maſc. auf -ing, -ung, ingi, -ungo, vielleicht auch die abweſenheit der neutra und adj. beweiſen. Selbſt die altn. fem. auf -îng und -ûnga führen dahin. Daß auch dinge auf -ing, -ung vorkommen, gründet ſich zum theil in alten perſo- nificationen, namentlich bei ſchwertnamen. Verkleine- rung drücken ſie an ſich nicht aus, nur in ſofern die ab- ſtammung zugleich den begriff von jugend und kleinheit enthält; kuning, oudering etc. bezeichnen durchaus nichts kleines und fädrunge aſcendenz, keine deſcendenz. Da- her ich auch zuſ. hang dieſer bildung mit dem adj. junc, altn. ûngr leugne. Vgl. auch hornung ſ. 360. b) ohnehin würde dadurch die augenſcheinlich begrün- dete unterſcheidung zwiſchen ing und ung nicht verſtän- digt; gerade die ing bezeichnen vorzugsweiſe das per- ſönliche. In der ahd. mundart ſondern ſich die lebendi- gen maſc. -ing von den abſtracten fem. -ung am deut- lichſten; die übrigen ſprachen miſchen beide formen leichter. c) die berührung, welche zwiſchen dem begriffe der maſc. auf -ng und dem der adv. und weibl. abſtracte ſtatt findet, iſt mir dunkel. d) das -ling neben -ing (nicht -lung neben -ung) iſt fehlerhaft entſprungen und ſetzt immer ein älteres -ing voraus, obgleich es in einzelnen wörtern (ſilberling, kämmerling) ſehr alt ſein kann. Das organiſche -ing

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/382>, abgerufen am 24.11.2024.