Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
III. consonantische ableitungen. ND. NS.

anmerkungen zu den ableitungen ND.

a) da im ags. das ahd. nd, nicht aber nt, in -d, mit
ausgeworfnem n, übergeht und ags. dug-od, geog-ud
(virtus, juventus) neben aer-end, olf-end, vel-and etc.
stehet; so scheinen die ahd. mhd. jug-und, jug-end, tug-
end eigentlich nicht zu der formel -nd (ahd. -nt) zu ge-
hören, sondern zu einer ableitung -nth (ahd. nd).

b) wo -d (-t) zu einem schon früher abgeleiteten -un,
-an tritt, ist unsre ableitung gar nicht vorhanden. Dies
gilt namentlich von einigen ordinalzahlen. Die ordina-
lien beruhen auf der ableitung -d (-t) und so bilden sich
von sibun, niun, taihun: sibun-da, niun-da. taihun-da,
ahd. sibun-to, niun-to, zehan-to. Man darf hier kein
sib-unda etc. annehmen. Das ahd. subst. zehan-to (pars
decima (ags. teo-da, alts. teg-otha) unterscheidet sich sehr
von dem goth. taihund-onds, dem ein ahd. zehant-unt
entsprechen würde. Allein die altn. subst. siöund, neiund,
teiund (pars septima, nona, decima) sind pure ordinal-
zahlen, welche Rask §. 344. nicht unter die ableitungen
-und hätte mischen sollen. Das von den altn. cardina-
lien siö, neiu, teiu apocopierte n hat sich nämlich in den
cardinalien erhalten.

g) eben so wenig ist unsre ableitung vorhanden, wo
sich das altn. subst. und (vulnus) oder undur (prodigium)
mit andern wörtern componieren, z. b. hol-und, merg-
und fem. (vulnus ad cavitatem corporis, ad medullam
permeans) vid-undur (morio) neutr.

d) die ableitung -nd in -n-d zu zerlegen wage ich
nicht; vgl. die lat. vol-untas; fac-undus, foec-undus,
joc-undus, sec-undus etc. und mehrfach componierte auf
-b-undus: vagabundus, tremebundus.


ableitungen mit NS.

hier sind nur wenige substantiva beizubringen und bei-
nahe bloß aus dem hochdeutschen.

1) schw. mase. -anso: ahd. wag-anso (vomer) gen.
dat. wagansin, acc. wagansun cass. 855a jun. 232. doc.
242a, bei N. 64, 11 steht der dat. wag-isin (vomere), wie
er isila f. insila setzt (1, 121.); mhd. wag-ense Rud. weltchr.;
später weg-enese Oberl. 488. schweizerisch wäg-ese (fem.)
Stald. 2, 428., aus des Dasyp. weg-eiß sollte man ein
compositum mit eisen (ferrum) folgern und bei N. wag-

III. conſonantiſche ableitungen. ND. NS.

anmerkungen zu den ableitungen ND.

α) da im agſ. das ahd. nd, nicht aber nt, in -ð, mit
ausgeworfnem n, übergeht und agſ. dug-ôð, gëog-uð
(virtus, juventus) neben ær-end, olf-end, vêl-and etc.
ſtehet; ſo ſcheinen die ahd. mhd. jug-und, jug-end, tug-
end eigentlich nicht zu der formel -nd (ahd. -nt) zu ge-
hören, ſondern zu einer ableitung -nþ (ahd. nd).

β) wo -d (-t) zu einem ſchon früher abgeleiteten -un,
-an tritt, iſt unſre ableitung gar nicht vorhanden. Dies
gilt namentlich von einigen ordinalzahlen. Die ordina-
lien beruhen auf der ableitung -d (-t) und ſo bilden ſich
von ſibun, niun, taíhun: ſibun-da, niun-da. taíhun-da,
ahd. ſibun-to, niun-to, zëhan-to. Man darf hier kein
ſib-unda etc. annehmen. Das ahd. ſubſt. zëhan-to (pars
decima (agſ. tëo-ða, altſ. tëg-otha) unterſcheidet ſich ſehr
von dem goth. taíhund-ônds, dem ein ahd. zëhant-unt
entſprechen würde. Allein die altn. ſubſt. ſiöund, nîund,
tîund (pars ſeptima, nona, decima) ſind pure ordinal-
zahlen, welche Raſk §. 344. nicht unter die ableitungen
-und hätte miſchen ſollen. Das von den altn. cardina-
lien ſiö, nîu, tîu apocopierte n hat ſich nämlich in den
cardinalien erhalten.

γ) eben ſo wenig iſt unſre ableitung vorhanden, wo
ſich das altn. ſubſt. und (vulnus) oder undur (prodigium)
mit andern wörtern componieren, z. b. hol-und, merg-
und fem. (vulnus ad cavitatem corporis, ad medullam
permeans) vid-undur (morio) neutr.

δ) die ableitung -nd in -n-d zu zerlegen wage ich
nicht; vgl. die lat. vol-untas; fac-undus, foec-undus,
joc-undus, ſec-undus etc. und mehrfach componierte auf
-b-undus: vagabundus, tremebundus.


ableitungen mit NS.

hier ſind nur wenige ſubſtantiva beizubringen und bei-
nahe bloß aus dem hochdeutſchen.

1) ſchw. maſe. -anſo: ahd. wag-anſo (vomer) gen.
dat. waganſin, acc. waganſun caſſ. 855a jun. 232. doc.
242a, bei N. 64, 11 ſteht der dat. wag-iſin (vomere), wie
er iſila f. inſila ſetzt (1, 121.); mhd. wag-enſe Rud. weltchr.;
ſpäter weg-eneſe Oberl. 488. ſchweizeriſch wäg-eſe (fem.)
Stald. 2, 428., aus des Daſyp. weg-eiß ſollte man ein
compoſitum mit îſen (ferrum) folgern und bei N. wag-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0363" n="345"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">con&#x017F;onanti&#x017F;che ableitungen. ND. NS.</hi></hi> </fw><lb/>
              <p><hi rendition="#i">anmerkungen</hi> zu den ableitungen ND.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) da im ag&#x017F;. das ahd. nd, nicht aber nt, in -ð, mit<lb/>
ausgeworfnem n, übergeht und ag&#x017F;. dug-ôð, gëog-uð<lb/>
(virtus, juventus) neben ær-end, olf-end, vêl-and etc.<lb/>
&#x017F;tehet; &#x017F;o &#x017F;cheinen die ahd. mhd. jug-und, jug-end, tug-<lb/>
end eigentlich nicht zu der formel -nd (ahd. -nt) zu ge-<lb/>
hören, &#x017F;ondern zu einer ableitung -nþ (ahd. nd).</p><lb/>
              <p><hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>) wo -d (-t) zu einem &#x017F;chon früher abgeleiteten -un,<lb/>
-an tritt, i&#x017F;t un&#x017F;re ableitung gar nicht vorhanden. Dies<lb/>
gilt namentlich von einigen ordinalzahlen. Die ordina-<lb/>
lien beruhen auf der ableitung -d (-t) und &#x017F;o bilden &#x017F;ich<lb/>
von &#x017F;ibun, niun, taíhun: &#x017F;ibun-da, niun-da. taíhun-da,<lb/>
ahd. &#x017F;ibun-to, niun-to, zëhan-to. Man darf hier kein<lb/>
&#x017F;ib-unda etc. annehmen. Das ahd. &#x017F;ub&#x017F;t. zëhan-to (pars<lb/>
decima (ag&#x017F;. tëo-ða, alt&#x017F;. tëg-otha) unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich &#x017F;ehr<lb/>
von dem goth. taíhund-ônds, dem ein ahd. zëhant-unt<lb/>
ent&#x017F;prechen würde. Allein die altn. &#x017F;ub&#x017F;t. &#x017F;iöund, nîund,<lb/>
tîund (pars &#x017F;eptima, nona, decima) &#x017F;ind pure ordinal-<lb/>
zahlen, welche Ra&#x017F;k §. 344. nicht unter die ableitungen<lb/>
-und hätte mi&#x017F;chen &#x017F;ollen. Das von den altn. cardina-<lb/>
lien &#x017F;iö, nîu, tîu apocopierte n hat &#x017F;ich nämlich in den<lb/>
cardinalien erhalten.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#i">&#x03B3;</hi>) eben &#x017F;o wenig i&#x017F;t un&#x017F;re ableitung vorhanden, wo<lb/>
&#x017F;ich das altn. &#x017F;ub&#x017F;t. und (vulnus) oder undur (prodigium)<lb/>
mit andern wörtern componieren, z. b. hol-und, merg-<lb/>
und fem. (vulnus ad cavitatem corporis, ad medullam<lb/>
permeans) vid-undur (morio) neutr.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#i">&#x03B4;</hi>) die ableitung -nd in -n-d zu zerlegen wage ich<lb/>
nicht; vgl. die lat. vol-untas; fac-undus, foec-undus,<lb/>
joc-undus, &#x017F;ec-undus etc. und mehrfach componierte auf<lb/>
-b-undus: vagabundus, tremebundus.</p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#i">ableitungen mit NS.</hi> </head><lb/>
              <p>hier &#x017F;ind nur wenige &#x017F;ub&#x017F;tantiva beizubringen und bei-<lb/>
nahe bloß aus dem hochdeut&#x017F;chen.</p><lb/>
              <p>1) <hi rendition="#i">&#x017F;chw. ma&#x017F;e. -an&#x017F;o:</hi> ahd. wag-an&#x017F;o (vomer) gen.<lb/>
dat. wagan&#x017F;in, acc. wagan&#x017F;un ca&#x017F;&#x017F;. 855<hi rendition="#sup">a</hi> jun. 232. doc.<lb/>
242<hi rendition="#sup">a</hi>, bei N. 64, 11 &#x017F;teht der dat. wag-i&#x017F;in (vomere), wie<lb/>
er i&#x017F;ila f. in&#x017F;ila &#x017F;etzt (1, 121.); mhd. wag-en&#x017F;e Rud. weltchr.;<lb/>
&#x017F;päter weg-ene&#x017F;e Oberl. 488. &#x017F;chweizeri&#x017F;ch wäg-e&#x017F;e (fem.)<lb/>
Stald. 2, 428., aus des Da&#x017F;yp. weg-eiß &#x017F;ollte man ein<lb/>
compo&#x017F;itum mit î&#x017F;en (ferrum) folgern und bei N. wag-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0363] III. conſonantiſche ableitungen. ND. NS. anmerkungen zu den ableitungen ND. α) da im agſ. das ahd. nd, nicht aber nt, in -ð, mit ausgeworfnem n, übergeht und agſ. dug-ôð, gëog-uð (virtus, juventus) neben ær-end, olf-end, vêl-and etc. ſtehet; ſo ſcheinen die ahd. mhd. jug-und, jug-end, tug- end eigentlich nicht zu der formel -nd (ahd. -nt) zu ge- hören, ſondern zu einer ableitung -nþ (ahd. nd). β) wo -d (-t) zu einem ſchon früher abgeleiteten -un, -an tritt, iſt unſre ableitung gar nicht vorhanden. Dies gilt namentlich von einigen ordinalzahlen. Die ordina- lien beruhen auf der ableitung -d (-t) und ſo bilden ſich von ſibun, niun, taíhun: ſibun-da, niun-da. taíhun-da, ahd. ſibun-to, niun-to, zëhan-to. Man darf hier kein ſib-unda etc. annehmen. Das ahd. ſubſt. zëhan-to (pars decima (agſ. tëo-ða, altſ. tëg-otha) unterſcheidet ſich ſehr von dem goth. taíhund-ônds, dem ein ahd. zëhant-unt entſprechen würde. Allein die altn. ſubſt. ſiöund, nîund, tîund (pars ſeptima, nona, decima) ſind pure ordinal- zahlen, welche Raſk §. 344. nicht unter die ableitungen -und hätte miſchen ſollen. Das von den altn. cardina- lien ſiö, nîu, tîu apocopierte n hat ſich nämlich in den cardinalien erhalten. γ) eben ſo wenig iſt unſre ableitung vorhanden, wo ſich das altn. ſubſt. und (vulnus) oder undur (prodigium) mit andern wörtern componieren, z. b. hol-und, merg- und fem. (vulnus ad cavitatem corporis, ad medullam permeans) vid-undur (morio) neutr. δ) die ableitung -nd in -n-d zu zerlegen wage ich nicht; vgl. die lat. vol-untas; fac-undus, foec-undus, joc-undus, ſec-undus etc. und mehrfach componierte auf -b-undus: vagabundus, tremebundus. ableitungen mit NS. hier ſind nur wenige ſubſtantiva beizubringen und bei- nahe bloß aus dem hochdeutſchen. 1) ſchw. maſe. -anſo: ahd. wag-anſo (vomer) gen. dat. waganſin, acc. waganſun caſſ. 855a jun. 232. doc. 242a, bei N. 64, 11 ſteht der dat. wag-iſin (vomere), wie er iſila f. inſila ſetzt (1, 121.); mhd. wag-enſe Rud. weltchr.; ſpäter weg-eneſe Oberl. 488. ſchweizeriſch wäg-eſe (fem.) Stald. 2, 428., aus des Daſyp. weg-eiß ſollte man ein compoſitum mit îſen (ferrum) folgern und bei N. wag-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/363
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/363>, abgerufen am 27.11.2024.