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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. G.
uld: geloub-ec, schuld-ec etc. gehören, ihrem unumlaut
zum trotze, der eic-form an. 2) bei unumlautbaren ent-
scheidet die analogie des ahd. z. b. geit-ec, ein-ec, wen-
ec fallen der ac-form heim, will-ec, neid-ec der eic-form,
womit ich für einzelne wörter und dialectisch übergänge
aus einer in die andere nicht ableugnen will, z. b. da
schon im ahd. N. heilig oder heileig f. heileg zuläßt, so
verdient auch Hartmanns heiligen: verswigen Jw. 58a
entschuldigung. 3) bei Wolfr. könnte eine mir von
Lachm. mitgetheilte metrische regel aufschluß geben:
in der penultima duldet er vor vocalisch anlautendem
stumpfreim das -ec unserer adj. (vorausgesetzt, daß die
wurzel lang sei,) nur wenn die urform -ac war, nicht
wenn sie -eic war, in welchem falle -eg stehen muß. So
z. b. schließt der vers: bluot-ec ist, zorn-ec ouch (nicht
bluot-eg ist, zorn-eg ouch) hingegen: genaed-eg ist, sael-
eg ouch (nicht genaed-ec ist, sael-ec ouch). Das wäre
nachwirkung der alten länge in -eic, welche die media
zwischen den zwei vocalen hervorruft: saelegist, während
die alte kürze -ac kein verschmelzendes bluotegist erlaubt,
sondern das -ec mehr mit der wurzel verbindet: bluotec
ist. Inzwischen hilft die regel für unsere anwendung we-
nig, da die beispiele wohl nur wörter darbieten, deren
-ac oder -eic schon aus andern gründen feststeht; eher
könnte sie lehren, daß Wolfr. in einzelnen adj. der un-
org. form huldigte, z. b. wenn er schuldec ist sagt statt
schuldeg ist, so folgt daraus für ihn ein schuldec = scul-
dac statt schuldec = sculdeic. 4) auf die analogie der be-
deutungen, da diese noch nicht gehörig bestimmt worden
sind, ist sehr behutsam zu bauen. -- Dies vorausgeschickt,
laße ich die mhd. adj. der ac-form folgen: er-barm-ec
(misericors) Wigal.; bluot-ec (cruentus); dorn-ec (spino-
sus); durst-ec (sitiens); ein-ec (unicus); eiter-c (veneno-
sus)? oder zur eic-form? Mar. 215. eitir-gem; gras-ec
(herbosus); geit-ec (avidus); haft-ec in e-haft-ec Barl. 387.
teil-haft-ec; hand-ec (acer) Herb. 76d; heil-ec; hunger-c;
jamer-c Wigal. Parc.; ge-lang-ec Trist.; leid-ec; durch-
liuht-ec; loub-ec (frondosus); lust-ec, ver-lust-ec; man-
ec, un-man-ec; mord-ec (occisorius) Wigal.; muor-ec (pa-
ludinosus) Parc. 97a; muot-ec; vruot-ec Tit. un-muot-ec:
wuot-ec Wilh. 3, 24a, wuot-ec Reinfr. 43d; narr-ec (stoli-
dus) Bon.; not-ec (coactus); pfaff-ec, geschloßen aus pfaffec-
leiche Barl. 398; harnasch-ram-ec Parc. 99a; riuw-ec; stoub-
ec (pulverosus); snew-ec; sweiß-ec Gudr. 78a; touw-ec (ro-
rulentus); traur-ec (tristis); -valt-ec, ein-valt-ec, drei-valt-ec;

III. conſonantiſche ableitungen. G.
uld: geloub-ec, ſchuld-ec etc. gehören, ihrem unumlaut
zum trotze, der îc-form an. 2) bei unumlautbaren ent-
ſcheidet die analogie des ahd. z. b. gît-ec, ein-ec, wên-
ec fallen der ac-form heim, will-ec, nîd-ec der îc-form,
womit ich für einzelne wörter und dialectiſch übergänge
aus einer in die andere nicht ableugnen will, z. b. da
ſchon im ahd. N. heilig oder heilîg f. heileg zuläßt, ſo
verdient auch Hartmanns heilìgen: verſwigen Jw. 58a
entſchuldigung. 3) bei Wolfr. könnte eine mir von
Lachm. mitgetheilte metriſche regel aufſchluß geben:
in der penultima duldet er vor vocaliſch anlautendem
ſtumpfreim das -ec unſerer adj. (vorausgeſetzt, daß die
wurzel lang ſei,) nur wenn die urform -ac war, nicht
wenn ſie -îc war, in welchem falle -eg ſtehen muß. So
z. b. ſchließt der vers: bluot-ec iſt, zorn-ec ouch (nicht
bluot-eg iſt, zorn-eg ouch) hingegen: genæd-eg iſt, ſæl-
eg ouch (nicht genæd-ec iſt, ſæl-ec ouch). Das wäre
nachwirkung der alten länge in -îc, welche die media
zwiſchen den zwei vocalen hervorruft: ſælegiſt, während
die alte kürze -ac kein verſchmelzendes bluotegiſt erlaubt,
ſondern das -ec mehr mit der wurzel verbindet: bluotec
iſt. Inzwiſchen hilft die regel für unſere anwendung we-
nig, da die beiſpiele wohl nur wörter darbieten, deren
-ac oder -îc ſchon aus andern gründen feſtſteht; eher
könnte ſie lehren, daß Wolfr. in einzelnen adj. der un-
org. form huldigte, z. b. wenn er ſchuldec iſt ſagt ſtatt
ſchuldeg iſt, ſo folgt daraus für ihn ein ſchuldec = ſcul-
dac ſtatt ſchuldec = ſculdîc. 4) auf die analogie der be-
deutungen, da dieſe noch nicht gehörig beſtimmt worden
ſind, iſt ſehr behutſam zu bauen. — Dies vorausgeſchickt,
laße ich die mhd. adj. der ac-form folgen: er-barm-ec
(miſericors) Wigal.; bluot-ec (cruentus); dorn-ec (ſpino-
ſus); durſt-ec (ſitiens); ein-ec (unicus); eiter-c (veneno-
ſus)? oder zur îc-form? Mar. 215. eitir-gem; graſ-ec
(herboſus); gît-ec (avidus); haft-ec in ê-haft-ec Barl. 387.
teil-haft-ec; hand-ec (acer) Herb. 76d; heil-ec; hunger-c;
jâmer-c Wigal. Parc.; ge-lang-ec Triſt.; leid-ec; durch-
liuht-ec; loub-ec (frondoſus); luſt-ec, ver-luſt-ec; man-
ec, un-man-ec; mord-ec (occiſorius) Wigal.; muor-ec (pa-
ludinoſus) Parc. 97a; muot-ec; vruot-ec Tit. un-muot-ec:
wuot-ec Wilh. 3, 24a, wuot-ec Reinfr. 43d; narr-ec (ſtoli-
dus) Bon.; nôt-ec (coactus); pfaff-ec, geſchloßen aus pfaffec-
lîche Barl. 398; harnaſch-ram-ec Parc. 99a; riuw-ec; ſtoub-
ec (pulveroſus); ſnêw-ec; ſweiƷ-ec Gudr. 78a; touw-ec (ro-
rulentus); trûr-ec (triſtis); -valt-ec, ein-valt-ec, drî-valt-ec;

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[293/0311] III. conſonantiſche ableitungen. G. uld: geloub-ec, ſchuld-ec etc. gehören, ihrem unumlaut zum trotze, der îc-form an. 2) bei unumlautbaren ent- ſcheidet die analogie des ahd. z. b. gît-ec, ein-ec, wên- ec fallen der ac-form heim, will-ec, nîd-ec der îc-form, womit ich für einzelne wörter und dialectiſch übergänge aus einer in die andere nicht ableugnen will, z. b. da ſchon im ahd. N. heilig oder heilîg f. heileg zuläßt, ſo verdient auch Hartmanns heilìgen: verſwigen Jw. 58a entſchuldigung. 3) bei Wolfr. könnte eine mir von Lachm. mitgetheilte metriſche regel aufſchluß geben: in der penultima duldet er vor vocaliſch anlautendem ſtumpfreim das -ec unſerer adj. (vorausgeſetzt, daß die wurzel lang ſei,) nur wenn die urform -ac war, nicht wenn ſie -îc war, in welchem falle -eg ſtehen muß. So z. b. ſchließt der vers: bluot-ec iſt, zorn-ec ouch (nicht bluot-eg iſt, zorn-eg ouch) hingegen: genæd-eg iſt, ſæl- eg ouch (nicht genæd-ec iſt, ſæl-ec ouch). Das wäre nachwirkung der alten länge in -îc, welche die media zwiſchen den zwei vocalen hervorruft: ſælegiſt, während die alte kürze -ac kein verſchmelzendes bluotegiſt erlaubt, ſondern das -ec mehr mit der wurzel verbindet: bluotec iſt. Inzwiſchen hilft die regel für unſere anwendung we- nig, da die beiſpiele wohl nur wörter darbieten, deren -ac oder -îc ſchon aus andern gründen feſtſteht; eher könnte ſie lehren, daß Wolfr. in einzelnen adj. der un- org. form huldigte, z. b. wenn er ſchuldec iſt ſagt ſtatt ſchuldeg iſt, ſo folgt daraus für ihn ein ſchuldec = ſcul- dac ſtatt ſchuldec = ſculdîc. 4) auf die analogie der be- deutungen, da dieſe noch nicht gehörig beſtimmt worden ſind, iſt ſehr behutſam zu bauen. — Dies vorausgeſchickt, laße ich die mhd. adj. der ac-form folgen: er-barm-ec (miſericors) Wigal.; bluot-ec (cruentus); dorn-ec (ſpino- ſus); durſt-ec (ſitiens); ein-ec (unicus); eiter-c (veneno- ſus)? oder zur îc-form? Mar. 215. eitir-gem; graſ-ec (herboſus); gît-ec (avidus); haft-ec in ê-haft-ec Barl. 387. teil-haft-ec; hand-ec (acer) Herb. 76d; heil-ec; hunger-c; jâmer-c Wigal. Parc.; ge-lang-ec Triſt.; leid-ec; durch- liuht-ec; loub-ec (frondoſus); luſt-ec, ver-luſt-ec; man- ec, un-man-ec; mord-ec (occiſorius) Wigal.; muor-ec (pa- ludinoſus) Parc. 97a; muot-ec; vruot-ec Tit. un-muot-ec: wuot-ec Wilh. 3, 24a, wuot-ec Reinfr. 43d; narr-ec (ſtoli- dus) Bon.; nôt-ec (coactus); pfaff-ec, geſchloßen aus pfaffec- lîche Barl. 398; harnaſch-ram-ec Parc. 99a; riuw-ec; ſtoub- ec (pulveroſus); ſnêw-ec; ſweiƷ-ec Gudr. 78a; touw-ec (ro- rulentus); trûr-ec (triſtis); -valt-ec, ein-valt-ec, drî-valt-ec;

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/311>, abgerufen am 22.11.2024.